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Reisearchiv: G wie Griechenland – Naxos

p2012_10_05_19h46_15Panta rhei. Das einzige, was feststand, war der Termin für den Rückflug von Mykonos. Unser Plan von Santorini über Paros nach Naxos und Mykonos zu fahren, scheiterte dann an zweierlei. Ersten waren just zum 1. Oktober die Winterfahrpläne in Kraft getreten und manche Inseln nicht oder nur mit langwierigen Umwegen zu erreichen und zweitens haben wir uns in Naxos verliebt und sind dann einfach dort geblieben. Ihre landschaftliche Vielfalt, ihr Reichtum an Kulturdenkmälern und die Schönheit ihrer Dörfer haben uns einfach überwältigt. Diese Insel hat uns verzaubert. Wie Ariadne wären wir am liebsten auf Naxos geblieben.

 

Unser erster Stopp in Naxop2012_10_05_16h14_49s war eine kleine Pension mitten in der Altstadt der „Hauptstadt“ Chora. Chora war fest in deutscher Hand. Dem Dialekt nach waren gerade Herbstferien in Ba Wü. Wo auch immer man in der Altstadt durch die engen Gassen ging, hörte man den badischen Tonfall. Diese kleinen Gassen führten von der Strandpromenade hoch zur Burg, vorbei an unseren ersten Treppen. Natürlich gibt es auf Naxos wundervolle Kulturdenkmäler: Kirchlein aus dem 6. Jahrhundert, venezianische Burgen, griechische Tempel. Aber für mich sind diese Treppen Naxos. Steinstufen in verschiedensten Breiten und Tiefen, ausgetreten, zerbrochen, verwinkelt. Wunderschön.

 

Am nächsten Tag haben wir mit Stuart, einem englischen Fotografen eine Tour zu den „Versteckten Schätzen“ Naxos gebucht. In der Tour inbegriffen war der Transport im Wagen des Fotografen. Dieses Gefährt war sicherlich auch echt antik. Wir hatten gelegentlich ein schlechtes Gewissen, ein so altes Auto über die Berge und durch die Feldwege zu jagen. Stuart lebt in einem alten Haus, ohne Strom und fließend Wasser und bietet Fotokurse an. D.h. er fährt mit seiner Gruppe in Olivenhaine oder auf Berghänge und erklärt ihnen, wie sie Licht und Schatten am besten einsetzen, ump2012_10_07_14h59_25 ganz besondere Bilder zu machen (also das, das Monsieur intuitiv weiß.) Dabei musste er sich die Achtung der Bauern, auf deren Felder und in deren Hainen er fotografiert, hart erarbeiten. Er erzählte, dass die Landbevölkerung misstrauisch Touristen beobachtet, die so „nur zum Spaß“ durch die Gegend wandern. Dieses Konzept des Wanderns als Zeitvertreib war ihr zutiefst fremd. Stuart konnte die Bauern beruhigen: seine Touristen müssten ihn dafür bezahlen, dass er mit ihnen durch die Gegend läuft. Damit gewann er das Herz der Bauern: Touristen bezahlen machen für etwas so Selbstverständliches wie in der Gegend herumzulaufen, das fanden sie gut.

Naja, auch wir haben ihn ja schließlich dafür bezahlt, dass er mit uns in der Gegend herumfährt: von Klosterruinen zu winzigen Kapellchen, von aufgelassene Bauerndörfer mit uralte Bergterrassen zu wunderschönen Kirchen aus dem 4. Jahrhundert. Natürlich gehörte der Besuch in seinem Lieblingslokal ebenso dazu wie der Besuch „seiner“ Eule in einer alten Stadtmauer und jede Menge lokaler Anekdoten.

