Startseite » Beitrag verschlagwortet mit 'portugal'

Schlagwort-Archive: portugal

Aperol Spritz im Liegestuhl

port00

Der letzte Rückflug aus Berlin war mal wieder – eben typisch Berlin. Erst stehen wir über eine halbe Stunde an beim Check-out im Hotel, dann fährt uns am Spittelmarkt die U-Bahn vor der Nase weg und die nächste reicht nicht aus, die Regionalbahn nach Schönefeld noch zu bekommen. Das Taxi, das wir unerwartet schnell finden, steckt kurz darauf im Chaos rund um den Berliner Karneval der Kulturen fest und die letzte Alternative – auf der Autobahn recht weitläufig um die Stadt herum – ist zeitaufwändig. Der Taxifahrer versichert mehrmals, dass er uns den Umweg nicht berechnen wird, es sei seine Schuld, dass er nicht gleich an das Festival-Chaos gedacht und eine andere Route gewählt habe. Wir versichern ihm, dass die Taxikosten unsere geringste Sorge seien und alles bezahlt würde, solange er uns rechtzeitig zum Boarding in Schönefeld absetzt. Was klappt, wenn auch nur knapp.

Diesen Stress wollen wir uns in Aveiro nicht antun und planen großzügige Zeitreserven für die Fahrt zum Flughafen Porto ein. Das Taxi holt uns kurz vor 5:30 in der Dunkelheit ab und bringt uns mit viel Reserve zum Bahnhof und zum 5:54 Regio nach Porto Campanha. Dass der Fahrkartenschalter erst um 5:45 aufmacht, ist nur eine minimale Irritation. Ich bin die Erste in der sich rasch bildenden Schlange und kann mit den Karten auf Gleis 1 auftauchen, bevor Monsieur, der dort mit dem Koffer wartet, sich ernsthaft Sorgen zu machen beginnt. Selbst eine längere, eine zu lange Schlange wäre kein Problem gewesen, alles eingeplant. Der nächste Zug, der Alfa Pendular, kommt um 6:13. Da hätte ich allerdings meine Fahrkarten umtauschen müssen, weil der deutlich teurer ist. So viel haben wir inzwischen gelernt über Zugfahren in Portugal.

Um 7:23 spielt die Metro in Porto arktischer Winter und bläst allen eiskalten Wind ins Gesicht, woraufhin im Waggon allgemeines Geschniefe und Geschnüffel einsetzt.

Eine halbe Stunde später entlässt sie uns am Ziel, wo wir dann dank unserer großzügigen Planung zweieinhalb Stunden Zeit haben, die Schönheiten von Portos Airport zu genießen. In diesem Fall in Form von Milchkaffee und pasteis de nata. Schließlich haben wir um fünf Uhr nicht mehr gefrühstückt im Hotel. Und mit Butterhörnchen, die sie zwar Croissants nennen, die aber nichts, gar nichts mit einem Croissant gemein haben – außer einer vagen Ähnlichkeit in der Form.

Ungefähr genauso lange, zweieinhalb Stunden, braucht der Flieger bis zum Temperaturschock in Genf. Von knapp 16° um zehn Uhr in Porto auf über 30° am Nachmittag in Genf.

Unsere Katze ist nicht so wirklich überschwänglich glücklich uns wiederzusehen, dafür begrüßen uns die Passionsblumen mit einer ersten Blüte. Und ich hole nach dem Auspacken nach, wovon wir gestern am Ende der Wanderung geträumt haben: Aperol Spritz im Liegestuhl.

 

Ein bisschen lästerlich unterwegs

a00

Ein bisschen lästerlich ist mir schon zumute, als ich zum ersten Mal die Website des „Paiva-Walkway“ aufrufe. Sie sprechen von „unberührter“ Natur, ihre Anführungszeichen, nicht meine.

a02

Das wirft natürlich sofort eine Menge lästerlicher Fragen auf. Von den großen philosophischen: Existiert unberührte Natur überhaupt und an sich, wenn der Mensch nicht da ist sie zu sehen, sie zu ent-unberühren? Monsieur murmelt dann auch gleich etwas von Heisenbergscher Unschärferelation und dass wir allein durch unser Hinschauen schon Einfluss nehmen auf die unberührte Natur.  Über die pragmatischen Fragen: Ist es nicht tatsächlich besser, eine umkehrbare Holzkonstruktion in die unberührte Natur zu dübeln als einen Weg in den Felsen zu schlagen? Eine etwas sehr ökologisch bewegte Bekannte würde hier mit dramatischer Geste von der Vergewaltigung des Leibes der Mutter Erde sprechen, nun ja.

a04

Bis zu der letzten, der praktischen Frage: Wie komme ich da am besten hin?

Dass ich da hin will, das steht außerfrage.

