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Wie schön, wieder zuhause zu sein

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Thessaloniki überrascht uns heute morgen mit heftigen Regenschauern, so dass unsere kurz angedachten Pläne zur Rückeroberung der Festung im wahrsten Sinne des Wortes ins Wasser fallen. Monsieur huscht, in einer Mischung aus Neugier und Sturheit, noch einmal schnell zur Agia Sofia.

Und dann sitzen wir – viel zu früh – im Flughafen Thessaloniki, der es an Charme durchaus mit einem Provinzflughafen in – sagen wir mal – Laos aufnehmen kann. Nach den gestrigen Stauerlebnissen hatten wir eine großzügige Zeitreserve eingeplant. Natürlich kommen wir reibungslos durch. Der Abflugbereich ist fest in der Hand mitreisender Kleinkinder. Auch in Zürich, wo wir sehr lange auf unseren Anschlussflug warten müssen, können wir die Freuden des Reisens mit kleinen Kindern miterleben. Der Kleine klebt mit der Nase am Fenster, der Vater auf dem Stuhl daneben liest ein Buch. Mit der Ausdauer, zu der nur Zweieinhalbjährige fähig sind, fragt er ununterbrochen: „Papa, ist das unser Flugzeug? Papa, ist das unser Flugzeug? Papa, ist das unser Flugzeug? Papa, ist das unser Flugzeug?“ Der Vater, ohne die Augen vom Buch zu heben, antwortet jedes Mal mit „Nein!“. Irgendwann bemerkt der Kleine den Betrug und denkt sich etwas anderes aus: „Papaaa, wohin fliegt das Flugzeug?“ Der Vater, weiterhin ins Buch vertieft, wirft die Namen sämtlicher Großstädte ein, die ihm gerade einfallen. Der Kleine, mit diesem unheimlichen Gespür der Kinder für geistigen Eskapismus ihrer Eltern, hat es irgendwann satt und schmeißt sich schreiend auf den Boden: „Ich will, dass unser Flugzeug jetzt kommt! Ich will, dass unser Flugzeug jetzt kommt! Ich will, dass unser Flugzeug jetzt kommt!“ Und hat plötzlich die volle Aufmerksamkeit seines Vaters.

Leider ist der Tobsuchtsanfall nicht wirklich zielführend – das Flugzeug kommt nicht -, sonst wäre ich versucht gewesen, diesen Ansatz auch einmal auszuprobieren. Unsere Wartezeit zieht sich und zieht sich.

Spät in der Nacht kommen wir dann zuhause an, wo uns die Katze anmault, wo wir denn jetzt schon wieder gewesen wären. Viel schlimmer ist aber die zwar wortlose, aber ums ausdrucksvollere Nörgelei des Gartens. Der es hochgradig unfair findet, dass immer nur die Katze gegossen wird, Streichelei hin und her.

Wie schön, wieder zuhause zu sein.

 

PS: Wir haben ihnen noch nicht erzählt, dass wir am Sonntag schon wieder fahren. Eine Woche Klosterleben in einem Land, dessen Sprache ich nicht beherrsche: Bayern.

Weihnachtsgeschichte, sehr frei nach Lukas

Es begab sich aber zur der Zeit, da Hollandus Statthalter in Gallien war, dass ein Gebot von dem Kaiser Vallus ausging, dass ein Paket abzuholen sei. Und jedermann ging, dass er sein Paket abhole, ein jeder in seine Stadt.

Da machte sich auf auch Madame aus Gallien vom tiefsten Lande, zur Stadt der Post, die da heißt Sanctus Genius, ein Paket abzuholen für Monsieur.

Und als sie dort war, kam die Zeit, den Abholschein vorzulegen. Jener aber trug den Namen von Monsieur.

