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Wer reitet so spät durch Nacht und Wind?

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Paonia ist’s – mannomann!

Das reimt sich jetzt zwar nicht so richtig, dafür geht unsere Geschichte wenigstens besser aus als bei Herrn Goethe.

Geplant war das natürlich ganz anders – und das aufgrund gründlicher Vorausinformationen und mit minutiösen Details. Die kleine Schiffbrücke kurz hinter Mali Losinj wird um sechs Uhr geöffnet, morgens. Da schlafen wir noch, das ist für uns nicht relevant. Dass die in Osor sich um neun Uhr wegdreht, um Schiffe durchzulassen, dagegen schon. Da sollten wir besser vorher durch Osor fahren, um die 10:30 Fähre in Porozina zu erreichen. So stehen wir um sieben Uhr ein letztes Mal am Frühstücksbuffet, selbst um diese Uhrzeit umgeben von Menschen, deren Klamotten – wie Monsieur bemerkt – schneller wirken als sie selbst.

Um zehn Uhr sehen wir – fast in Pole Position – die Fähre einlaufen, die uns wenig später in Brestova absetzt. „Ankunft um 13:30“ informiert uns unser Navi und Monsieur stöhnt auf. Sechs Stunden Langeweile in Airport Lounges. Deshalb halten wir kurzerhand an, als rechts der Kirchturm von Gračišće auftaucht. Ein halbe Stunde schlendern, fotografieren, Kaffee- und Harmoniepause. Dass im Café eine Sammel-Box steht für ein krankes Kind der Gemeinde, hilft uns unsere letzten Kunar loszuwerden. Zurück im Auto überrascht das Navi mit „Ankunft um 15:30“ und wir verwerfen unseren „Wir haben so viel Zeit. Dann lass uns doch in Piran noch mal schön Fisch essen“-Plan. „Lieber drei Stunden zu früh, als drei Minuten zu spät,“ meint Monsieur. Was man halt so sagt in seiner kindlichen Naivität.

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Das war dann auch das letzte Mal, dass etwas unbeschwert geklappt hat. Wir stehen eine Stunde vor der slowenischen Grenzstation, wir stehen quasi durch ganz Slowenien, wir stehen insgesamt fünf Stunden im Stau. Ich glaube nicht, dass es irgendwo anders in Europa noch Mobilhomes gibt heute, die stehen alle vor, neben und hinter uns.

Hinter Trieste spielt das Navi mit unseren Nerven, gibt Zeitangaben von „Gerade noch machbar“ bis „Vergesst es!“ von sich, bis der Stau vor Venedig uns die letzten Illusionen nimmt.

In Venedig fahren wir in dem Moment auf den Parkplatz der Autovermietung, als der Flieger die Türen schließt und auf die Startbahn rollt, fast genau elf Stunden, nachdem wir für einen 350-Kilometer-Trip aufgebrochen sind.

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„One way? Geneva-Airport? Einen Tag? Zwei Fahrer?“, fragt die Dame von Avis und sagt dann 1100 Euro. Die von Sixt will „nur“ 900 Euro und auch der Herr von Hertz schreibt zuerst etwas Vierstelliges auf. Dann schaut er hoch: „Würden Sie auch einen Wagen auf der französischen Seite zurückgeben können?“ und streicht die 900 Euro Rückführungsgebühr mit den Worten. „Es ist aber ein etwas größeres Auto.“ Kurz darauf stehen wir vor einem Schlachtschiff von Neunsitzer, Typ Mannschaftstransporter. Wir schlucken erst, dann müssen wir lachen. Sollte der Mont Blanc-Tunnel unvorhergesehenerweise kurzfristig gesperrt werden, sollten wir in den Alpen einschneien, hätten wir wenigstens genug Platz zum Übernachten. Zwar mit nur einem Heinzi für zwei, aber – passt schon.

Wir reiten durch Nacht und Wind, es beginnt zu regnen, als wir hinter Venedig auf die Autobahn gehen. Mailand schickt uns mit einer Vollsperrung der Autobahn auf vierzig Minuten Rundfahrt durch die nächtliche Stadt. Am Tunneleingang sehen wir, dass bei stürmisch-regnerischen 6° Außentemperatur der Scherz mit dem Einschneien nur ganz knapp ein Scherz war und dann stehen vor Genf um drei Uhr morgens an der Schweizer Grenze vier fröhliche Zöllner und wollen uns nicht über ihre schöne Autobahn lassen, nur weil wir am Schlachtschiff keine Vignette haben. Vierzig Franken für fünf Minuten Autobahn scheint uns übertrieben. Wir hissen die Piratenflagge, gurken kurz durch die französische Pampa und fahren auf der nächsten Auffahrt wieder auf, ohne Vignette und ohne schlechtes Gewissen für die kurze Strecke. Um diese Uhrzeit betrachte ich das als reine Notwehr.

Wir erreichen den Hof mit Müh‘ und Not, völlig gerädert, so gut wie halbtot.

Es ist 04:06, als wir den Haustürschlüssel ins Schloss stecken.

Gestern, als ich Monsieur gegenüber so etwas wie Nervosität bezüglich der Planungsfaktoren zugegeben habe, lachte er das weg mit: „Wir fliegen doch nicht von Kabul, wir fliegen von Venedig. Was soll da schon schief gehen? Zur Not mieten wir ein Auto und fahren nach Hause.“

Tja, was soll ich da jetzt sagen…

 

 

Die spinnen, die Römer

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Und das ist der Grund, weshalb man in Osor gegen 9 und gegen 17 Uhr mit Staus rechnen muss. Denn dann wird die Drehbrücke weggeklappt, damit Segelschiffe und Motorjachten durch den Kanal zur anderen Seite der Insel fahren können, ohne einen langen Umweg um die Inselspitze nehmen zu müssen.

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Ganz hinten rechts: die Brücke, eher unterwältigend

Die Probleme der Jachtbesitzer waren den Römern natürlich gleichgültig. Sie ärgerte eher die Tatsache, dass da, wo Cres und Losinj aneinanderstoßen, nur so ein sumpfiger Morast war. Zu viel Wasser, um trockenen Fußes von A nach B, d.h. von C nach L zu laufen, zu wenig Wasser für den Schiffshandel. Also haben die Römer Nägel mit Köpfen gemacht und einen 11 Meter breiten Kanal durch die Landenge gestochen. Das förderte den Handel und das wiederum das Wachstum der Stadt, einige Rückschläge in Form marodierender Sarazenen oder Genuesen mit eingerechnet.

Viel später wurde der Graben vergessen und noch viel später wieder reaktiviert und mit einer Drehbrücke versehen. Was wiederum der Grund ist, dass wir morgen Früh vor 9 Uhr durch Osor fahren sollten.

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Vor der Fahrt hatte ich einen Reiseführer geschenkt bekommen für die Inseln, von 1997. Wenige Jahre nach Ende des Jugoslawien-Konfliktes werden Dörfer und Orte vorgestellt, fast alle sehr klein, fast alle wie aus der Zeit gefallen. Gerade Osor sieht auf den Bildern mit der alten Stadtmauer aus wie vor 100 Jahren. Nun bin ich manchmal zynisch und kann nicht umhin, mir vorzustellen, dass dieses idyllische Städtchen inzwischen von Bettenburgen umzingelt ist, die wahrscheinlich größere Schäden anrichten als alle marodierenden Sarazenen oder Genuesen zusammen. Aber nein, das Städtchen liegt genauso verschlafen-verträumt da wie auf den alten Fotos. Gut, die Jachten im Hafen sind vielleicht etwas üppiger und auf der anderen Seite der Brücke liegt ein großer Campingplatz – gut getarnt – im Wald versteckt.