Diese letzte Frage ist einfach zu beantworten: mit dem Taxi. Deutlich teurer als mit dem Zug, aber der einzig mögliche Weg und da wir zu viert sind, finanziell machbar. Zu den Fahrtkosten kommt noch der Eintritt, obwohl der mehr als Registrierungsgebühr verstanden wird, 2 € pro Person, auch siehe oben. Das dient der Statistik der Gemeinde, bei 2500 Anmeldungen pro Tag schließen sie den weiteren Zugang.

 

a08

Unser Taxifahrer versteht sich als Entertainer und unterhält uns mit Geschichten und Geschichtchen, so dass die anderthalb Stunden Fahrt schnell vorbeigehen.

a01

Dann stehen wir am Fuß der Walkways, vor der ersten Herausforderung. An die schiere, senkrechte Felswand haben sie einen Treppenturm gedübelt. 541 Stufen und einige Treppenabsätze, im Felsen verankert. Auf geht es! Oben angekommen habe ich zwar nur 539 gezählt, bin aber nicht bereit noch einmal von vorne anzufangen, um nachzuprüfen, wer sich da denn nun verzählt hat. Im Zweifelsfall sicherlich ich.

a07

Am oberen Ende wird es wieder lästerlich. Von der letzten Plattform geht der Blick tatsächlich über unberührte Natur, nach rechts. Links ist so ziemlich das Gegenteil zu sehen. In die ehemals unberührte Natur haben sie zwei riesige Betonbögen gesetzt, rechts und links der Paiva, zwischen die in naher Zukunft die längste Hängebrücke gespannt werden soll. Wie hoch ihr Anspruch ist – Portugals, Europas, der Welt? – steht auch da, habe ich aber schon wieder vergessen. Drumherum, zumindest auf unserer Seite, die Wunden, die solch ein Projekt der Natur schlägt. Geschotterte Anfahrtswege, Containerhäuschen, abgeladene Materialien. Dazu riesige Plakate, wie teuer das Gebilde wird (1,7 Millionen Euro) und mit wessen Unterstützung es finanziert wird. Die Bauzäune, die verhindern, das dumme Touristen aus Versehen die Schotterrampen statt des Holzsteges erwandern, tragen auch nicht gerade zur Schönheit der Natur bei.

a10

An einem dieser Häuschen steht dann – ganz in blau gekleidet – der Kontroletti, dem wir unsere Tickets hinhalten. Das finde ich auch wieder mit hohem Lästerpotential behaftet. Erst machen sie einen die 500plus Stufen hochklettern, um dann hier zu fragen: Darfst du überhaupt weitergehen? Was denn wäre, frage ich, wenn ich nun gerade jetzt feststelle, dass ich die Tickets im Hotel vergessen hätte (Bei Paonias nicht sooooo abwegig, wie das klingt). Er schaut auf sein Display und meint, dass das heute, bei 300 Anmeldungen, kein Problem sei, da würde er mir – für den doppelten Preis – Tickets verkaufen. Morgen, Samstag, bei erwarteten über 2000 Besuchern könnte das knapp werden. Wäre ich die 2501. Besucherin, hätte ich Pech gehabt und müsste unverrichteter Dinge wieder zurückgehen – alle 541 Stufen.

a05

Er scannt die Tickets und erklärt, dass sie am Ausgang wieder gescannt werden. Sollten am Abend weniger Menschen die Walkways verlassen als sie oben betreten haben, müsste der Kollege von oben den ganzen Weg abgehen und die verloren gegangenen Touristen finden. Was natürlich sofort Monsieurs Physiker-Kollegen zu der Frage provoziert, was sie denn täten, wenn unten zehn Menschen mehr … Aber den Witz scheint der Kontroletti zu kennen, er grinst nur und wünscht uns eine schöne Wanderung.

a09

Paonia unterwegs

Und die haben wir – ganz ohne lästerliche Gedanken. Nach weiteren 400 Treppenstufen bergab geht es entspannt über leicht schwingende Holzstege Richtung Ziel. Meist im Schatten der Bäume, die die ganze Wanderung leicht nach Hustenbonbon riechen lassen. Oft in der Sonne, was am Ende etwas anstrengend wird. Deshalb liegt unser Picknickplatz im Schatten eines Wasserfalls. Auf das Badevergnügen am Praia Fluvial do Vau verzichten wir. Es sind zwar recht wenige Menschen mit uns unterwegs – die 2500 auf der selben Strecke mögen wir uns erst gar nicht vorstellen -, aber hier knubbelt es sich ein bisschen. Gegen Ende des Weges kommen uns ein paar lästerliche Verbesserungsvorschläge, die sich hauptsächlich um Bänke und/oder Liegestühle, vorzugsweise in Kombination mit einem Aperol-Spritz, drehen, aber insgesamt ist es eine sehr schöne Wanderung .

Kühles Bier im kleinen Café am Ausgang und pünktliche Abholung inklusive.