 

Draußen warteten die Hirten, die Engel und alle anderen Kunden von „La Poste“, drinnen weigerte sich die Mitarbeiterin des Inkompetenzzentrums der Post, mir das Paket zu geben. Es sei schließlich nicht für mich, da bräuchte ich eine unterschriebene Vollmacht und den Pass Monsieurs. Und außerdem und überhaupt würde unser Ort ja gar nicht zu ihrem Zustellungsbereich gehören, sondern zur Dorfpost unseres Nachbarortes. Wie wir so diskutieren, sagt ein Stimme aus dem Lagerraum: „Ach, ist das das fehlgeleitete Paket aus X? Dann gib ihr das doch einfach mit, brauchen wir uns nicht mehr drum zu kümmern.“

Mir wird das Paket also übergeben mit dem Hinweis: eigentlich ja nicht, ausnahmsweise aber doch, weil ja bald Weihnachten ist…

Ich schaue auf den Adressaufkleber. Steht da groß und deutlich erst mein Name und dann der Monsieurs.

 

Und der Engel sprach zu mir: „Wundere dich nicht! Siehe ich verkündige dir große Freude mit dem Paket.“ Und alsbald war da bei dem Engel die Menge der himmlischen Heerscharen, die sprachen: „Friede auf Erden und ein bisschen mehr Hirn dem Inkompetenzzentrums der Post!“

 

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Gut erzogene Eltern sind die Freude ihrer Kinder

Blaue Moschee - Sultan Ahmed MoscheeDiese Reise hatten unsere Kinder Monsieur zum 60. Geburtstag geschenkt. Die Idee kam von den Mädels, die Istanbul kannten, und meinten, dass es ja gar nicht anginge, dass wir von dieser tollen Stadt nur den Flughafen zum Umsteigen kennen.

Also haben sie uns fünf ganz besondere Tage organisiert, mit einem schönen Hotel in der Altstadt, und uns eine lange Liste gemacht, was wir alles anschauen und machen sollten. Aber irgendwann kommt der Zeitpunkt, an dem Eltern ihre eigenen Wege gehen müssen und so haben wir Rumili Hissar nicht besichtigt, trotz dringender Empfehlung. ‚Tschuldigung.

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Das Bild im Internet

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und in der Realität

Und dass das Hotel eine kleine Mogelpackung war, das konnten sie ja nicht wissen. Unsere Kinder hatten für uns nämlich das als besonders romantisch beschriebene „Gartenzimmer“ mit eigenem kleinen Garten gebucht. Das Zimmer entpuppte sich als ein kleiner Raum im Keller und der eigene Garten war dann wirklich etwas ganz Besonderes. Durch die Tür trat man auf ein kleines Terrassendeck, vor einem eine rote Ziegelsteinmauer. Rechts stand eine Gartengarnitur, links ein großer Wassertank, ein Stromgenerator und alte Küchengeräte. Im Rücken hatte man die Hauswand, an der ein Dutzend Klimaanlagen hingen, die brummend vor sich hin arbeiteten (um zu heizen, wohlgemerkt) und sanft tropften.

Wir konnten nur laut loslachen, ob der Diskrepanz zwischen Internet und Realität. Und ich glaube nicht, dass Istanbul hier seine Hand im Spiel hatte. Das war ganz alleine auf dem hmmm… nun ja Mist der Hoteleigner gewachsen.

Dafür war das Hotel aber nur zwei Häuser neben der kleinen Hagia Sophia, für mich mit der Yerebatan-Zisterne das schönste Bauwerk, das ich in Istanbul gesehen habe. Und direkt neben an gab es ein Lokal, dessen gegrillter Tintenfisch am ersten Abend so gut war, dass wir ihn am letzten Abend noch einmal haben wollten. Als Bonus gab es einen Tisch auf der Dachterrasse mit Blick über die Moschee und Häuserreihen aufs Marmarameer und die schlafenden Leviathane der Containerschiffe. Und das, das war dann wirklich romantisch.

Danke, ihr Vier!