Wir laufen durch die Gässchen, suchen und finden die verschiedenen Klosterruinen, aber nicht den in der Erklärtafel erwähnten kostbaren Bauschmuck. Des Rätsels Lösung kommt zwei Nebensätze weiter: „ … der in vielen Wohnhäusern in Osor verbaut wurde“. Ahja, Recycling!

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Von Osor und dem Meer geht es steil hoch in die Berge. Das Asphaltband, das nach Lubenice führt, Sträßchen zu nennen, ist sehr geschmeichelt, sorgt aber für ein abenteuerliches Fahren mit hohem Diskussionspotential bei Gegenverkehr. Ganz besonders dann, wenn die Einheimischen die wenigen Ausweichbuchten als Parkplatz für ihre Wochenendbeschäftigung besetzen.

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Lubenice ist noch ein bisschen verschlafen-verträumter als Osor und bei Wanderern sehr beliebt. Wenn man auf der Terrasse der Konoba Calamari genießt, kommen alle naslang stramme Wadenpaare vorbeimarschiert. Neben der Konoba betreibt eine Puppenmacherin aus Zagreb ein sehr engagiertes kleines Museum zur Wollmanufaktur. Sie erzählt gerne von den Problemen: ungewaschene Wolle ist fast wertlos, Wasser zum Waschen in den trockenen Inseln zu wertvoll, so dass der Hauptanteil der Wolle einfach entsorgt wird, vergammelt, nicht geschätzt wird und damit auch alte Handarbeitstechniken, die dadurch vom Aussterben bedroht sind. Die Lösung sind NGO-Projekte zur Valorisierung der Rohwolle – als Dämmmaterial z.B. – und die Weitergabe der Techniken durch alte Mitbürger, die dadurch auch noch ein bisschen Kontakt und Taschengeld bekommen. Sie verkauft Produkte aus Filz – von wirklich wunderschön bis zu ziemlich kitschig. Drei Filzblumen gehören jetzt mir. NGO-Wolle von NGO-Schafen – wie hätte ich da widerstehen können?

Zu den Calamari gab es Mangold und Monsieur braucht nun einen Nachtisch. Das soll ein Eis in Valun, am Meer, sein. Aber man darf nicht nach Valun selber hinunterfahren, muss oben auf dem Berg parken und zu Fuß gehen. Da steht dann auch direkt ein Herr, der nicht Parkscheine, aber seinen Honig und sein Öl verkaufen will. Er ist auf alles vorbereitet: Flugzeug, schwierig, die Schweinerei, wenn etwas kaputt geht. Da hält er mir triumphierend eine Rolle Tesa entgegen: „Habe ich Klebeband, kann ich alles einpacken.“

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Ein paar Meter weiter stehe ich ziemlich geschockt vor einem Straßenschild. 18% Steigung heißt es da. Bergrunter, zugebenermaßen. Jetzt. Aber nachher? Auf dem Rückweg?

Das wird ein hart erkämpftes Eis werden!

Säbelzahnschafe

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Um Viertel vor zehn stehen Monsieurs Kollegen vor dem Shuttle-Bus, der sie zum Flughafen in Triest bringen soll. Um Viertel nach zehn stehen Monsieur und ich in Wanderschuhen in Veli Losinj und kaufen ein bisschen Brot und Obst für die Wanderung. Und Wasser, viel Wasser, denn heute ist die Sonne wieder da. Dann geht es los, auf dem breiten Betonband bis zur übernächsten Bucht, wo uns ein Marmorsockel darüber informiert, dass ein Kurkommissar um 1911 dafür verantwortlich war, diese Unmenge Beton in die Landschaft zu gießen. Und anscheinend auch noch stolz darauf war. Aber zum Glück gingen ihm in der Kriška-Bucht Geld, Zement oder Lust aus und die Pfade werden einfach nur verwunschen schön. Monsieur traut sich sehr vorsichtig – Seeigel! – ins Wasser. In der nächsten Bucht ist unser Picknick angeplant. Es ist die letzte Bucht, bevor der Weg steil bergauf quer über einen Bergrücken schneidet. Wobei Berg und steil entspannt zu sehen sind, oben laufen wir auf der 100er Höhenlinie.

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Die Picknickbucht ist leider die größte Enttäuschung der Wanderung und macht uns ziemlich wütend. Offensichtlich wird sie von skrupellosen Skippern missbraucht, um die Bordabfälle kostenlos zu entsorgen. Anders können wir uns nicht erklären, dass der gesamte Strand und das dahinter liegende Wäldchen mit zerrissenen Mülltüten und deren Inhalt verschandelt ist. Wir haben ein bisschen Mühe uns so zu setzen, dass diese Unsäglichkeiten nicht ins Blickfeld kommen, werden dann für unsere Anstrengungen mit dem Besuch eines Eisvogels belohnt, der sich einen Fisch aus dem Wasser stibitzt.

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Von dieser Bucht steigt nun der Weg hoch auf den Bergrücken, um diese Landzunge zu überqueren und zur nächsten Bucht abzusteigen. Begleitet werden wir von den allgegenwärtigen Trockenmauern. Ich liebe diese Mauern, die von unendlicher Arbeit und Einsatzbereitschaft erzählen. Hier allerdings bringen sie mich ins Grübeln, ja sie verunsichern mich etwas. Die Mauern sollen die Schafe einpferchen, verhindern, dass sie über zu weite Gebiete stromern, sich auf das Land anderer Bauern verirren. So weit, so gut. Aber diese Mauern sind massiv, gut anderthalb Meter dick und an manchen Stellen über drei Meter hoch. Ich habe schon keltische Befestigungsanlagen gesehen, die weniger imposant wirkten. Das wirft doch einige beunruhigende Fragen zur Größe der hier gehüteten Schafe auf. Waren das Säbelzahnschafe? Und lauern die vielleicht heute noch hinter diesen Mauern, bereit, vertrauensvolle, unachtsame Wanderer zu reißen? Die Säbelzahnschafe sind das Eine, die Mauern selber das andere. Offensichtlich reicht es nicht, eine Mauer zu haben, nein gelegentlich türmen sie sich rechts und links des Weges auf, wie gesagt, bis weit über meinem Kopf. Ob diese Mauern 2000 oder 200 Jahre alt sind, weiß keiner so genau. An manchen Stellen sieht man aber, dass sie dem Alter und der Erdanziehung nachgegeben haben. Dann liegt die Mauer quer über den Weg bis über die Kollegin auf der anderen Seite.

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Das alles führt zu so etwas wie „betreutes Wandern“. Rechts und links eine Mauer oder links das Meer und rechts die Mauer, keinerlei Möglichkeit dich zu verlaufen. Aber um ganz sicher zu gehen, schmücken sie alle paar Hundert Meter einen Stein oder einen Felsen mit dem Wanderzeichen. Ich fühle mich wirklich optimal betreut und gut aufgehoben.

Wir klettern und wandern und freuen uns an den schönen Dingen. Die Wanderung ist gerade richtig: anstrengend genug, dass man sich an der eigenen Leistung erfreuen kann, aber nicht so anstrengend, dass es in Quälerei ausartet. Diese letzte Option dräut immer noch in meinem Hinterkopf. Was, wenn das Plakat drei Jahre alt ist und die Bootsfirma nicht mehr existiert? Was, wenn sie den Taxi-Service just letztes Wochenende für diese Saison eingestellt haben? „Dann wird es anstrengend“, nickt Monsieur, „für meine Knie. Und für meine Frau.“

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Die letzten Kilometer gehen wieder direkt am Meer entlang und bald mehren sich die Zeichen, dass wir uns der Badebucht nähern: mehr oder – meist – weniger bekleidete Menschen auf Felsen ausgestreckt, Sonnenschirme, der fröhliche Lärm planschender Kinder.