 

Pilgerfahrt

b00

Der geniale David Lodge vergleicht in „Small world“ Konferenzen mit den Pilgerfahrten des Mittelalters. Während zu Chaucers Zeiten, sagt er, Menschen auf Pilgerschaft gingen, um für ihre Sünden zu büßen, würden heute Wissenschaftler auf Konferenzen fahren. Wo sie dann als Strafe für ihre Sünden gezwungen wären, den Konferenzbeiträgen ihrer Kollegen zuzuhören. Dieser Satz, besonders der Teil mit dem „um für ihre Sünden zu büßen“, kommt mir spontan in den Sinn, als der Hauptgang des Konferenzdinners aufgetragen wird.

Ich weiß nicht, ob oder wenn ja womit wir das verdient gehabt hätten, aber wir nehmen diese Hauptgericht gewordene Strafe in Demut an. Fällt nicht so ganz schwer nach dem ausgezeichneten Vorspeisenbüffet mit allerlei Fisch- und Krabbengetier. Auch das Nachspeisenbüffet danach ist eher versöhnlich. Keine Ahnung, was sich die Küche beim Hauptgang gedacht hat.

b01

 

Unsere „Pilgerfahrt“ ist bis dahin eher vergnüglich verlaufen. Ein blau-gelbes Boot tuckert mit uns durch die Lagune, deren Ufer uns ins Grübeln bringen. Sind die riesigen Schiffe dort am Ende ihres Schiffslebens angekommen? Ist das hier so etwas wie ein Friedhof gestrandeter Trawler? Erwarten sie ein zweites Leben in einem Trockendock? Oder gibt es tatsächlich Wagemutige, die sich mit einigen dieser Veteranen noch aufs Meer trauen?

b02

Am Ende der Lagune liegt Costa Nova, ein hübscher Fischerort mit buntgestreiften Häuschen. Costa Nova, das klingt nach Aufbruch, Neuanfang, Zukunft, ist aber Zeugnis eines großen ökologischen und ökonomischen Dramas. Hauptakteur und Bösewicht: der Atlantik und seine Stürme. In einer Winternacht Mitte der 1500er fegt ein Sturm mit solcher Gewalt über die Küste, dass er riesige Sandbänke vor die Bucht von Aveiro schiebt und somit den Zugang zum Meer verschließt. Eine ungeheure Wirtschaftskatastrophe für eine Stadt, die von Fischerei und Handel lebte. Hinzu kommt, dass im nun stagnierenden Wasser der vom Meer abgetrennten Bucht sich Moskitos ansiedeln und Krankheiten übertragen.

b03

Innerhalb weniger Jahrzehnte sinkt die Bevölkerung auf ein Fünftel ihres alten Standes. Fast drei Jahrhunderte brauchen die Menschen, um die Ideen und die Mittel zu entwickeln, einen Kanal durch die vorgelagerten Dünen zu stechen und sich den Zugang zum Meer zurückzuerobern. Dann läuft es wie so oft: erst kommen die Fischer und bauen ihre bunten Hütten auf der Landzunge, dann die ersten Touristen und einfache Hotels und schließlich die Reichen mit ihren Sommerfrische-Villen.

b05

 

Wir werden am Kai abgesetzt, durch den Fischmarkt geschleust, dann in Richtung Meer gedreht und frei gelassen. Das Frage&Antwort-Spiel zum Treffpunkt (am Busparkplatz da drüben, 19 Uhr) wird gefühlt von jedem einzelnen Konferenzteilnehmer gespielt.

Kurz darauf kann ich sie am Strand herumtollen sehen. Ganz Mutige springen sogar in die Wellen und der Allermutigste, der mit kraftvollen Zügen schon weit herausgeschwommen ist, wird von zwei sehr aufgeregten Bademeistern zurückgepfiffen.

Um 19 Uhr sitzen die meisten mit mehr oder weniger nassen Hosenbeinen im Bus. Die Veranstalter zählen durch (bei einem der letzten dieser Konferenzausflüge haben sie in Assisi einen Physiker vergessen), tatsächlich: drei fehlen. Ich bin mit einem Freund zum Bus gelaufen und schaue mich suchend um. In der Tat, dahinten, am Ende der Straße, steht Monsieur und fotografiert versunken ein Streifenhäuschen nach dem anderen. Wildes Gewinke setzt ein. Als sich die Bustür hinter Monsieur schließt, ist er sich keiner Schuld bewusst. Nicht nur das, wenn es eine Schuldige gäbe, wäre eindeutig ich das: „Du willst doch immer, dass ich Fotos für dich mache.“

b04

Okay, mit dieser Schuldzuweisung kann ich leben. Aber die Verantwortung für den Hauptgang, die lehne ich ab. Kategorisch!