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We agree to disagree

Topkapi PalastMonsieur findet den Over-the-Topkapi ganz toll, ich eher nicht so. Dass der Geschmack lange toter östlicher Potentaten nicht mit dem meinen übereingeht, damit war zu rechnen. Aber die vielgepriesene erlesene Ausstattung des Palastes wirkt auf mich, als hätte RTL2 seine Renovierungsterroristen losgelassen. Ich sehe sie förmlich vor mir, die Tina Wittler des Osmanischen Reiches: „Da habe ich diese wunderbaren Kacheln gefunden, im Baumarkt, wirklich ein echtes Schnäppchen. Leider gab es nur noch vier Quadratmeter. Macht aber nichts, dann nehmen wir noch diese süßen bunten Blumenkacheln und setzen die rechts und links an. Und damit das alles richtig gut wirkt, basteln wir noch einen Rahmen aus diesen hübschen blauen Kacheln drum herum. Da wird der kleine Sultan sich aber freuen, wenn er sein neues Zimmer sieht, gell?!

Bei einigen späteren Pavillons sah man dann, dass die Lieblingskonkubine Tine in die Wüste geschickt hatte und selbst die Planung übernommen hatte. Und trotzdem …

Vielleicht liegt meine Ablehnung aber auch daran, dass ich denke, dass die Typen, für die der ganze Aufwand betrieben wurde, meist nicht einen müden Handschlag getan haben, um sich diesen Luxus zu verdienen und dass die, deren Steuergelder diesen Luxus bezahlt haben, ihn sich höchstens Sonntags im Museum ansehen können.

Topkapi PalastWas mir dann wirklich gut gefallen hat, war die Palastküche in einem Seitentrakt. Ein riesiger Komplex mit gewaltigen Kaminschloten, in dem zeitweise bis zu 1000 Köche wuselten, um die 5000 Bewohner des Palastes zu versorgen.

Also, Topkapi war jetzt nicht so mein Istanbul-Höhepunkt, zumal es so überlaufen war, dass lange Schlangen überall im Weg standen. Dafür hätte man in ein und dem selben Raum Führungen in fünf Sprachen haben können: Türkisch, Englisch, Italienisch, Bayrisch und natürlich auch Deutsch.

Auf dem Weg zwischen Topkapi und Hagia Sophia schiebt Istanbul uns die Hagia Eirina entgegen. Wir sind ein bisschen misstrauisch, keine Schlangen an der Kasse. Eigentlich ist der Komplex menschenleer, hmmm… Unser Reiseführer spricht von architektonischer Schönheit, von Kuppeln, von einem Mosaik, hmmm… Von außen sieht das Gebäude aus wie ein spätviktorianischer Bahnhof, hmm…. Istanbul kichert und tritt von einem Fuß auf den anderen. Wir kaufen zwei Tickets, 40 TL, also, dafür müssen sie ja wohl was bieten, und betreten die Kirche. „Reingefallen, reingefallen!“, ruft Istanbul, dreht uns eine Nase und rennt lachend davon. Kleiner Scherz unter Freunden, hmmm… Etwas verunsichert blicken wir uns um. Ok, Architektur gibt es genug. Allerdings ist quer durch das Schiff auf fünf Meter Höhe ein riesiges Netz gespannt, um den reichlich vorhandenen Taubendreck aufzufangen.

Sorry Eirene, aber das wird mir als die Kirche vom heiligen Taubendreck in Erinnerung bleiben.

p2015_04_24_14h26_10Von Eirena aus geht es durch den Gülhane Park, ein Meer von Tulpen und Hyazinthen. Die Sonne, die nun endlich scheint, lässt nicht nur die Farben leuchten, sondern auch die Blumen duften. Am Marmara-Ufer wird uns mitgeteilt, dass wir die offizielle Bosporus-Tour der städtischen Bootslinien gerade verpasst haben. Also gehen wir ein paar Anleger weiter bei einem privaten Anbieter an Bord und lassen uns für eine Handvoll Lira den Bosporus hochschippern bis zur Festung Rumili Hissar und zurück.

Das Ganze bei strahlendem Sonnenschein. Was will man mehr?   p2015_04_24_15h05_04

Wenigstens schneit es nicht

… sagt Monsieur beim Frühstück mit Blick aus dem Fenster.