Just als wir am Strand ankommen, legt ein Bootstaxi an. Ich frage den Skipper, ob er uns nach Veli bringen kann. Er nicht, meint er, aber die Konkurrenz. Sprichts, telefoniert und nickt uns zu: „Boot kommt in zehn Minuten!“

Nicht nur Monsieurs Knie seufzen erleichtert auf.

Wenig später kommt von Ilovik aus ein großes Schlauchboot angebraust, unsere Skipperin fährt an die Mole, hält mir eine Hand hin und winkt mit der anderen: „Spring! Spring!“ Dann irritiert sie uns etwas, als sie über den Pullover und die Strickweste noch einen Steppanorak an- und eine Wollmütze aufzieht. Das Boot braust los und wir verstehen langsam, warum. Der Wind reißt und zerrt an unserer Kleidung, die laut knattert. Wir knöpfen zu, was zuzuknöpfen ist und dann sind wir auch schon aus der kleinen Bucht heraus. Sie deutet mir an, von den Wülsten aufzustehen und mich da hinten hin zu setzen, beide Hände festhalten, bitte. Dann zieht sie den Hebel nach vorne und wir erfahren wortwörtlich die Bedeutung des Wortes „brettern“. Knallhart, wie ein Brett, schlägt das Boot nach jeder Welle auf das Wasser auf. Mit 20 Knoten brettern wir um kleine Inselchen herum auf den Hafen von Veli zu. Das hebt natürlich ganz nett unseren Stundendurchschnitt für die Wanderung, schlägt dafür aber mit jeder Welle, über die wir brettern, ins Kreuz und Steißbein. „Bora!“, entschuldigt sie sich schulterzuckend für ein paar sehr heftige Schläge und schneidet die nächsten Wellen etwas schräger an.

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In Veli legen wir wieder sehr provisorisch an, das Springspiel wird gespielt, genau vor den Tischen einer kleinen Bar.

Wenn das kein Zeichen ist!

2019_09_20

 

 

Logistische Forschung

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Heute Morgen haben selbst die Möwen keine Lust ins Wasser zu gehen. Die Bora lässt sie auf dem Trockenen zusammenrücken. Ich bleibe auch auf dem Trockenen und übe mich im Spazierenwandern. Tempo entspricht mehr Wandern, allerdings ist der Weg ein gut anderthalb Meter breites Betonband, das sich von Veli Losinj aus an der Küste entlang zieht und hauptsächlich von Eltern mit Kinderwagen und knubbeligen älteren Damen mit noch knubbeligeren Hunden frequentiert wird. Rovenska ist eine Variation von Veli, same same, but different: ein bisschen kleiner, ein bisschen „authentischer“, liebenswürdig und charmant.

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Bis man die Spitze umrundet und den Strand sieht, der mit seinen halb vergammelten Plastikliegestühlen vor den verschlossenen Bargebäuden mehr an Stephen King als an Badefreuden denken lässt. Noch eine Bucht weiter wird es den Damen und ihren Hunden dann zu anstrengend, die Eltern bleiben auch zurück und ich bin allein mit den Nordic Walkern. Bis zur Javorna-Bucht halte ich mit, dann muss ich umkehren, weil um Viertel vor Zwölf der zweite Vortrag lockt. Gestern ging es darum, was die Physiker – außer Physik – mit ihren riesigen Synchrotronen alles so anstellen können. Zum Beispiel einer 500 Jahre alten Geige unter den Lack zu schauen. Dort, zwischen Holz und Lack liegt eine Grundierungsschicht, deren Zusammensetzung jeder Geigenbauer geheim hielt und die als Ursache für den individuellen Klang einer jeden Geige gilt. Deren Geheimnis also heute mit Hilfe der Physik gelöst werden kann, ebenso etwa wie der Aufbau eines Bildes, um zu entscheiden, welche Schicht noch „Kunst“ und welche schon „Patina“, sprich Jahrhunderte alter Schmutz ist, dessen Zusammensetzung vielleicht an der Farbe frisst und das Bild zerstört. Und das alles, ohne ein Loch in die Geige oder das Bild schneiden zu müssen, denn „Museums don’t like this“, wie der vortragende Professor trocken erklärt.

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Beim heutigen Vortrag geht es nicht um so Kleinigkeiten wie Geigen oder Bilder. Er erklärt, wie sie mit Hilfe ihrer Detektoren und kosmischer Myonen eine bis dato unbekannte Galerie in der Khufu/Cheopspyramide entdecken konnten. Sie kennen ihre Größe, ihre Lage, ihre Ausrichtung. Alle weiteren Kleinigkeiten, wie etwa den Zugang zu finden, das überlassen sie den Archäologen. Mit der Messung der Dicke der Goldschicht auf einer gefälschten Münze helfen sie zum Verständnis der wirtschaftlichen Verhältnisse der Epoche und der Stadt Brescia mit der Vermessung ihres Rathauses zu der Gewissheit, dass ihre Loggia sich zwar bewegt, aber noch nicht instabil wird.

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Nach so viel Wissenserwerb geht es noch mal in die Natur. Monsieur hat ab morgen Vormittag „fertig“ und will nun auch etwas mehr von Losinj haben. Die von mir ausgesuchte Wanderung (Beginn die „Kurpromenade“) führt bis zur äußersten Südspitze, bis auf eine kleine Überquerung eines Bergrückens (fast genau 100 Höhenmeter) immer der Küstenlinie folgend bis zur Mrtvaska-Bucht, genau gegenüber von Ilovik. Da hätten wir dann ein Problem: entweder die gut dreieinhalb Stunden wieder zurücklaufen, langwierig und langweilig oder aber eine sehr steile schnöde Asphaltstraße auf den Höhenrücken hochsteigen und bis Veli zurücklaufen.

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Bevor ich mich zu einer Entscheidung durchringen mag, brauche ich Informationen, also fahre ich mit dem Auto die kleine Straße ab und finde heraus, dass sie wirklich langweilig und vor allen Dingen ohne Schatten mitten über den Bergrücken läuft. Zwar gibt es schöne Fotostopps, aber ich bezweifle doch sehr, dass die mich morgen, nach 5 Stunden Wanderung, noch sonderlich begeistern können. Heute wundere ich mich über den „Spielplatz“ für Mountain-Biker, den ich zuerst für einen Aussichtsturm für Wanderer gehalten habe und sinniere über die Ruinen eines alten Hauses.

Bleibt nur noch eines herauszufinden: lohnt sich das Ziel der Wanderung. Die Serpentinen, die ich in der Hitze vorsichtig nach unten fahre, ziehen sich und ziehen sich – und das auf dem Weg nach unten. Gar nicht auszumalen, wie sie sich zu Fuß bergauf anfühlen.

Dafür ist die Bucht genauso traumhaft schön, wie erhofft und bietet mir die Lösung unserer logistischen Probleme.

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Sehr zufrieden mit dem Ergebnis, starte ich mein Auto für den Rückweg, da kommen rechts zwei müde Wanderer aus dem Wanderweg und setzen die ersten Schritte auf die steile Straße. Ich kurbele mein Fenster herunter und frage, ob ich sie ein Stück mitnehmen soll. „Nein, danke!“ antwortet er. „Oh ja, bitte!“ seufzt sie.

