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Aus der Zeit gefallen

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Während wir frühstücken fährt unter unserem Adlerhorst von Hotel die Eisenbahn vorbei, Märklin in natura.

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Auch wenn Montenegro sich noch so viel Mühe gibt mit der Schnellstraße auf der anderen Seite des Tales, wir bleiben auf dem „terrifying“ Sträßchen. Zumindest bis kurz vor Podgoriza. Das war schon hässlich, als es noch Titograd hieß, erinnert sich Monsieur und hat nichts an Reiz dazu gewonnen. Zeitziehen auf amerikanisch – aus dem fahrenden Auto heraus – bestätigt uns dies.

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Dann versumpfen wir. Statt auf der M2 über den Skadar-See (unser Hotel-Manager heute Morgen: Bitte sagen Sie nicht Skutari-See, das ist italienisch. Wir nennen ihn Skadar-See.) zu fahren, möchte Monsieur um das versumpfte, verschilfte Seeende fahren. So kommen wir nach Karub. Schmale Steingassen führen an mehr oder weniger verfallenen Häusern zum See. Irgendwo links eine Terrasse mit ein paar Bänken und einem alten Mann. Ob das privat oder eine Café sei, fragen wir vorsichtig. Café, Café kommt mit einladender Geste. Wir bestellen Kaffee und Tee. Die alte Frau, die aus dem Haus kommt, scheint wenig begeistert von uns, bringt aber das Gewünschte und verschwindet wieder. Dafür taucht der vierjährige Enkel auf und flüchtet sich in die Arme des Großvaters. Ich falte Schiffchen für den Kleinen, der Großvater fordert uns auf, uns am überreifen Maulbeerbaum zu laben. Es vergehen Momente, die eigentlich aus der Zeit gefallen sind.

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Irgendwann bezahlen wir unsere 50 Cent für Kaffee und Tee, verlaufen uns noch ein bisschen in Gassen, die vor zu Steinhaufen verfallenen Häusern enden und finden doch wieder zu unserem Auto zurück. Eigentlich schade.

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Auf Straßen, die irgendwie viel zu schmal sind, suchen wir unseren Weg am Skadar-See entlang. Entdecken Landschaften von befremdlicher Schönheit, erleben in Stari Most, dass der See als Kloake benutzt wird und werden in Virpazar mit den Auswüchsen des Tourismus konfrontiert. An der Küste wird das noch schlimmer mit Bettenburgen oder als Steigerung blindäugigen Bettenburgen-Bauruinen. Sollte man einfach verbieten, diesen ganzen Tourismus 😉 . In den Bergen kurz hinter Virpazar bricht das tägliche Nachmittagsgewitter über uns herein. Monsieur, der sich an die Strände erinnert und im Meer baden will, wiederholt mantra-artig: „In Budva scheint die Sonne! In Budva scheint die Sonne!“

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Ihr könnt Euch denken, wie das ausgeht. Nur so als Tipp: wir sind nicht einmal ausgestiegen.

In Kotor finden wir nur mit Mühe und unter eklatanter Missachtung der Verbotsschilder zu unserem Apartment gerade außerhalb der Stadtmauer. Die Einfahrt ist so steil, die regennasse Straße so rutschig, dass unser Vermieter und ein Freund tatkräftig schieben müssen, bevor wir im Hof stehen.

Den Rest des Abends erledigen wir zu Fuß!

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Ein ganz passabler Durchschnitt

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Im Wanderführer steht, es wäre eine der kürzesten und spektakulärsten Wanderungen. Diese Wortkombination macht sie schier unwiderstehlich. Für elf Uhr ist eine erste Gewitterfront im Durmitor Naturpark vorhergesagt, sozusagen die Aufwärmübung für die großen Gewitter ab 14 Uhr. Gewitter und Berge sind keine gute Mischung, also sehen wir zu, dass wir früh (für unsere Verhältnisse) auf dem Weg sind. Der Führer hat Recht, wenn er auch ein paar Adjektive wie blumenüberstreut (Wiesen), majestätisch (benachbarte Berge plus Adler), türkisgrün (Tara im Tal) vergessen hat.