p2012_10_09_12h26_12Naxos-Marmor gehörte wohl zu den begehrtesten Materialien in der Antike, wovon die Narben der alten Steinbrüche zeugen. (Die modernen sind noch scheußlicher). Große Statuen, 3 – 8m hoch, wurden als Rohlinge aus dem Felsen gehauen, zum Meer transportiert und dann im Netz zwischen zwei Schiffen hängend nach Athen gebracht, wo Künstler dann die Details vollendeten. Aber manchmal ging etwas dabei schief und die Statp2012_10_05_17h01_56ue zerbrach beim Transport oder der Marmor hatte einen Fehler und das Projekt wurde aufgegeben. An mehreren Stellen in den Bergen Naxos’ liegen solch halbfertige Statuen. Und Stuart hatte ein Lektion in griechischer Tourismuswirtschaft parat: jeder Tourist sucht diese magischen „Kouros“-Figuren, also stellt das Tourismusministerium Schilder auf. Auf denen steht dann aber: Aufgelassener Steinbruch, also maximal uninteressant. Drunter hängt von den Einheimischen mit roter Farbe auf Pappe geschrieben der Hinweis „Kouros“.

p2012_10_05_12h48_29Die nächste Kirche war immer nur eine Kurve weit weg. Manche waren geschlossen, wenn man sich endlich den Hügel hochgearbeitet hatte, andere, berühmtere, hatten ein kleines Bataillon alter Frauen, die die Ikonen und Kultgegenstände vor gierigen Händen bewachten. Zwei Kirchen haben mich besonders berührt, beide uralt. Die eine ein lebendiger Ort des Glaubens, die andere eine leere Hülle. Panagia Drosiani duckt sich mit ihren bienenkorbartigen Apsen in die Berge bei Moni. In dem alten Kirchlein sitzen ältere Frauen und stricken und sticken Tücher, die sie an Besucher verkaufen. Aber eigentlich war ihre selbstgestellte Aufgabe, über ihre Kirche zu wachen. Betritt man diese Kirche, muss man sich erst tief bücken und dann umfängt einen dieser typische Geruch, bei dem der Weihrauch der Jahrhunderte mit dem genauso alten Moder um die Vorherrschaft ringt. Es ist für mich die Essenz alter Kirchen, egal ob das jetzt in Burgund oder auf Naxos ist.p2012_10_09_11h07_17

Auch in Agios Mamas konnte man noch etwas von dieser Essenz spüren, obwohl die Kirche schon seit langem aufgegeben ist. Die altbyzantinische Kirche aus dem 9. Jahrhundert steht ohne Fenster und Türen der Witterung preisgegeben. Der daneben stehende Bischofspalast aus dem 11. Jhd. (zugegebenermaßen ein architektonischer Fehlgriff) wird als Schafstall genutzt. Um beides zu finden, geht es erst einen abenteuerlichen Feldweg entlang, so weit, wie man dem Mietwagen denn zutraut und dann zu Fuß, bis ein großes Portal anzeigt, dass etwas Wichtiges, Schönes in der Nähe sein muss, der durchs Tor gezogene Drahtp2012_10_05_11h21_15verhau aber auch kommuniziert, dass Besucher unerwünscht sind. Wir haben uns auf die Wegbeschreibung des Reiseführers verlassen, der ganz eindeutig den Weg über dieses Gelände beschrieb. Und darauf gebaut, dass sich der Besitzer nicht nach dem Erscheinen des Führers gefährliche Schäferhunde zugelegt hat.

Das Kalamitsia Kloster dagegen hatte diesen Duft verloren, es steht ohne Fenster und mit zum Teil offenem Dach in einem Tal, fast überwuchert von der Vegetation.

Ein Ort mit einer ganz besonderen Atmosphäre ist der Demeter-Tempel bei Ano Sangri. Er steht auf einem Hügel inmitten einer fruchtbaren Ebene, die Tempelsäulen weithin sichtbar. Nun kann man ja Säulen oft genug sehen in Griechenland. Seltener ist die kleine byzantinische Kirche, die in den Tempel hineingebaut wurde. Und vor dem Tempel und vor der Kirche fanden Archäologen Opfermulden einer noch älteren Religion.