Ich setze sie in der Nähe ihres Wanderparkplatzes ab, weit, weit hinter dem steilen Aufstieg. „Das erzählen Sie aber bitte keinem weiter, dass wir mit Ihnen gefahren sind, ja?“ bittet der Mann.

Klar, selbstverständlich. Schreiben ist schließlich nicht erzählen…

Die nächste Eiszeit

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Sie kommt, sie kommt bestimmt, wenn man den Worten des italienischen Professors glauben darf, der die Konferenz und auch den Ausflug organisiert. Pullover, meint er, sollten wir unbedingt mitnehmen, Handschuhe, Schals, Mützen, Skiunterwäsche, alles, was man so für einen Badeurlaub am Mittelmeer einpackt. Denn das Museum, das Losinjs größten Schatz ausstellt, sei quasi auf arktische Temperaturen heruntergekühlt. Unsere Tochter, zur Zeit am Südpol, erzählt von 2 Wochen andauernden Schneestürmen und -72°. So schlimm wird es im Museum wohl nicht werden.

Vor das Museum ist aber erst ein Bootsausflug gesetzt, zur kleinen Ilovic-Insel. Die Bora fegt übers Meer, wirft weißkronige Wellen auf und donnert gegen Felsen. Ich bekomme endlich den Soundtrack, der mir die letzten Tage ein bisschen gefehlt hat. Denn selbst am Felsstrand vorm Hotel schwappte das Meer nur mit leisen Plätschergeräuschen gegen die Felsen, so ruhig war es. Nicht ganz Ententeich im Kurpark, aber nahe dran.

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Auf Ilovic werden wir losgelassen, mit der Drohung, nur ja um 15:15 wieder an Bord zu sein – oder selbst zurück zu schwimmen. Die Insel ist nun wirklich klein, ganz nett, aber nach drei Mal links abbiegen, ist man wieder am Ausgangspunkt. Dafür gibt es hübsche Schilder. „Glück kann man nicht kaufen“, steht auf dem einen, „Eiscreme schon. Und das ist ja fast das Selbe!“

Wir sind kurz nach drei auf dem Boot, die Münchener Doktoranden nicht, der Professor tigert nervös den Steg auf und ab. Um 15:13 erscheinen sie, lässig schlendernd. Wenn man sonst in Femtosekunden denkt, sind zwei Minuten eine kleine Ewigkeit.

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Zurück in Mali Losinj, an Land, führt der Organisator uns schnurstracks zum Glück. Der „Gelatore“ der Eisdiele sieht ein großes Publikum und ersetzt zwischen zwei Wartenden das Eisbällchen schnell durch einen Pingpongball, den er flugs von Hörnchen zu Eisportionierer zu Hörnchen fliegen lässt. Irgendwann verschwindet der Ball, das Hörnchen wird mit dem gewünschten Eis gefüllt und schlägt noch schnell einen Salto, bevor es in der Hand des überraschten Kunden landet. So vergeht die Wartezeit dann doch recht amüsant und alle machen sich vergnügt auf zum Museum, dem Höhepunkt und Ziel des Ausfluges. Hat was von Sonntagmittag in der Kindervorstellung im Kino. Erst kam die Langnese-Frau, dann der Kultur-Film und dann erst, was du eigentlich sehen wolltest.

Hier die Bronzestatue eines athletischen Jünglings, der sich nach dem Sport den Schweiß von den wohlgeformten Gliedern wischt. Der Kulturfilm im eiskalten Museum ist dann der Auffindung und Restaurierung gewidmet und sein Saal der Grund, weshalb man zu Beginn mit Stoffhüllen für die Füße ausgestattet wird. Boden, Wände und Sitzreihen sind mit dicken Wollteppichen ausgestattet, die die Unterwasserwelt nachgestalten (sollen), in der der Knabe in 40 Meter Tiefe gefunden wurde. Wir erfahren viel, bevor wir ihm wirklich begegnen dürfen. Dass seine Art von Statue etwa 400 v. Chr. beliebt wurde, er aber „nur“ eine Kopie von etwa 200 v. Chr. sei, die zwischen 20 und 80 n. Chr. auf ein Schiff nach Rom verladen wurde. Wahrscheinlich, weil das da gerade modern wurde, sich so etwas in sein Atrium zu stellen und ein findiger Grieche sich daran erinnerte, dass im Garten seiner Oma doch noch so etwas Altmetall herumlag. Lag, ja, denn die kleine Maus, die durch ein Loch in der Ferse eindrang, hatte ihr Nest im einen Arm und ihre Wintervorräte im anderen Arm angelegt und viele, viele kleine Hinterlassenschaften ihrer zahlreichen Wege im Inneren der Figur zurück gelassen. Die Gräser und Pflanzen kann man datieren, was mit der Maus passierte, weiß man natürlich nicht.

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Und dann, dann dürfen wir uns dem Jüngling nähern, ehrfürchtig auf Umwegen. Da im Weißen Saal strengstes Fotografierverbot herrscht, hat man in den Wänden darum kleine „Gucklöcher“ eingebaut, durch die man Teilaspekte des Athleten sehen und fotografieren darf. Eines ist direkt unter ihm. Ein Kollege Monsieurs dreht sich weg und ich frage ihn: „Na, welche Schuhgröße hat er?“ und er grinst süffisant. „Es sind nicht die Füße, die du gleich sehen wirst!“ Stimmt, es sind die knackigen Hinterbacken und einige andere anatomische Details. Von denen ich aber auch beim besten Willen keine Rückschlüsse auf die Schuhgröße ziehen kann.

 

Menschen gibt’s

 

g5Unser Hotel ist ein „Vital“ und „Sport“-Hotel. Ich habe nichts gegen Sport, solange jemand anders ihn macht und er mir nicht zu sehr auf die Nerven geht. Heute Morgen beim Frühstück ist Letzteres leider nicht zu vermeiden. Ganze Horden fallen im Restaurant ein, die einen mehr, die anderen weniger rank und schlank, aber alle in diesen hautengen, neonfarbenen Sportdress, meist noch die Yogamatte über den Rücken geschlungen, ein einziger Vorwurf an die wenigen anderen, die, wie ich, noch nicht vor dem Frühstück ihre Runden gedreht oder ihre Faszien gedehnt haben. Wenigstens mein Frühstück ist sportlich, ein bisschen Obst, ein bisschen Joghurt und – da bin ich mutig – ein großes Glas frisch gepresster Rote-Bete-Saft.

Das gibt mir Kraft, zügig auf dem Dolphin-Walk die nächste und übernächste Bucht zu umrunden. Delphine habe ich keine gesehen, das einzige, was blasend auftaucht, ist ein Taucher. Auch ist der Begriff „Walk“ etwas irreführend, da er auch von Radfahrern benutzt wird, was dann gelegentlich zu Ausweichmanövern der Fußgänger führt. Ganz besonders, wenn deutlich zu sehen ist, dass die Radfahrerin und ihr riesiges Mountain-Bike noch nicht so recht Zutrauen zu einander gefasst haben. Ein Radfahrer, der mich beim Träumen erwischt und mit der Klingel erschreckt, schickt meinem „Seitensprung“ ein lachendes „Sportlich! Sportlich!“ hinterher.

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Eine gute Stunde später bin ich in Badelatschen unterwegs zum Strand, der hier aus großen Felsplateaus besteht. Auf denen Sonnenliegen bereitstehen und in die man Leitern zum Ein- und Aussteigen gedübelt hat. Davor das Meer in diesem fast unglaublichen Azurblau – einfach nur traumhaft. Wer nun aber denkt, dass so viel natürliche Schönheit die Menschen glücklich und zufrieden macht, der irrt sich leider. Lasst mich Euch eine wahre Geschichte erzählen.