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Für den Rückweg wählen wir eine andere Route, Monsieur ist ein paar Schritte vor mir am Auto und ich höre ihn schimpfen. Mein erster Gedanke: er hat den Schlüssel verloren und wir müssen den ganzen Weg noch einmal gehen. Aber als ich um die Ecke komme, steht dort, mitten im Nirgendwo, ein Mann in Tarnklamotten und kassiert den Eintritt zum Naturpark. Drei Euro will er pro Person und Tag, als einzige Legitimation hat er ein T-Shirt, auf dem Durmitor-Park steht. Letztendlich überzeugen uns aber die vorgedruckten Tickets mehr als ein beliebiges T-Shirt.

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Das Elf-Uhr-Gewitter übt schon mal, als wir am Crno Jezero Wanderparkplatz halten. Die „Wanderung“ sind ganze zwei Kilometer, die Hälfte Asphalt und das Gewitter grummelt bis jetzt nur. Dem nächsten Kontroletti halten wir triumphierend unser Ticket entgegen und er verzieht sich. Der See ist dann halt ein See. Ganz nett, aber auch nicht mehr.

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Auf der P5 geht es danach zur allseits gepriesenen Brücke über die Tara-Schlucht. Wir sind uns nicht ganz klar, ob das Elf-Uhr-Gewitter zu spät oder das 14-Uhr-Gewitter zu früh ist, jedenfalls bricht es kurz vor der Brücke über uns herein. Von der Brücke sehen wir nicht viel, zu dicht ist der Regenvorhang. Wir fahren beim Restaurant an der Brücke auf den Parkplatz und stürzen zur Tür. Drinnen sieht man zuerst gar nichts, so dick ist die Luft, dann erkennen wir mehrere Motorradgangs, alle Fahrer mit Zigarette. Gut, ich habe Verständnis dafür, nicht fürs Rauchen, aber dafür, dass Motorradfahrer sich bei diesem Unwetter nicht auf die Straße wagen.

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Wir steigen wieder in unser Auto und fahren los Richtung St-Georgskloster, unserem – vorerst – letzten Ziel für heute. Es ist ein Uhr und all das viele Wasser in See, Fluss und Regen macht mir richtig Appetit auf eine kross gebratene Forelle. Wir trödeln langsam im Regen durch die Tara-Schlucht und Monsieur fragt hinter jeder Kurve: „Und du bist wirklich sicher, dass man hier etwas zu essen bekommt?“ Sicher bin ich nicht, aber optimistisch. Und siehe da, kurz vor unserem Ziel liegt rechts ein Lokal. Ein Lokal, das unter anderem Forelle anbietet: 14 Euro das Kilo. Wir diskutieren, dass wir kein Kilo brauchen, dass zwei Forellen für uns reichen und die junge Kellnerin nickt. Das sei eine gute Wahl, zwei Forellen seien eine gute Portion. Ihre Mutter würde die jetzt gleich auf den Grill legen, ob wir etwas hausgebackenes Brot dazu haben wollten? Was kommt, sind dann vier Forellen, zwei für jeden, wohl das, was hier als „eine gute Portion“ gilt. Aber die Fische sind so lecker und saftigzart, dass wir keine allzu großen Probleme damit haben.

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Das kleine Kirchlein entpuppt sich als Wundertüte, nachdem wir erst einmal eine sehr nette junge Nonne herausgeklingelt haben, die mir als Nächstes einen bodenlangen Rock überreicht. Fresken aus dem Mittelalter haben mehrere Brandschatzungen der Türken überlebt und wurden erst vor kurzem zu ihrer jetzigen Schönheit restauriert.

Danach wollen wir eigentlich nur noch Hause, aus den nassen Klamotten heraus, ein bisschen faulenzen und uns danach Gedanken über das Abendessen machen.

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Aber irgendwie stoßen wir fast gleichzeitig auf diese Internetseite zu Stecci im Naturpark und – auf die Gefahr hin, Euch zu langweilen – machen uns auf die Suche. UNESCO ist etwas genauer mit ihren Angaben und so finden wir die beiden Plätze recht einfach, wunderschöne Landschaft gibt es als Bonus dazu. Eine Hochebene, von Seen und Mooren durchzogen, die „Dörfer“ selten mehr als eine Handvoll weit gestreuter alter Höfe.

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Auf der einen Fundstelle gibt es 300, auf der anderen 49 Stecci. Damit kommen wir also für drei Versuche ( 1x 0, 1x 4, 1x 349 stecci) auf einen ganz passablen Durchschnitt! Die Steine sind nicht so elaboriert wie in Ramilja, dafür halb in der Erde versunken, von verwunschener Schönheit. Ein Teil des Zaubers macht die Landschaft im Hintergrund, durch die die fast feldwegartige P14 nach Savnik führt. Und das liegt auf unserem Weg nach Danilovgrad morgen.