Das ist die richtige Einstellung! Immer positiv bleiben. So wie die Temperaturen, knapp. Vier Grad im Augenblick, Tageshöchstwerte zwischen acht und elf Grad.

Okay, heute mal nicht Jahrtausende überbrücken, heute geht es „nur“ ins Istanbul des 19. Jahrhunderts. Mit diversen Nahverkehrsmitteln zum Taksimplatz und von dort die „Champs-Elysées“ Istanbuls herabschlendern. Nahverkehrsmittel gibt es in reicher Auswahl und jedes verlangt sein eignes Ticket. Nun ist das ja im Allgemeinen standardisiert: man steckt irgendwo oben Geld rein und kriegt unten ein Ticket raus, aber das dann immer und immer wieder zu wiederholen, kostet Zeit.

Eine kleine Auswahl der Möglichkeiten: Tram vom Sultanahmet-Platz über die Galata-Brücke bis Karakoy: Jeton. „Tünel-Bahn“ von 1876 durch den Berg: Ticket, aber bitte nicht im Bahnhof, da sind die Maschinen kaputt, bitte gehen Sie zum Minimarkt draußen. Und zack, Bahn weg.

p2015_04_23_12h21_47Historische Straßenbahn von der Tünelbahn bis zum Taksim: Ticket. Wir sind nicht die einzigen überforderten Touristen an der Ticketmaschine. Ein amerikanisches Paar spricht in seiner Hilflosigkeit eine Türkin an, die ihre Tickets auf ihren Mehrfachkarte nimmt. Schließlich fasst sich der Schaffner ein Herz, steigt aus und gibt in gutem Englisch einen Einführungskurs in die Bedienung der Ticketmaschine. Und dann bringt uns das Straßenbähnchen zwar stilvoller und bequemer, aber bestimmt nicht schneller als zu Fuß zum Taksimplatz.

Die Flanierstraße Istiklal Caddesi ist lebhaft und schön, allerdings auch stark geprägt von internationalen Ketten. Im Saray Muhallebicisi schwelgen wir in einer Kuchenauswahl, auf die jedes österreichische Kaffeehaus auch stolz gewesen wäre.

Zurück auf der Istiklal Caddesi wird es mir bald zu langweilig, der breiten Straße zu folgen und ich schlage Monsieur vor, unser Ziel, die Kilis-Ali-Pascha-Moschee auf kleinen Seitenstraßen zu erreichen.

p2015_04_23_13h25_50_jiUnd höre jemanden hinter vorgehaltener Hand kichern. Leise und verhalten, aber unmissverständlich. Istanbul bereitet wieder etwas vor. Zwei Gässchen und drei Straßenecken weiter biege ich in eine Straße und bleibe stehen: rechts und links ein Trödelladen neben dem anderen. Und Istanbul prustet los, erfreut, mir solch eine Freude gemacht zu haben. Wir schauen, wir fassen an, wir diskutieren, gelegentlich sagt Monsieur sehr bestimmt Nein! und so kommen wir nur sehr langsam zu unserer Moschee, die wiederum schier erdrückt wird durch die Silhouette des riesigen Kreuzfahrtschiffes, das direkt hinter ihr im Goldenen Horn vor Anker liegt.p2015_04_23_13h33_43_ji

Mit weiteren Nahverkehrsmitteln geht es unter- und oberirdisch zur Theodosianischen Stadtmauer: sehr groß und sehr beeindruckend. Wir laufen ein Stück an der Mauer entlang auf den Weg zum Chora-Kloster. Bevor es richtig anstrengend werden kann, schiebt Istanbul eine Sackgasse dazwischen und zwingt uns an der Mihrahmar Moschee abzubiegen, was uns dann zwangsläufig an einem netten Kaffeehaus vorbeiführt. Johannesbeerkuchen für mich, Limone-Käsekuchen für Monsieur, der sich dann als Bananenkuchen manifestiert mit der Begründung: „Limone aus, Banane ok?“ Monsieur ist ein sehr philosophischer Mensch und nickt nur.