Ich bin auf dem Weg zum Strand und überhole ein älteres Schweizer Ehepaar, das sich langsam und unsicher auf den unebenen Steinplatten fortbewegt. Sehe fast gleich zu Beginn der Felsen-Liegeflächen zwei leere Liegestühle, schön im Schatten, und breite mich auf dem einen aus. Handtuch, Buch, Sonnencreme, was man halt so braucht. Liege schmökernd mit meinem Buch im Schatten, als über mir eine Stimme sehr laut in Schwyzer-Dytsch dröhnt: „Manche Leute sind echt Sch..e.“ Betrifft mich nicht, ignoriere ich. „Ja, echt Sch…e“, kommt eine zweite Stimme, „sind allein und legen sich auf einen von zwei Liegestühlen.“ Jetzt wird es interessant.  „Echt Sch…e, wie die da liegt, ganz allein, und wir zwei müssen jetzt weitergehen und uns was anderes suchen.“ Das Ganze wird mit der Lautstärke und Subtilität einer trompetenden Elefantenherde ausgetragen und ich muss innerlich grinsen. Dann gibt es noch eins obendrauf von diesen beiden Musterexemplaren an gutem Benehmen: „Schon Sch…e, wie der Laden hier runterkommt. Letztes Jahr gab es solche Leute hier nicht!“  Ich bin kurz davor, ihnen vorzuschlagen, doch mal mit den Menschen statt über sie zu reden, da kommt ein weinerlich-aggressives: „Und mir tun die Füße so weh und jetzt müssen wir hier weitergehen, nur weil die so sch…e ist…“ Das war es dann für mich. Eine höfliche Frage, eine freundliche Bitte, dann wäre die Liege ihre gewesen, sofort, ohne Probleme. Höflich und freundlich, das kann ich, dumm und manipulierbar, das fällt mir eher schwer. Sie setzt noch eins drauf und geht stöhnend – und mich verfluchend! – drei Schritte weiter in mein Blickfeld, obwohl in der Richtung keinerlei Liegen stehen. Da ändert sich plötzlich die Dramaturgie, jetzt beschimpft er sie, sie soll keinen Sch..ß machen, aufhören mit dem Sch…ß. Das kann sie so nicht stehen lassen und schon sind sie im schönsten Ehekrach, schmeißen sich Unflätigkeiten an den Kopf, verfluchen sich gegenseitig und entfernen sich unter bitterem Gekeife. Ich kann nur hoffen, dass am Ende des Urlaubes beide überlebt haben.

Zum Ausgleich dafür nutzen wir Monsieurs lange Mittagspause um nach Veli Losinj zu laufen und dort am Ende einer kleinen Gasse ein Lokal direkt am Meer zu finden. Cevapcici und gegrillte Calamari mit Fladenbrot, heiß aus dem Holzofen, was will ich mehr?

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Außer vielleicht jetzt gleich einen Aperol Spritz auf der Hotelterrasse, um darauf zu warten, dass Monsieurs letzter Vortrag um halb acht zu Ende geht.

Und um mir ein bisschen Mut anzutrinken vor dem Dinner-Büfett…

 

Un amore di una cittá

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„Portogruaro – Un amore di una cittá“ steht auf den handgebastelten Kühlschrankmagneten in einem kleinen Laden. Die sind eher nicht so mein Geschmack, zu der Aussage kann ich aber stehen, vollinhaltlich! Und mit offenen Augen, denn wir haben uns nicht nur von einem vollmond-romantischen Spaziergang den Kopf verdrehen lassen. Nach dem Frühstück sind wir nochmal losgetigert, um Monsieur die Fotomöglichkeiten zu bieten, die er gestern so vermisst hat. Natürlich, wie gestern, in Schlangenlinien, vorbei an schön Restauriertem bis hin zu schön Verfallenem.

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Wobei wir dann doch die Hausbesitzer beglückwünschen mussten, die Anfang 1800 einfach nicht das Geld hatten, ihre ollen gotischen Spitzbögen gegen „was Modernes“ Klassizistisches umzubauen. Und den kleinen Drachen, den hätte ich am liebsten auf der Stelle „adoptiert“.

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Portogruaro ist nicht nur ein liebenswürdiges Städtchen, es ist Italien in der Nussschale. Kanäle – wie in Venedig; schiefer Kirchturm – wie in Pisa; einen Romeo-Anschmacht-Balkon – wie in Verona und prachtvolle Arkaden wie in Turin, das ist fast eine kleine Italienrundfahrt in einer einzigen kleinen Stadt.

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Diese Bummelei führt dazu, dass wir später wegkommen, als ich eingeplant hatte, was aber nicht schlimm ist. Geplant ist die Fähre in Brestova um 15:45 zu erreichen, mit dem kleinen Funken Hoffnung, vielleicht doch schon zur 14:15er da zu sein. Sieht zuerst gar nicht gut aus, denn kilometerlange Baustellen führen zu Tempo 80 auf der Autobahn, Stau vor Trieste inklusive. Alles wie gesagt nicht schlimm, wir sind gut gebrieft und wissen, dass und wo man Kaffee trinkender Weise auf die Fähre warten kann. Slowenien kommt recht unerwartet auf der Autobahn und damit die Erkenntnis, dass wir doch eine Autobahn-Vignette gebraucht hätten. Bevor wir uns aber richtig davor fürchten können, ohne Vignette erwischt zu werden, kommt unsere Ausfahrt und es geht auf kleinen und kleinsten Landstraßen weiter. Wir haben unser Navi im Verdacht, dass es uns mal wieder nicht zielstrebig, sondern mehr so romantisch durch die Gegend schickt, wenn da nicht die Wohnmobil an Wohnwagen an Boot-auf-Anhänger-Kalvakade wäre, die uns fast ununterbrochen entgegenkommt. Zumindest scheinen die Sträßchen nicht ins Nicht zu führen. An der nächsten Grenze werden wir vom slowenischen Grenzer angeblafft, den wir glatt übersehen haben. Monsieurs Augenmerk ist auf das Häuschen vor ihm, mit Schranke, gerichtet, als er langsam am ersten Häuschen vorbeirollt, ohne anzuhalten, was uns den Anschnauzer einbringt – und eine sehr demonstrative Kontrolle unserer Pässe. Wenig später hebt sich für uns die Schranke und wir nicken uns zu: gute Chancen für die frühe Fähre.

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Ich kontrolliere noch mal die Abfahrtzeiten und sehe, dass ich mir auf dem elektronischen Ticket auch die 12:45-Fähre notiert habe. Keine Ahnung, was mich da geritten hat, so blauäugig bin ich sonst meist nicht, wenn es um uns und früh aufstehen geht. Aber 14:15 stimmt und es sieht gut aus. Fünf Kilometer vor dem Ziel – wir haben noch gut zwanzig Minuten bis zur Abfahrt der Fähre – kommt der Stau. Die Autos vor uns bremsen abrupt auf Schritttempo. Als wir zur Kuppe kommen, sehen wir warum: kein Stau, nein, vor uns liegt das Meer in seiner sehnsuchtsblauen Schönheit und man kann wahrscheinlich gar nicht anders, als es mit einem begeisterten „Ahhhhh!“ zu begrüßen.