Bleibt nur die Qual der Wahl: durch die Tara-Schlucht oder über die Hochebene?

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Some kind of old Turkish motel

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Heute morgen begeht Monsieur einen schrecklichen Fehltritt. Es ist recht kühl und er zieht Socken an. Zu Sandalen. Die deutsche Rentner-Uniform! Die Rechnung bekommt er natürlich sofort. In Foĉa sitzen drei alte Männer vor einem Café und begrüßen ihn fröhlich auf Deutsch: „Guten Morgen! Wie geht’s?“

Selber Schuld, kann ich da nur sagen.

Foĉa ist eine sehr seltsame Erfahrung. Irgendwer hat im Internet etwas geschrieben über schöne alte Karawanserei, schöne alte Moschee, schöner alter Uhrturm. Hat aber vergessen, zu erwähnen, dass die beiden ersten Gebäude von den Serben beim Rückzug gesprengt worden sind. Das wiederum steht in meinem Reiseführer, der allerdings schon ein paar Jahre alt ist. Wer hat nun Recht? Immer optimistisch hoffe ich beide, erwarte, erhoffe, dass die gesprengten Bauten inzwischen wieder zu ihrer alten Schönheit restauriert worden sind. Foĉa liegt zudem ziemlich genau in der Mitte zwischen Sarajevo und Zabljak, unserem heutigen Ziel in Montenegro, ideal für eine Kaffee-, Harmonie- und sonstige Pause.

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Wir halten also vor dem oben erwähnten Café und orientieren uns erst einmal an einem weithin sichtbaren Minarett, das wird wohl die Moschee sein. Die Moschee ist zwar funkelnagelneu, wirkt aber nicht wie „neu renoviert“, einfach nur „neu neu“. Um sie herum ehemals schöne alte Häuser in verschiedenen Stufen des Verfalls. Ein paar Einheimische schütteln auf unsere Frage „Karawanserei?“ nur den Kopf und eilen weiter. Es hat etwas von Asterix & Obelix: „Alesia? Welches Alesia? Ich kenne kein Alesia!“ Etwas planlos laufen wir weiter auf das zu, was wir für einen Kirchturm halten, das sich aber als der gerühmte Uhrturm erweist. Auf der Wiese gegenüber die Ruinen einer großen Struktur, vor uns die Ruinen eines großen Gebäudes mit rundem Eingangsbogen. Ich bin mir fast sicher, dass wir meine Moschee plus Karawanserei gefunden haben, frage aber vorsichtshalber drei Jungen in Fußballtrikots, ob sie Englisch sprechen. Der Jüngste beantwortet nicht nur diese, sondern auch meine nächste Frage. „This is some kind of old Turkish motel.“ Finde ich eine ziemlich gute Umschreibung des Begriffes Karawanserei.

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Touristisch war Foĉa nun nicht so der Knüller, bleibt noch die Pause. Zu den Rentnern will Monsieur nicht zurück und findet eine Art Pizzeria ein paar Ecken weiter. Da unsere gesamte Barschaft noch 20 KM beträgt, fragen wir, ob wir eventuell mit Euro… und ja, wir können. Unser kleiner Imbiss kostet, Getränke inbegriffen, dann aber nur 10,50 KM. Da verzichten wir auf Klimpergeld in der falschen Währung und spendieren das dem Kellner. Wir haben eigentlich nicht die Angewohnheit über 90% Trinkgeld zu geben, aber das Gesicht des Kellners ist es wert.

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Unsere letzten Kilometer in Bosnien, eigentlich in der (Teil-) Republika Srpska, werden immer abenteuerlicher. Straßen, die zur Hälfte schon den Abhang hinabgerutscht sind oder umgekehrt Besuch vom Berghang oben drüber bekommen haben. Richtig toll sind die Straßenbrücke. An der ohnehin schon fast einspurigen Straße steht ein Verengungswarnschild und dann geht es in Autobreite + x (x = < 10 cm) über dicke Holzbohlen. Irgendwann gibt der Asphalt dann ganz auf. Just an dieser Stelle stehen dick und breit zwei Autos: ein VW-Bus des Schweizer Fernsehens und ein Audi der selben Firma. Bevor wir fragen können, ob sie Hilfe brauchen, sehen wir, dass die Fernsehtechniker eine Kamera an der vorderen Stoßstange des Audis befestigen, um möglichst bodennah dramatische Aufnahmen von bosnischen Straßenverhältnissen zu drehen. Liebe Schweizer Mitleser und Zuschauer, bitte lasst Euch nicht täuschen, wenn der Bericht im Fernsehen kommt! Egal wie atemberaubend und dramatisch es aussieht: das nicht asphaltierte Stück Schotterweg ist knapp 25 Meter lang, allerhöchstens.