 

 

 

Vertrauensvolle Züge

 

In der Vorbereitung für Portugal war der Gedanke erstmal, dass Zugfahren vielleicht mehr Spaß machen würde als mit dem Mietwagen unterwegs zu sein. Natürlich wären wir auf der einen Seite etwas eingeschränkt, was spontane Stopps und kleine Abstecher angeht, dafür können beide Reisende die Fahrt genießen, ohne sich aufs Fahren konzentrieren zu müssen. Ein kleiner Punkt Selbstdisziplin war auch dabei, wir neigen dazu, uns in Mietwagen auszubreiten, was das Packen am letzten Tag mühsam macht. Eventuelle Minuspunkte, wie den Transport sperriger Koffer vom Bahnhof vor die Hoteltür, könnte ein lokales Taxi übernehmen, rein theoretisch, weil praktisch Monsieur eher der „Ach, du, das kann man (man!) doch genauso gut schnell zu Fuß…“-Typ ist.

So zuckeln wir also mit Bummelzügen der Konferenz entgegen. Nur gestern, da haben wir uns einen Alfa Pendular geleistet. Für die letzte halbe Stunde der Fahrt, genauer gesagt von Porto Campanha bis Aveiro. War spannend und sehr lehrreich. Zehn Minuten haben wir zum Umsteigen in Porto, die hat unser Zug in Viana schon an Verspätung. Wir steigen ein, fragen den Schaffner auf Englisch, der zuckt mit den Schultern und antwortet auf Portugiesisch etwas, das im Grundtenor beruhigend und zuversichtlich klingt. Da spricht uns jemand aus der Reihe hinter uns an, wir könnten ganz beruhigt sein, das würde klappen. Schon mal gut, aber dann erklärt sie, dass unser Zug ein Problem habe und in Nine ausgewechselt würde. Gar nicht gut. Doch, doch, der Ersatzzug stünde am gleichen Bahnsteig am Gleis gegenüber bereit. Und der Alfa Pendular? Wir sollten uns keine Sorgen machen, in Portugal würde so oft etwas schiefgehen beim Zugfahren, dass sie richtig gut darin wären, das wieder auszubügeln. Wir sollten Vertrauen haben, auch wenn das uns – an deutsche Effizienz gewöhnt – nicht leichtfallen würde. Wir versichern ihr, dass die Deutsche Bundesbahn den „mess-it-up“-Teil inzwischen auch schon ganz gut draufhätte, beim „fixing it“-Teil aber noch viel Luft nach oben wäre. Sie meint, auch in Portugal wüsste niemand so ganz genau, wie sie es immer wieder schaffen würden, dass alles klappt, aber Tatsache wäre, dass es genau das tut. Wahrscheinlich, meint sie, weil sie miteinander kommunizieren. Die Zugführer reden miteinander und jeder weiß, was und wo und wieso da ein Problem sei. Deshalb wüsste jetzt der Alfa Pendular-Führer, dass knapp zwei Dutzend Passagiere aus Viana den Anschluss in Porto noch bekommen möchten.

In Nine hält unser Bummelzug und alles strömt auf die andere Seite, auch wenn es einigen nicht leichtfällt. Zwischen Bahnsteig und letzter Zugstufe klafft oft ein so großer Spalt, dass ein Kleinkind mühelos durchrutschen könnte. Beängstigend. Auch für zierliche portugiesische Omas mit übergroßen Koffern oder Tüten, die es kaum schaffen, den Spalt mit einem Schritt zu überbrücken, geschweigen denn ihr Gepäck hinüber zu hieven. Aber irgendwie klappt es.

Das gleiche Bild in Porto. Der Alfa Pendular nach Lissabon steht gelassen auf dem gegenüberliegenden Gleis und wartet geduldig auf den kleinen Bummelzug aus der Provinz. Wartet, bis alle eingestiegen sind und braust dann los, holt mit über 220km/h die Verspätung ein und kommt pünktlich auf die Minute in Aveiro an.

Und alle sind zufrieden. Naja, bis auf das Paar, das es sich schon mal auf unseren Plätzen gemütlich gemacht hatte und mit einem entschuldigenden, lächelnden Schulterzucken in den Gang ausweicht.

Garbage soup

e00

Gestern hatten wir für 3,75€ eine Stunde Zugfahren erstanden, heute zahlen wir 8,35€ für 2 ½ Stunden. Darin enthalten 40 Minuten Aufenthalt in Trofa. Wir hätten dafür auch 30 Minuten Losado und 10 Minuten Nine haben können. Aber der Bahnhof in Losado sah im Vorbeifahren auf der Hinfahrt so trostlos aus, dass wir diese Option direkt verworfen haben. Trofa hat zumindest ein Café. Allerdings plärrt da so schrecklich laute Musik, dass wir uns nach einem Espresso und einer pasteis de nata lieber auf den Bahnsteig verziehen. Der Zug nach Braga kommt und fährt, unserer, 13:24 nach Valenca, wird angezeigt. Vier Minuten bevor er einfahren soll, fallen plötzlich alle Anzeigen kurzfristig aus, leuchten dann wild blinkend wieder auf und lassen eine Laufschrift flimmern. Von der wir natürlich nichts verstehen. Monsieur fragt seine Lebensgefährtin, die übersetzt: „Brett ohne Stopp“. Bis wir die Weisheit dieses Orakels enträtselt haben, donnern zwei Schnellzüge an uns vorbei. Die Anzeigen flackern noch einmal auf und beruhigen sich wieder. Unser „Brett“, das pünktlich kommt, ist dann deutlich weniger elegant als die Alfa Pendular eben und auch deutlich langsamer. „Jetzt fährt er gerade mit 30km/h“, liest Monsieur vom Handy ab. Manchmal ist es noch sehr viel weniger, wenn wir stehen – „Das ist kein Halt, madame, wir halten nur“, – um einen Holzgüterzug passieren zu lassen.