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Bald darauf darf unser Auto mit einer Herde anderer Autos schmusen. Sehen eigentlich doch ganz niedlich aus, wie sie da mit scharrenden Hufen am Gebiss kauen, darauf wartend, dass die Rampe sich senkt und sie in die Freiheit galoppieren dürfen. Allerdings endet das in dem Moment, in dem die Rampe freigegeben wird und – wie es scheint – der nackte Überlebenskampf beginnt. Anders kann ich mir nicht erklären, dass Autofahrer aus der Reihe ganz rechts mit viel Geblinke, Gewinke und Gehupe quer über vier Spuren in die ganz links drängeln müssen, nur weil die ein paar Zentimeter weiter vorne ist. Oder sich todesmutig und mit eingeknickten Spiegeln noch schnell zwischen zwei ausfahrenden Wohnmobilen durchquetschen müssen, nur um sich ja nicht hinter diese einfädeln zu müssen.

Unser Hotel liegt am ganz anderen Ende der Inseln und das gibt allen Wohnmobilen die Gelegenheit unterwegs in Campingplätzen zu verschwinden.

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Wir kommen so rechtzeitig an, dass es noch nicht zu spät ist, mal kurz ins Meer zu springen und dann nicht zu früh einen Apero auf der Terrasse über dem Infinity-Pool anzudenken. Die Aussicht ist fantastisch, das Dinner-Büfett danach eher nicht. „Die Salate kann man essen, den Nachtisch auch“, meint Monsieur, „das wird eine etwas einseitige Ernährung diese Woche.“

 

 

Vielleicht

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Vielleicht fahren wir morgen zu einer Konferenz in Kroatien.

Mehrere Faktoren sprechen dafür – gepackter Koffer, ausgedruckte Flug-, Mietwagen- und Fährtickets, andere dagegen.

Morgen beginnen nämlich die CERN Open Days. Auf ihrer Homepage geben sie bescheiden 60-80000 erwartete Besucher an. Monsieur, der am Samstagmorgen nach ehrenamtlich führt – ganz in Orange, so gar nicht seine Farbe! – und die entsprechenden Schulungskurse (u.a. zu den Klohäuschen, aber da hatte er sich nur in der Raumnummer geirrt) besucht hat, erfährt, dass sie eher mit 100000 rechnen.

Cern

Die Straße zum CERN ist ab Meyrin gesperrt für Privatfahrzeuge, womit eine der zwei Haupteinfallstraßen nach Genf kurzerhand aus dem Verkehr gezogen ist, wortwörtlich.

Die zweite ist die, die unter der Autobahn und am Flughafen vorbei in die Stadt führt und es ist auch die, die wir morgen am späten Nachmittag nehmen müssen, um unseren Flieger nach Venedig zu bekommen. Vielleicht nicht die beste Idee, um diese Uhrzeit zu fliegen. Das wird sicher etwas unübersichtlich, mit der Verkehrslage. Weshalb wir statt der üblichen zwanzig Minuten Anreise zum Flughafen mal großzügig zwei Stunden eingeplant haben plus eine lockere Streckenführung über Gex, um das CERN weiträumig zu meiden. Wir hoffen, dass es klappt.

Genf – Venedig mit der SBB am nächsten Morgen ist nicht wirklich attraktiv, 9 ½ Stunden, vier Mal umsteigen.

Die reservierte Fähre von Brestova nach Cres bekommen wir dann auch nicht, das Hotel für die Zwischenübernachtung hinter Venedig wird überflüssig.

Vielleicht fahren wir doch noch zehn Minuten früher los, sicher ist sicher!

Morgenstund‘ hat

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Bohrhammer im Ohr. Klingt seltsam, ist aber so. Ab halb sieben wird im Nachbarhaus mit schwerem Gerät renoviert, umgebaut, was auch immer. Wir fallen fast aus dem Bett. Dahin sind unsere Pläne von schön lang und faul ausschlafen, vom späten Frühstück und gemächlichem Zeitziehen mit langer Siesta. Unsere gestern noch so freundliche Vermieterin meint deutlich weniger freundlich, dass wir die ersten wären, die sich beschweren. Was natürlich nicht stimmt und wir auch hätten wissen können, hätten wir nur auch die weniger enthusiastischen Bewertungen gelesen.

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Nun gut, wach sind wir, Aussicht auf Besserung gibt es nicht, was also fangen wir mit dem angebrochenen Tag an? Die Stadtmauer entlang laufen in der Morgenkühle statt in der Hitze, das wäre doch etwas. Wir steigen die paar Stufen zur Mauer hoch und suchen einen Aufgang. Fragen einen Einheimischen, der uns hinunter auf den Platz beim Pile-Tor schickt, da gäbe es auch die Tickets, aber erst um neun Uhr. Tickets? Da lacht der Mann laut auf und meint, wir hätten doch nicht erwartet, das irgendetwas umsonst sei in Dubrovnik.

Die Öffnungszeiten der Mauer schenken uns dann Zeit für ein gemütliches Frühstück in einer kleinen Seitengasse im ehemaligen jüdischen Ghetto. Wir wählen die „Healthy breakfast“-Option, ohne ham and eggs, mit Müsli und Obstsalat, eine nette Abwechslung zu all den deutlich weniger „healthy breakfasts“ der letzten Tage.

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Der Mauerspaziergang wird als einer der Höhepunkt eines Dubrovnik-Besuchs beschrieben. Das ist er zweifellos. Nur hätte ich mir gewünscht, dass nicht so viele andere Menschen auf die gleiche Idee gekommen wären. Wir sind vor einigen Jahren zwei Tage auf der Großen Mauer gewandert, u.a. auch von Jinshanling nach Simatai, da waren deutlich weniger Menschen unterwegs. Nach den ersten drei Wachtürmen kehrten die meisten Gruppen um und wir waren allein auf der Mauer, nur begleitet von einem über-optimistischen Souvenirverkäufer in Flipflops, der fröhlich schwatzend unseren Führer verfolgte. Heute sind wegen der frühen Stunde nur kleine Familiengruppen mit uns unterwegs, keine Busladungen. Als wir knappe zwei Stunden später am Minceta-Turm kurz vor dem Start- und Endpunkt der Umrundung stehen, gleicht der Aufstieg zum Bokar-Turm einer Ameisenstraße.

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Zweieinhalb Kilometer ist der Rundgang lang und ganz schön anstrengend mit all seinen Treppenstufen und den Türmen als kleinen Zusatzherausforderung. Dafür bietet er ein „Auf-Du-und-Du“ auf Augenhöhe mit Dubrovniks Dächern und ab und zu kleine Einblicke in versteckte Höfe und Gärten. Verhungern und verdursten muss man auf der Wanderung auch nicht, wobei die Tischchen an den Schießscharten natürlich die begehrtesten sind. Fast zeitgleich mit uns auf der Mauer startet am Fuß der Mauer, in der Bucht vor dem Pile-Tor, eine Gruppe Kanuten ihre Umrundung Dubrovniks. Die haben es sicher kühler als wir auf der sonnenverbrannten Mauer. Es ist hübsch mit anzusehen, wie die Paddler erst einmal ihren Rhythmus finden müssen, aber dann sind sie auf dem Wasser doch fast so schnell unterwegs wie wir weiter oben zu Fuß.

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Neben dem Pile-Tor gibt es noch zwei weitere Aufgänge, an denen Kontrollettis die Tickets sehen wollen. Nur meins nicht. Ich befürchte, dass mein knallroter Kopf und meine etwas derangierte, erschöpfte Erscheinung ihn überzeugt hat, dass ich schon lange auf der Mauer unterwegs bin und nicht gerade eben erst die paar Treppenstufen von unten hochgestiegen bin. Monsieur versichert mir galant, das wäre nicht der Grund. Der Kontrolletti hätte schlicht und einfach sehen können, dass wir vom höher gelegenen Teil des Rundgangs gekommen wären, sein Ticket wäre auch nicht kontrolliert worden. Beim letzten Einlass läuft der Kontrolletti einer Gruppe Engländerinnen hinterher, die sich rechts auf ihren Weg begeben. Ganz schlechte Idee! Der Rundgang ist strikt Einbahn und anders als in Kotor wird auf die Einhaltung streng geachtet. Genau so streng ist die Ticket-Politik: einmal wieder draußen, gibt es kein zweites Mal einen späteren Einlass. Bei über 20 € das Ticket würde sich da sicher ein lebhafter Schwarzhandel entwickeln.