p2015_04_23_16h11_09aDie Kirche des Chora-Klosters entpuppt sich als eine der überlaufensten Sehenswürdigkeiten Istanbuls. Verständlich, die Mosaiken sind von exquisiter Schönheit. Da das Hauptschiff für Renovierungsarbeiten gesperrt ist, drängeln sich ganze Busladungen im inneren und äußeren Narthex vor den Darstellungen aus dem Leben Jesu und Mariae. Zwei Damen – ich halte sie für pensionierte Studienrätinnen — sind besonders gut vorbereitet. Auf Fotokopien haben sie Heilige und Episoden durchnummeriert und die werden jetzt abfotografiert, gnadenlos – auch wenn ganze Gruppen deswegen warten müssen, bis sie den automatischen Selbstauslöser runtergezählt haben. Lautstark, wie auch ihre gesamte Konversation, ohne Rücksicht auf die Atmosphäre des Ortes geführt wird. Ich habe irgendwann mal gelernt, was ein Narthex ist oder ein Tympanon und weiß auch, was ein Kreuzrippengewölbe kennzeichnet. Aber wenn ich eine ältere Dame lautstark ihrer Freundin zurufen höre: „Du, ich habe die Heiligen im Zwickel.“, dann gehen – muss ich gestehen – meine Gedanken nicht unbedingt in Richtung Architektur.

Zum guten Schluss kamen wir auf unserem Weg zurück an einem Café vorbei, das eine Tafel im Fenster hatte: „Lieber April, du weißt schon, dass du kein Wintermonat bist…“

Gute Nacht aus Istanbul.

Wenn es regnet, geht man ins Museum

Das nennt man Kultur.

Es regnet, aber das ist nicht der einzige Grund. Das Archäologische Museum Istanbul besitzt auch einige der schreitenden Tiere des Ishtar-Tores und da das Pergamon-Museum nun leider bis 2017 geschlossen ist, kann man sich hier dieses unglaublichen Blaus erfreuen. Und dann sehe ich mit großer Freude, dass das Museum auch meine Lieblingstiere hält: hethitische Basalt-Löwen. Gleich mehrere Exemplare stehen in der Halle, von kniehoch bis übermannsgroß. p2015_04_22_14h08_58Allen gemeinsam ist der Versuch, groß und grimmig dreinzuschauen, was aber durch das freche Grinsen der stilisierten Schnauzen völlig danebengeht. Am liebsten würde ich sie streicheln, aber die Damen und Herren in Blau schauen so kritisch herüber. Irgendwann will ich mal in die Osttürkei, um hethitische Basalt-Löwen in ihrem natürlichen Habitat zu beobachten. (Wobei sich natürlich der Verdacht aufdrängt, dass – wie bei einigen seltenen Zootieren – das natürliche Habitat hethitischer Basalt-Löwen eben Orte wie das Pergamon-Museum sind.)

Angefangen hatte unser Tag mit einer weiteren Regen-Attraktion, dem großen Bazar. Gleich der erste Händler sprach uns sofort auf Deutsch an: Teppiche, Lederjacken, Parfüm, was unser Herz denn begehre? Mein schüchternes „ Ich will eigentlich nur ein bisschen schauen…“ konterte er mit: „Prima, ich will eigentlich nur ein bisschen verkaufen!“ Aber letzten Endes konnte der Zauber des Orients unser Herz oder vielmehr unsere Geldbörsen nicht öffnen, von Baklava mal abgesehen…

Istanbul hat uns mit spitzbübischem Grinsen einen Trick verraten: das Geheimnis ist nicht zu früh zu sein, sondern zu spät. Wenn man früh morgens im Regen vor der Hagia Sophia anstehen will, stehen da schon all diese anderen disziplinierten, gut organisierten, früh aufstehenden Touristen, in dem Bemühen, andere dito Touristen beim Warten auszutricksen. Da die meisten Touristen aber genauso gedacht haben, gewinnt man nur ein bisschen mehr Wartezeit, um gähnend und frierend an sein schönes warmes Bettchen zu denken.