e05

Viana de Castello, das war uns schon gestern klar, wird es schwer haben nach Guimarães. Ein Extra, das es hat, ist Sta Luzia mit dem „Elevador Sta Luzia“. Das wollen wir machen, nicht wegen der Kirche, 19. Jahrhundert, nein danke, nein, wegen der Aussicht. Dahin zu kommen ist gar nicht so einfach. Wir stehen diesseits der Gleise am Hauptbahnhof, die Talstation der Standseilbahn ist jenseits. Weit und breit nichts, das auf einen Weg dorthin hinweist. Schließlich versuchen wir es mit den Treppen, die für uns zur Unterführung zum anderen Gleis führen, aber letztlich auch zur Tiefgarage auf der anderen Seite des Bahnhofs. Aus dem Dunkeln kommt ein Uniformierter auf einem Segway angekurvt, dem wir ein zögerliches „Elevador Sta Luzia?“ anbieten. Er macht diese „Follow me!“-Geste und wir kommen uns nur ein ganz kleines bisschen dämlich vor, wie wir so hinter ihm her durchs Parkdeck trotten und die Rampe hoch bis zur Schranke. Dort zeigt er freundlich auf die Talstation auf der anderen Straßenseite. Auf der anderen Seite einer vierspurigen Straße mit Leitplanke in der Mitte. Zum Glück ist der Verkehr eher spärlich.

P1130271

Dafür, dass sie es einem so schwer machen die Seilbahn überhaupt zu erreichen, ist die kleine Kabine sehr voll, die sich kurz darauf ruckelnd und zuckelnd in Bewegung setzt. Oberhalb der Bergstation liegt dann eine Kirche auf einer mächtigen Plattform. Den Turm zu besteigen bietet eine noch schönere Aussicht. Wenn man in der Lage ist, das automatische Drehkreuz mit der richtigen Anzahl Münzen zu füttern. Uns gelingt das, die Franzosen vor uns finden niemanden, der ihnen den großen Geldschein wechseln kann.

e01

Eine Talfahrt später schlendern wir zum Ufer mit dem etwas verunglückten Denkmal. Vom Bogen hing eine massive Kette zum Boden herab, die das Zerbrechen der Diktatur symbolisieren sollte, in einer Sturmnacht aber so real ins Schwingen kam, dass dies Passanten gefährdete. Nun hängen nur noch zwei Kettenglieder, der Rest der Symbolik ruht auf dem Boden, zerbrochen ist schließlich zerbrochen. Gleich nebendran liegt ein beeindruckendes Krankenhausschiff, dass mit den portugiesischen Fischereiflotten vor Neufundland kreuzte und am, besser auf dem Quai daneben der ganze architektonische Stolz Vianas, das Kulturzentrum und die Bibliothek. Das geht für mich leider mehr so in Richtung: Ähmmm, ja, also, interessant, ja doch…

e02

Dafür sind die Gässchen und die Plätze Vianas sehr charmant (wenn man sie nicht zu direkt mit der Stadt mit G vergleicht). Wir verlaufen uns mit Freuden ein bisschen, bis hin zur Kathedrale, die sie wirklich gut zwischen ein paar engen Straßenzügen versteckt haben. Freuen uns über deutsche Präpositionen. Die kleinen Biester bringen ja fast jeden Deutschschüler zur Verzweiflung. Erstens ihre schiere Anzahl und dann auch noch diese strikten Vorlieben – die mit Genitiv lassen wir jetzt mal außen vor – für Akkusativ oder Dativ. Bis auf die Wechselpräpositionen natürlich, die es mit jedem treiben. Aber stellt euch das mal vor ohne Präpositionen. Gestern und heute, in Guimarães und Viana laufen wir auf mit Jakobsmuscheln geschmückten Wegen in den Ortskernen. Wir sind als auf dem Jakobsweg gegangen.

Nun lasst mal die Präposition weg. Klingt doch gleich viel beeindruckender, nicht wahr?