 

 

 

p2012_10_07_09h23_00Am dritten Tag sind wir in den Norden weitergefahren, zu einem Hotel direkt am Strand von Apollon. Die Zufahrtsstraße endete vor dem Strand, man musste über ein trockenes Flussbett und den Kiesstrand weiterfahren. Die Autovermietung in Naxos hatte uns einen kleinen Fiat zur Verfügung gestellt. Nicht gerade ein Geländewagen. Es klappte trotzdem. Zur Not hätten vier starke Männer ja das ganze Auto ans Ufer tragen können! Das Hotel hatte ein bisschen was von „Shining“, nur drei Zimmer waren belegt. Aber der Wirt, ein abgebrochener Historiker und Späthippie, war sehr nett und seine Mama hat an einem Abend für uns gekocht, weil der eine Gast und Freund am nächsten Tag abreiste. So saßen wir zu fünft am Tisch – die Mama wollte nicht – und wunderten uns mal wieder, wie klein die Welt so ist: Wir sprachen mehr Deutsch als Englisch! Ein abgebrochener Historiker aus Griechenland, ein Philosophieprofessor aus Kanada, der in Berlin forschte, ein Altphilologe aus Spanien, der in München studiert hatte, aber nach dem Tod seines Vaters den landwirtschaftlichen Betrieb übernommen hp2012_10_05_14h33_46atte und jetzt den Popcornmais produzierte, den wir in der Migros kaufen und wir. Die 2-Liter-Kanne Hauswein wurde vom Gastgeber zweimal nachgefüllt, danach habe ich nicht mehr mitgezählt…

Autofahren ist sehr entspannt. Die Straßen sind eng und schmal, du fährst eh langsam und an jeder Kreuzung wirst du noch langsamer, weil du ja erst einmal griechische Buchstaben „übersetzen“ musst. Die Gegenwart eines Physikers hilft da ungemein, da der zumindest die Kleinbuchstaben kennt. Nächstes Mal nehmen wir noch einen Theologen mit…

 

Die Straßen führen gelegentlich zp2012_10_07_15h35_55u kleinen Orten, die während oder nach dem Krieg aufgegeben wurden. Bei manchen war es die schiere wirtschaftliche Not, bei anderen gibt es Geschichten über Nazi-Kollaborateure und Rache. Allen gemeinsam ist das Gefühl, dass du aus deiner Zeit heraustrittst. Und wieder sind es die Treppen, die in das Dorf hineinführen, vorbei an Bergterrassen, die zehn, hundert oder tausend Jahre alt sein könnp2012_10_05_14h09_24en. Treppen, die von engen Gassen abgehen, in einen Hof hinein. Wo das Haus unter dem Dach eines mächtigen Olivenbaumes, aber ansonsten der Witterung offen, steht. Treppen, die man einfach hochgehen muss, so groß ist ihre Kraft, so zwingend wird der Wunsch zu wissen, wo sie hinführen…

 

Und die letzten Tage sind wir dann wieder in den Süden Naxos’ gefahren, Sonne, Sandstrand und ein paar wunderschöne versteckte Kirchlein… Ip2012_10_10_16h04_50m „Leuchtturm“ hatten wir ein großes Apartment und konnten wählen zwischen der Terrasse mit dem Blick aufs Meer oder der mit dem Sonnenuntergang. Nachsaison hat definitiv ihre Vorteile. Abends kochte die Mama im Restaurant, nicht immer das, was auf der Karte stand, aber immer gut. p2012_10_10_11h36_09Der Strand war sehr schön, aber doch gute 200m entfernt und völlig verlassen. Wohingegen der Swimmingpool direkt vor der Haustür lag und man die Drinks zum Liegestuhl gebracht bekam. Manchmal stellt einen das Leben wirklich vor schwere Entscheidungen.

 

 


1 Kommentar

  1. claraeugenia sagt:

    Danke für diesen wieder mal eindrucksvollen Bericht!
    Luculla

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