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Nach so viel harter touristischer Arbeit haben wir uns eine kleine Pause mit Erfrischungen verdient. Im Schatten einer bewachsenen Veranda planen wir unsere nächsten Ziele. Natürlich habe ich gelesen, dass St. Ignatius von 1725 ist, aber dass das so schlimm wird, kann ich ja nicht ahnen. Ich will euch weiteres „Barock-bashing“ ersparen, nur so viel: während Monsieur herumgeht und versucht, etwas zu finden, dass er fotografieren möchte, sitze ich und rechne aus, wieviel nackt-dingsige, dicke Putten man wohl auf einen Quadratmeter Apsis pferchen kann. Putten finde ich eigentlich ganz interessant, aerodynamisch und so. Die fliegen wahrscheinlich wie Hirschkäfer oder wie Hummeln. Pssssssss und rumms: 20 cm Absturz, pssssss und rumms… Hat sicher flugtechnische Gründe, dass Putten meist am unteren Bildrand zu finden sind.

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Und als ich denke, jetzt habe ich es geschafft, schlimmer geht nimmer, sehe ich hinter mir eine Nachbildung der Lourdes-Grotte von 1885. Mit echter Erscheinung, echten Plastikfarnen, echten Plastiknelken und Rankpflanzen aus echtem Plastik .

Die klassizistische Kathedrale ein paar wunderhübsche Gässchen weiter ist fast enttäuschend leer dagegen.

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Dann meint Dubrovnik es gut mit uns: die anderen Ziele sind wegen Renovierung geschlossen und „unsere“ Handwerker, die um halb sieben angefangen haben zu arbeiten, hören pünktlich um 15 Uhr auf.

Siesta, wir kommen.

 

Siesta ist ja gut und schön, aber wenn man seit dem „healthy breakfast“ um acht Uhr nur einen Müsliriegel (Erdbeer-Apfel zwar, aber trotzdem!) gehabt hat, ist da gegen 18:00 so ein leichtes Grummeln nur schwer zu überhören. Also erst Apéro, dann Abendessen. Im Reiseführer wird eine kleine Bar außerhalb der Stadtmauern angepriesen, die neben „Cold drinks“ auch wunderbare Sicht auf das Meer bietet. Was der Reiseführer verschweigt, ist die Tatsache, dass dorthin gefühlte 200 Treppenstufen führen und dass sich das Verständnis der Barbetreiber von „Cold drinks“ auf zuckersüße amerikanische Gebräue beschränkt. So treibt uns unser Verlangen nach einem Apérol Spritz zurück zu Sankt Ignatius. Die Fassade ist eigentlich gar nicht so schlecht, fast klassizistisch. Das eine Lokal auf dem Platz vor der Kirche warnt uns sehr fair, dass es vier Busladungen erwarte und so nehmen wir das andere. Reine Glückssache und welch ein Glück! Der Kellner bringt uns unsere Drinks, lässt aber die Speisekarte unauffällig liegen. Ich frage ihn, ob wir irgendetwas zum Knabbern haben können, und sei es nur etwas Brot, denn Apérol Spritz auf nüchternen Magen ist schon ein bisschen gefährlich. Er nickt, meint, das sei zu machen und bringt uns zwei Tellerchen mit Fischmousse, Chips und Brot. Wir schlürfen langsam unseren Apéro und die Fassade von Sankt Ignatius wird immer schöner, immer klassischer. Schon tragisch, dass die Statuen fehlen in den Nischen rechts und links vom Portal. Aber wenn nun mal das Schiff untergegangen ist, das sie transportierte, kann man da wohl nichts machen.

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Wir blättern ein bisschen in der Speisekarte, erfahren, dass das Lokal einst die Küche für das benachbarte Jesuitenkolleg war. Gar nicht schlecht die strenge, abweisende Fassade des Seminars, setzt die fast klassizistische Fassade von Sankt Ignatius in ein noch besseres Licht. Wir schmökern uns einen richtigen kleinen Hunger an in der Speisekarten mit Geschichten zum Lokal. Als Monsieur liest, dass im Kolleg ein berühmter Physiker der Neuzeit ausgebildet wurde, wird es schwierig für mich. Er spricht über Ausgleichsrechnung und mir wird ganz anders. Dann fallen Sätze wie: „Wenn es linear ist, kann man das analytisch lösen,“ und ich bekomme weiche Knie. Monsieur schaut mir in die Augen, sagt: „in den Parametern“ und ich weiß, dass es höchste Zeit ist, dass ich nach all dem Apérol etwas zu essen bekomme. Wir bestellen Muscheln als Vorspeise und bekommen sehr alberne Lätzchen, meines mit schwerem Juwelenkollier bedruckt, das andere mit Hemdbrust und Krawatte, umgehängt. Ich klemme meines unauffällig am Tisch fest, so dass es eher wie ein Oberteil als wie ein Lätzchen aussieht. Sollen vorbeigehende Passanten lieber denken, dass ich einen grottenschlechten Geschmack  habe, als dass man mich für unfähig hält, Muscheln sauber zu essen. Es ist eine Sache des Stolzes, dass wir beide Lätzchen im jungfräulich-unbefleckten Zustand wieder zurückgeben. Nebenbei: wir sahen trotz allem nicht halb so bescheuert aus wie die Game of Thrones-Fan, die sich an der Treppe vor der Fassade der Kirche einfinden. Die Fassade ist übrigens gar nicht so übel für eine Barockkirche, falls ich das noch nicht erwähnt habe. Dort hat der Tourguide der GoT-Tour schon eine Menge Schwerter, Schilder und eine seltsame Schelle bereit gestellt und die Teilnehmer der Tour fotografieren sich nun ausgiebigst in unterschiedlichster Bewaffnung und Posen ab. Einer Katze, die zufällig in die Poserei gerät und von einem „Helden“ mit dem Schwert „bedroht“ wird, ist das Ganze offensichtlich so peinlich, dass sie – stolze Missachtung ausstrahlend – auf die Kirchhofmauer springt und verschwindet.

Monsieurs gefüllte Calamari und mein schwarzes Risotto kommen und meine britische Tisch-Nachbarin fällt vor Neugier fast in meinen Teller. Auf ihre vielen Fragen gibt es eigentlich nur eine Reaktion und so erhält sie eine Gabel voll zum Probieren. Ihre drängendsten Fragen, ob das auch gluten- und laktosefrei sei, werden dadurch allerdings nicht beantwortet.

Die Nacht bricht herein, ein Musiker setzt sich mit seiner Gitarre auf die Stufen vor dem Seminar und spielt klassische Gitarrenmusik.

Der Kellner kommt irgendwann mit der Rechnung und nimmt unsere Ankündigung, dass wir nicht genug Bargeld haben, sehr gelassen auf. Er nähme alle Karten, sogar Weihnachtskarten. So wird dieses kleine Problem gelöst und unsere verbleibende Barschaft geteilt: ein Teil geht an den Kellner, der andere an den Musiker. Ab morgen zahle wir wieder in Euro oder Franken, nicht in Kuna.