Der Trick, wie gesagt, besteht darin, zu spät zu kommen. Abends um 17:00 will kein Mensch – außer uns natürlich – in die Hagia Sophia. Dass Istanbul uns diesen Trick nicht durch den Mund eines uralten weisen Derwischs verrät, sondern durch den eines Teppichhändlers, der uns dann auch gleich auffordert, die durch den Tipp gewonnene Zeit in seinem Laden zu verbringen, spricht wieder für den Humor dieser Stadt.

p2015_04_21_16h14_22In der Yerebatan-Zisterne (gleicher Trick) werden an die Besucher Neopren-Anzüge und Tauchgerät ausgegeben, da die Regenfälle der letzten Tage die riesige Zisterne — nein, nein, kleiner Scherz meinerseits. Wir laufen fast trockenen Fußes durch die gigantische unterirdische Wasserkathedrale. Über 300 Säulen spannen in fast zehn Metern Höhe ein knapp 10000m2 großes Gewölbe über das größte Frischwasserreservoir der alten Stadt. Diese schnöden Zahlen können allerdings nichts von der Magie dieses Ortes vermitteln, die von gelegentlich in den Nacken fallenden Wassertropfen kaum gestört wird.

p2015_04_22_16h39_00Das Kontrastprogramm zur geheimnisvoll dunklen Schönheit der Zisterne kommt dann mit der Hagia Sophia und ihren goldgrundigen Mosaiken. Gut, die letzte Renovation durch zwei Schweizer Brüder liegt über 100 Jahre zurück und jeder Immobilienmakler würde dringend zu Schönheitsreparaturen raten. Besonders angetan bin ich vom Stiftungsmosaik im oberen Umgang. Kaiser und Kaiserin, sehr würdevoll mit allen Insignien der Macht, sitzen rechts und links einer wunderschönen Madonna mit Kind. Der goldene Hintergrund aus winzigen, glänzenden Steinen, die hoch stilisierte Darstellung der Heiligen, alles, wie es im Kunstlexikon zu byzantinischen Heiligendarstellungen erklärt wird. Wenn da nicht dieser ausgesprochen freche und aufgeweckte Ausdruck in den Augen des Kindes wäre. Es hat nicht viel gefehlt und es hätte gezwinkert!

Heute Abend wollen wir in einen kleinen Fischervorort: Fisch essen. Wie wir dahin kommen, wissen wir noch nicht so genau. Brauchen wir auch nicht. Wir gehen einfach los. Um den Rest wird sich Istanbul kümmern.

Da bin ich mir ganz sicher!

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Istanbul – oder: 545000 Tulpen im Regen

…. aber wir arbeiten dran!

Jeder fängt mal klein an. Finde ich auch ganz gut so.

p2015_04_21_09h48_05Also fingen wir in Istanbul mit der „Kleinen Hagia Sophia“ an. Erstens siehe oben und zweitens liegt sie sozusagen direkt vor unserer Haustür. Wir kämpfen uns morgens durch Regen und Wind zum Eingang, ziehen die Schuhe aus (alle) und ein Kopftuch an (einige) und betreten einen Raum von ausgesuchter Schönheit. Ausgewogene Proportionen, eine Farbgebung in Taubenblau und Ochsenblut lenken uns ab, so dass wir den älteren Herren fast erst bemerken, als er nach der obligatorischen Woher-Frage feststellt, er käme aus Köln und sei somit fast ein deutscher Nachbar von uns. Dann lenkt er unser Augenmerk auf die Gemeinsamkeiten dieses Sakralbaus mit der Krönungskapelle in Aachen und wir realisieren zu spät, dass wir soeben einen Führer eingefangen haben. Wir nehmen sein Angebot an, uns dieses Gebäude zu zeigen, bestehen aber darauf, den weiteren Verlauf des Tages allein und in eigener Regie zu gestalten.

Und kämpfen uns anschließend durch Wind und Regen am Hippodrom vorbei zur Blauen Moschee.