 

Die beste Sprachspielerei des Tages kommt aber beim Abendessen von einem Studenten am Nachbartisch. Die fallen ein, als wir schon beim Dessert sind, diskutieren recht laut aus, wer woher komme und was machen möchte im zukünftigen Leben. Fragen dann die Kellnerin, was caldo verde, die lokale Spezialität, sei. „Cabbage soup“ kommt als Antwort, worauf einer im Brustton der Überzeugung: „I take the garbage soup!“ bestellt.

Und Monsieur schafft es gerade noch so, seinen Rotwein nicht übers Tischtuch zu prusten.

e04

Sex & crime & Familienknatsch

 

f00

Wir fahren ins Landesinnere. „Wortwörtlich,“ nickt Monsieur und grinst, denn er hat den Tunnel schon im Blick. Mit dem Comboios de Portugal sind wir unterwegs nach Guimarães, Endstation einer Urbano-Linie. Entsprechend entschleunigt ist die Fahrt, Halt in jedem Dörfchen und 70 Minuten für 55 km Strecke.

f01

Porto hatte ja ein bisschen gebraucht, um mich zu verzaubern, in Guimarães ist es Liebe auf den ersten Blick. Fängt an mit dem Taxifahrer, der uns eine Weile beim Deutschsprechen zuhört und dann auf Französisch meint, er spräche auch Französisch und wo wir denn herkämen in Frankreich, hoffentlich nicht aus Paris, das wären alles Verrückte da. Geht weiter mit dem älteren Herrn im kleinen Café neben dem Hotel, der mir keinen Cappuccino bringen kann, aber einen Milchkaffee hinstellt mit hoffnungsvoll gehobenen Augenbrauen: „Is good, isn’t it?“ zum Security-Mann vor dem Kloster/Rathaus, der auf unser offensichtliches Unverständnis hin seine freundliche Aufforderung, doch bitte einzutreten, um den schönen Kreuzgang nicht zu versäumen, auf Englisch wiederholt. Da bin ich aber schon den Sträßchen und Plätzchen des Ortes verfallen. Ein Mittelalterfest steht in der Burg am oberen Ortsende an, ganze Heerscharen von Kindern sind eingefallen. Wenn wir das Programm richtig verstanden haben, werden sie mit Kostümen ausgestattet, „trainiert“ und werden gegen frühen Abend die Burg stürmen. Im Augenblick ist alles noch im Aufbau, aber es liegt schon eine gewisse aufgeregte Erwartung in der Luft. Allerdings sehen wir auf den Sträßchen, die zur Burg führen, an Bierständen und weißblau eingedeckten Tischen, dass nicht nur mit kindlichen Besuchern gerechnet wird. Vor allen Lokalen liegen Heu- und Strohballen auf den Gassen. Fast so, als ob sie wirklich damit rechnen, dass die Besucher hoch zu Ross ankommen.

f05

Unterhalb der Burg liegt der Palast der Herzöge von Braga, errichtet ganz offensichtlich vor der Erfindung der Zentralheizung. Die Burg selber ist sehr alt und sieht aus, wie wenn sich Klein-Fritzchen eine Burg mit seinen Legosteinen baut. Nur hieß Klein-Fritzchen in diesem Fall Gräfin Mumadona und baute mit Granit-Bauklötzen.

f06

Das alles erfahren wir aus einer sehr hochwertig gestalteten Broschüre, die wir im Tourismusbüro erhalten. Das ist der Eindruck, den das ganze Örtchen macht: liebevoll gestaltet und restauriert, mit Menschen, die stolz darauf sind, ein Teil von Guimarães zu sein. Kann sein, dass ich das völlig überromantisiere und -interpretiere, kann aber auch sein, dass sie wirklich stolz darauf sind, Geburtsort und Keimzelle Portugals zu sein.

f02

Eine Geschichte mit viel sex & crime, Familienknatsch und weitreichenden Konsequenzen. Das Folgende ist eine sehr locker interpretierte Wiedergabe der mir bekannten historischen Fakten. Papa Graf stirbt, als der Sohn drei Jahre alt ist. Wahrscheinlich an einem berufsbedingten Leiden wie Tod in der Schlacht oder beim Turnier. Mutter Gräfinnenwitwe übernimmt Macht, Vormundschaft und Erziehung des Knaben. Irgendwann in der Pubertät muss irgendetwas ganz schrecklich schieflaufen, denn Mama will nun nicht mehr den erwachsenen Sohn als Herrscher sehen, sondern lieber ihren eigenen Geliebten, den sie wohl für leichter manipulierbar hält. Der Sohn findet das natürlich nicht so gut, stellt Mama in der Schlacht und gewinnt diese. Wahrscheinlich hatte Mami ihn da gar nicht mehr lieb. Worauf der Sohn dann Nägel mit Köpfen macht und sich nicht nur von Mami, sondern die Provinz aus dem spanischen Reich löst und das Königreich Portugal „erfindet“, mit sich als Alfons I. an der Spitze. Der König fordert dann die Bevölkerung auf, in seine neue Hauptstadt Guimarães zu ziehen und verspricht ihnen unter seinem persönlich Schutz Wohlstand und Zufriedenheit.