Sehr beschwingt machen wir uns auf den Heimweg, beginnend mit den Stufen der Mini-Spanischen-Treppe vor Sankt Ignatius, auf der angeblich auch eine GoT-Schlüsselszene gedreht worden sein soll. So im Abendlicht wirkt die Fassade von Sankt Ignatius richtig gut, muss ich ganz ehrlich sagen.

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Meet the locals

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Es ist reine Notwehr, wirklich. Die Idee war, in Trogir zu frühstücken, mit Blick aufs Meer. Eigentlich.

Als wir unser Auto abholen, tröpfelt es schon, hinter Split beginnt es zu regnen und kurz vor Trogir bricht ein Gewitter über uns herein, das an Weltenuntergang erinnert. Die Straße steht in Sekundenschnelle knöcheltief unter Wasser, Autos werfen meterhohe Fontänen auf. Von den umliegenden Feldern, Einfahrten und Werkhöfen fließen andersfarbige Sturzbäche auf die Fahrbahn. Irgendwie nicht so das rechte Wetter für unser geplantes Frühstück. Also lassen wir Trogir links liegen, wortwörtlich, und fahren kurz entschlossen weiter Richtung Sibenik, da ist der Himmel nicht ganz so rabenschwarz. Reine Notwehr, wie gesagt.

In Sibenik sind sie zwar noch dabei, das Wasser von den Gassen in die Gullies zu schieben, aber zu unserem Glück scheint die Sonne. Die Altstadtgassen sind charmant, mit einem Hauch Toskana, und Plätzen für eine Kaffee-, pardon Espressopause gibt es auch.

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In der Kathedrale zeigt sich mal wieder, dass ich manche Dinge einfach nicht verstehe. Wie kann ein Gott Anstoß nehmen an braungebrannten, schlanken Frauenbeinen in kurzen Hosen, an den behaarten weißen Beine eines Rentners in Shorts aber nicht? Jedenfalls werden nur Frauen gebeten, ihre nackten Beine mit bodenlangen Tüchern zu verhüllen. In der Kathedrale monopolisiert ein Führer den Innenraum mit lautstarken Erklärungen. Zeitgleich reinigt ein Restauratoren-Team einen Altar im rechten Flügel: kratz-kratz-schab-schab. Ich fliehe in die Taufkapelle und stehe vor überwältigend vielfacher Puttensüßlichkeit. Da sind mir die Löwen dann schon lieber, auch wenn der ein oder andere schielt. Die Kathedrale ist wirklich prachtvoll, ganz besonders, wenn man bedenkt, dass sie wie bei Legostein-Häusern nur durch Verzapfungen hält. Selbst die wunderbaren Gewölbe und Kuppeln sind auf so geniale Art verzapft, dass sie seit Jahrhunderten tragen. So ein tolles Bauwerk kostet natürlich eine Kleinigkeit, weshalb die Kirche die lokalen Handwerker und Unternehmer um einen Obolus bat. So entstand eines der faszinierendsten und lebendigsten Gesellschaftsporträts der Renaissance: die Köpfe von etwa 70 Zeitgenossen des Baumeisters der Kirche. Meet the locals, Männer und Frauen mit vielfältigen Gesichtsausdrücken, Haar- und Barttrachten, Mützen, Schals und Hüten. Nur, damit Ihr jetzt keinen falschen Eindruck bekommt: das waren nicht die Sponsoren, die hier lobend in aller und der Öffentlichkeit dargestellt wurden. Nein, hier konnte jeder Bürger sehen, wer sich geweigert hatte zu zahlen.

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Unsere Verzögerungstaktik geht auf. Während der Fahrt von Sibenik nach Trogir bleibt das Meer zu unserer Rechten azurblau, kaum ein Wölkchen am Himmel bedroht die wunderbare Farbe.

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Auch in Trogir sind die Menschen immer noch mit dem Wegräumen der Überreste des Wolkenbruchs beschäftigt, aber sie tun es im Sonnenschein. Zum Glück muss Trogir nicht mit Sibenik konkurrieren, denn sein Charme ist ganz anders. Allerdings wirkt er wohl auch stärker. Als ich bei einem Glas Orangensaft vor der Kirche sitze – Monsieur will unbedingt den Turm besteigen, ich eher nicht -, erhalte ich vier Führungen in Sprachen, die ich verstehe und weitere fünf in koreanisch.

g5Die Gruppen drängeln sich nur so durch die engen Straßen und stauen sich vor dem umwerfenden Portal der Kirche. Adam und Eva, fast nackt, aus der Spätgotik – welch ein Skandal! Um den Skandal nicht noch größer zu machen, hat der Bildhauer die einzige Frau porträtiert, die nackt zu sehen er in den Augen der Kirche berechtigt war: die eigene. Dass die Dame ihm zu diesem Zeitpunkt schon acht Kinder geboren hatte, sieht man ihr nun wirklich nicht an. Respekt! Ein bisschen Lokalpatriotismus spielt dann noch mit, als der Führer erklärt, ja, auch die Eva in Sibenik wäre fast nackt, aber das – wegwerfende Handbewegung – wäre schließlich schon Renaissance: viiiiel liberaler!

Wir schnappen Bruchstücke mehrerer Führungen auf zu einzelnen Aspekten der Darstellungen: dass z.B. die Sarazenen um 1100 die alte Kirche nieder brannten und nun zur Strafe auf ewig als Träger die Basis des Torbogens stemmen müssen. Oder eben die intimen Hintergründe zu Eva. Was keiner erklärt – höchstens auf koreanisch oder erst, als wir schon wieder wo anders sind -, ist das mysteriöse Medaillon der Frau, die von zwei Schlangen zerrissen wird. Kann jemand das Rätsel lösen?

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Den Abschluss des Tages bildet der Diokletianspalast in Split. Obwohl von Kleinstadtgröße, war er „nur“ der Alterswohnsitz, sozusagen die Senioren-WG des Kaisers.

Wir wollen vorher noch ein bisschen durch die Altstadt bummeln und kommen so an der Rückseite an, die aber eigentlich die Vorderseite ist. Beweis: die „Haustür“ heißt Goldenes Tor, während das Tor, das auf die moderne prachtvolle Riva-Promenade geht, winzig klein ist. Das war nämlich sozusagen der Lieferanteneingang, denn er lag zu Diokletians Zeiten direkt am Meer.

Der Palast ist im Inneren ein Gewirr von Gässchen und Stilen: in einander gebaute Häuser und Paläste der verschiedensten Epochen. Einzig das Peristyl, Kaisers Innenhof, ist noch in etwa so, wie es war, wenn man mal davon abzieht, dass sie direkt nebenan einen Kirchturm hochgezogen haben. Den brauchte es wohl, um das achteckige kaiserliche Mausoleum in eine Kirche umzuwandeln. Dabei gingen auch 11 der 12 ägyptischen Sphinxen verloren, die um den Bau herumstanden. Dafür gibt es jetzt zwei spätgotische Löwen vor der Kirche. Aber, ich bitte Euch, das ist doch kein Ausgleich, auch wenn sie sich noch so viel Mühe geben, groß und gefährlich auszusehen.

Morgen werden wir Kroatien vorerst verlassen und nach Bosnien weiterfahren. Aber in einer Woche kommen wir in Dubrovnik wieder nach Kroatien zurück. Wir müssen schließlich noch die Kunar ausgeben, die Monsieur gewechselt hat. Zusätzlich und wohl wissend, wie der Wechselkurs ist. In Bosnien ist das dann einfacher mit dem Geld. Dort gibt es Mark und Fennig, jawohl Fennig, und der Kurs ist der gleiche wie bei der Einführung des Euros: 2:1. Das sollten selbst wir umrechnen können.