Wieder Schuhe aus, Kopftuch an, und dann hinein in die Blaue Moschee. Wobei ich dann erstmal das „Blau“ suche. Gut, vielleicht bin ich ja völlig verwöhnt von Samarkand, aber ich fand das Blau hier nun doch etwas unterwältigend.

Auf dem Platz zwischen Blauer Moschee und Hagia Sophia gibt es im Rahmen des Tulpen-Festivals den größten Tulpen-Teppich der Welt: Über 545000 Tulpen in verschiedensten Farben, verwebt zu einem großen Blumenteppich. Kleine, tapfere Tulpen – ich habe sie maßlos bewundert, wie sie da so standen, in der Kälte, dem Wind, dem Regen ausgesetzt und den Elementen trotzten.

Genau wie die endlos lange Schlange an Touristen, fast zweimal um den Platz, die auf ihren Einlass in die Hagia Sophia oder die Yerebatan-Zisterne warten. Okay, Schlange stehen im Regen, das war nicht, was ich mir von Istanbul erwartet hatte. Also war dringend ein Planungsstopp notwendig. Am besten, irgendwo, wo es warm und trocken war und man auch etwas zu essen bekam. Während wir aßen, kam die Sonne heraus und der Plan wurde gefasst, erst zum Beyazit-Turm und von dort durch die Altstadt zur Galata-Brücke und dann weiter zum Galata-Turm zu laufen.

Und damit begann unser „Istanbul-Special“. Also, Altstadt gab es viel, Gässchen auch, jede Menge, die so weder auf meinem Stadtplan noch im Reiseführer aufgeführt waren. Orientierung war auch ein bisschen schwierig. „Bis zur nächsten Moschee“ war eine eher redundante Aussage, da eine Moschee neben der anderen stand. In dem ganzen Gewühl fand ich dann einen mächtigen roten Turm, den ich Monsieur als Beyazit-Turm zu verkaufen versuchte. Monsieur tat zwar so, als ob er mir glaube, wies dann aber taktvoll auf die UNESCO-Plakette, die etwas völlig anderes behauptet. Hmmm.

p2015_04_21_15h11_19Wir schauen weiter – und da ist er dann plötzlich, der Turm, neben dran die Universität und eine weitere Moschee. Toll geeignet als Ausgangspunkt für das nächste Altstadt-Gassen-Suchspiel

Istanbul hat sehr viel Sinn für Humor. Immer, wenn ich auf meinem Stadtplan nicht weiterkam, musste Monsieurs Lebensgefährtin ran. Die dann aber auch irgendwann die Hände in die Luft warf und schrie: „So kann ich nicht arbeiten, in diesem Gewühl kann ich mich nicht orientieren!“

Dann grinste Istanbul, trat einen Schritt zurück, ließ uns um die Ecke biegen – und da war unser Ziel. Unglaublich, aber wahr! Drei Mal ist uns das passiert. Jedes Mal, wenn wir dachten: jetzt reicht es, wir gehen ans Meer, da können wir uns orientieren, hörten wir Istanbul hinter uns kichern und das uralte Kaffeehaus oder den Hamam aus dem 16 Jhd. aus dem Ärmel ziehen.

p2015_04_21_15h30_40Achja, zum Galata-Turm sind wir dann doch nicht mehr gelaufen. Zu einen konnte man schon aus der Ferne sehen, dass die Plattform völlig überlaufen war. Zum anderen hatte uns Istanbul vollkommen überraschend und augenzwinkernd die sehr beeindruckende Sülemaniye-Moschee in den Weg gestellt und den Wegweiser zur historischen Armenküche, dem heutigen Darüzziyafe-Kaffeehaus. Und hinter meterdicken Mauern im Warmen türkischen Kaffee und Süßigkeiten zu genießen entsprach im Moment sehr viel mehr meinem Istanbul/Gefühl als der Besuch eines zugigen Aussichtsturms.

Morgen werden wir das mit Istanbul noch mal testen. Mal sehen, was die Stadt für uns bereithält.

Gute Nacht aus Istanbul

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