Irgendwie spürt man das noch heute, Guimarães hat eine ganz wundervolle Ausstrahlung.

f03

 

Einige Alfonse weiter, wir sind beim VII., gibt es einen Konflikt zwischen Portugal und Spanien, den der damalige Statthalter Guimarães‘ ehrenvoll löst, was ihm aber Ärger mit dem eigenen Alfons einbringt. Diese Geschichte ist Grundlage des 3-tägigen Mittelalterfestes, in das wir rein zufällig geraten sind, die Feira Alfonsina zu Ehren von Egas Moniz. Wir sitzen auf einem der Hauptplätze in einer Steinloge beim Abendessen und beobachten das Geschehen. Es hat etwas von Ebbe und Flut. Mal wogen Menschenmassen nach oben, der Burg entgegen, mal strömen sie wieder nach unten. Zwischendurch kommt es zu knirschenden Anachronismen. Wenn drei mittelalterlich gekleidete Maiden in Brokatgewändern sich auf die Bank gegenüber setzen, jede eine Softdrinkdose in der einen, einen Burger in der anderen Hand. Oder wenn der Tempelritter Arm und Umhang um sein Burgfräulein legt, um schnell mit dem Handy ein Selfie zu schießen.

f11

Um Viertel vor zehn kommen Espresso und Rechnung und auch wir machen uns auf, den Burgberg zu „erobern“. Vorbei an Mittelalterständen, in denen Schmiede schmieden, Weber weben und eine Heilerin zur großen Erheiterung der Umstehenden einen eher widerstrebenden Patienten versorgt. Es gibt sogar einen Stand, an dem ein Priester die Messe liest, aber der ist nicht so umlagert. Wir schieben uns vor das Burgtor – kein Spektakel, wir schieben uns nach links – kein Spektakel, dann nach rechts, wo zwei stämmige Polizisten mit unendlicher Geduld immer wieder das Gleiche erklären. „English?“ kommt aus der Menge und führt zu Kopfschütteln, bei „Deutsch?“ lachen sie nur auf. Eine junge Frau übersetzt und wir stolpern mit allen anderen einen steilen Hang hinunter zum Mittelalter-Dorf. Was wir auf unserem Logenplatz für Menschenmengen gehalten haben, wäre verloren gegangen in den Massen, die sich um Stände mit Spanferkel am Spieß und Mittelalter-Schnickschnack drängeln.

Natürlich ist das Spektakel schon im vollen Gange, als wir endlich vor der Rückseite der Burg ankommen. Kämpfer kämpfen, Verteidiger verteidigen und Angreifer greifen an. Aber immer nur bis zur dritten Sprosse der ellenlangen Sturmleitern, so als ob ihnen da einfiele: „Oh Schrott, meine Unfallversicherung deckt solch einen Unsinn nicht ab!“ Das Ganze umwogt von bedrohlich waberndem Theaternebel und unterlegt mit wummernden Bässen. Fantastische Schatten flackern über die Burgmauern.

f07

Irgendwann öffnet sich das hart umkämpfte Burgtor, der Burgherr tritt hervor und spricht ein paar theatralische Worte. Die wir natürlich nicht verstehen, ebenso wenig wie die genauso martialische herausgedonnerte Antwort des angreifenden Königs. Ist aber alles kein Problem. Ein paar Pferde galoppieren noch durchs Bild, dann ziehen die Belagerer ab und Applaus brandet auf. Morgen um 22 Uhr geht das Ganze dann wieder von vorne los.

Mittelalterfeste sind nicht so mein Ding und große Menschenmassen machen mir Angst. Aber hier und heute habe ich mich köstlich amüsiert.

Muss an Guimarães liegen. Wie gesagt, ein ganz wunderbarer Ort.

Du, das ist DER Geheimtipp!

g07

Oder: Dann eben nicht…

Livraria Lello zum Beispiel mit der wunderbaren Jugendstiltreppe. War ein Geheimtipp, bevor sie in den Harry Potter-Filmen vorkam. Heute Morgen ist das so, dass eine mehrere Hundert Meter lange Schlange sich die Straße hochwindet zur Tür der Buchhandlung. In diese Schlange darf man sich aber erst anstellen, nachdem man in einem anderen Laden, nach einem anderen Schlangestehen einen „Voucher“ erworben hat. Schlangestehen zum Schlangestehen also, um dann evtl. den gerade frei werdenden Stehplatz zu nutzen, um das berühmte Innere zu sehen und zu fotografieren natürlich. Hätte ich gerne gemacht, aber nicht zu diesen Bedingungen.