Überhaupt kommen die wirklich abenteuerlichen Straßen erst auf der montenegrinischen Seite. Zum einen führen sie durch eine unglaublich dramatische Landschaft, zum anderen enden sie im Nichts bzw. in unserem Fall bei einem netten uralten Herren.

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Der Wegweiser Zabljak kommt etwas unverhofft auf der Uferstraße an der gestauten Tara entlang, aber wir schaffen die Abbiegung. Kurz danach wird es archaisch: in den nackten Felsen gehauene Tunnel, unbeleuchtet, dafür gerne auch mal mit einer Haarnadelkurve im Tunnel oder einem unverhofft abzweigenden Tunnel nach rechts. Straßenbreite mit hohem Diskussionspotential bei Gegenverkehr, das ganze natürlich ohne Leitplanken. Je höher wir uns schrauben auf dieser Straße, desto mulmiger wird mir zumute bei dem Gedanken, dass wir diese Strecke übermorgen bergab nehmen müssen. Monsieur meistert das alles mit großer Gelassenheit. Der letzte Tunnel spuckt uns auf eine traumhaft schöne Hochebene aus und unser Navi sagt, noch eine gute Stunde für 40 km. Alles ist gut, bis der alte Mann am Straßenrand auftaucht. Er trägt seinen guten Sonntagsanzug, vielmehr den, den er vor 60 Jahren als guten Sonntagsanzug gekauft hat und winkt aufgeregt. Wir drehen die Fenster herunter, er sagt etwas von „Snakes, snakes, snaews!“, schüttelt heftig den Kopf und meint wir müssten umdrehen. Wir sagen „Zabljak?“ und bekommen die gleiche Reaktion. Schlangen als Hinderungsgrund können wir uns nicht vorstellen, vielleicht gibt es irgendeine Sperrung für Nicht-Anwohner, also zeigen wir ihm unsere Hotelreservierung. Das sei ja nemetskiy, beschwert er sich, er könne nur montenegrinisch und ruski. Damit können wir nun leider nicht dienen, wohl aber mit einem Handy. Ein paar bange Sekunden, ob wir Empfang haben in dieser Einöde, dann haben wir unser Hotel an der Leitung und reichen das Handy weiter an den Herrn. Einige aufgeregte Sätze später erhalten wir es zurück und erst einmal einen Rüffel von der Rezeptionistin: Was um alles in der Welt wir uns dabei gedacht hätten, Ende Mai über den Sedlo-Pass (1900 m) fahren zu wollen. Ganz ehrlich? Gar nichts! Aber nun wird klar, dass der alte Herr nicht „snakes“ sondern „snow“ gemeint hat und das die Straße vor uns noch gesperrt ist.

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Das ist wirklich zu schade! Erstens ist die Landschaft wunderschön, zweitens habe ich jetzt schon Angst so gerne vor der Abfahrt.

Wir bedanken uns bei dem Herrn, kontemplieren noch ein wenig die Schönheit der Hochebene und krabbeln dann ganz langsam zurück ins Tal. Ich bin so sehr in einen intensiven inneren Dialog mit meinem Magen vertieft, dass ich gar nicht bemerke, wie schnell das geht.

Unten, im Tal, geht es auf wirklich zweispurigen Straßen zwar auch bergauf und bergab, meist durch Haarnadelkurven, über Savnik bis nach Zabljak. Trotz 60 km Umweg kommen wir nur 10 Minuten nach der geplanten Ankunftszeit für die Sedlo-Pass-Strecke an, was eigentlich alles über diese Passstraße sagt.

Monsieur will nun natürlich versuchen, von dieser Seite bis an den Schnee zu fahren (so ganz glaubt er die Geschichte nämlich nicht), aber heute wird das eh nichts mehr. Für morgen haben wir schon eine Wanderung im Durodimir-Nationalpark geplant, für die – wie nicht anders zu erwarten – Regen vorhergesagt ist.

Schau’n wir mal!