g02

Die historische Tramlinie 1 hinausfahren zur Duoro-Mündung, auch so ein Tipp. Hier haben wir tatsächlich ziemlich viel Zeit ins Schlangestehen investiert in eine Tram, die kommt, sich aber 6 Leute vor uns als überfüllt in Gang setzt und wegzuckelt. Die nächsten drei Trams kommen erst gar nicht und irgendwann ist es dann auch mal genug. Wir beschließen unsere Porto-Zeit sinnvoller zu verbringen, z.B. mit Schlendern durch die wundervollen Sträßchen oder mit einem Kaffee in dem kleinen Café auf dem Platz dahinten.

g01

Da sagt hinter mir eine Stimme sehr zaghaft: „Paonia?“ und dann „Paonia!“ Ich drehe mich suchend um und liege kurz darauf meiner Kusine in den Armen. Vor fünf Jahren, beim großen Familienfest zur Diamantenen Hochzeit meiner Eltern, da hatten wir uns das letzte Mal getroffen. Und jetzt hier, zufällig, in Porto. Die Kaffeepause wird etwas länger und wir bummeln zusammen zum Douro. Da können Monsieur und ich ganz lässig unser Insiderwissen weitergeben, schließlich sind wir ja schon seit gestern in Porto, alte Hasen, Spezialisten für Porto quasi. Einen tollen Platz für eine Portweinprobe empfehlen. Du, das ist DER Geheimtipp.

g03

Nach einer kleinen Umarmungsorgie, die Männer nicht ganz so überschwänglich, trennen sich unsere Wege, denn wir wollen noch durch Ribeira streifen, die Häuserfronten mit ihren fröhlichen Farben und zierlichen Balkonen genießen.

g05

Am Ufer davor sind die Landestege für die Douro-Fahrten. Auch so ein Tipp, auch so überlaufen mit langen Schlangen vor den Anlegestellen. Eine Tour gönnen wir uns dann, ganz ohne Anstehen. Eine Kreuzfahrt im wahrsten Sinne, denn wir kreuzen mit dem Wassertaxi von Ribeira ans andere Ufer.

Monsieur muss da noch etwas erledigen, das ihm auf der Seele brennt. Wir saßen nämlich gestern schon in der Metro auf dem Heimweg, da fährt er auf: „Du, ich habe das winetasting gar nicht bezahlt!“ Wir überlegen ein bisschen hin und her und ja, es stimmt. Vor der Probe war die ausschenkende junge Frau zu sehr mit unseren Gläsern beschäftigt und danach haben wir alle das Bezahlen schlichtwegs vergessen.

„Das war gestern!“, winkt die junge Frau ab, als wir ihr unsere Wiederkehr erklären.

Und wo wir schon mal da sind, wird Monsieur dann doch schwach. Und erwirbt den 10 Jahre alten Tawny Port…

 

Halleluja!

h00

Eigentlich wollen wir die Tram 18 um 7:57 gar nicht nehmen, aber wo sie nun, d.h. eigentlich eher noch, da steht, versuchen wir es halt. Ich steige schon mal ein, Monsieur zieht am Automaten rasch zwei Tickets. Er drückt auf die Tasten, stutzt und wirft zunehmend hektisch eine Menge Kleingeld ein, während ich die Anzeige „Abfahrt in drei-zwei-einer Minute(n)“ im Auge behalte und unauffällig mit dem Knie die Lichtschranke blockiere. Monsieur steigt ein, hält mir vier Tickets hin und meint: „Ich habe keine Ahnung, was ich da gerade gemacht habe.“ Statt zwei Tickets – Halbtax – hat er drei normale und ein Halbtax erworben, was das Nachfüttern des Automaten erklärt. Aber nun fährt die Tram und es ist zu spät, etwas zu ändern. Ein paar Stopps weiter verpassen wir gerade den Airport-Bus, genau wie die zwei älteren afrikanischen Damen in farbenprächtiger Kleidung und eng geflochtenen Zöpfen. Während es bei uns die langsame Tram war, ist es bei ihnen das mühsame, 10-Cent-Stück für 10-Cent-Stück Zusammensuchen des Fahrpreises. Monsieur schaut sich das eine Weile an und reicht dann die beiden überflüssigen Tickets rüber. Die linke Dame schlägt die Hände zusammen, hebt sie mit Segenswünschen über unsere Häupter und entlässt uns mit einem letzten „Que Dieu vous benisse! Alléluia!“ in den gerade einfahrenden 57er Bus. Im 57er wird es etwas seltsam. Erst spult die Ansage alle nachfolgenden Haltestellen im Schnelldurchlauf durch bis zum etwas atemlosen „Aeroport Terminus“, was einige der asiatischen Anzugträger im Gang verunsichert aufschauen lässt. Dann läuft die Ansage in die Gegenrichtung, d.h. wir fahren ansagetechnisch rückwärts zurück nach Genf. Dabei ist noch nicht mal Montag heute, da könnte man das ja fast verstehen.

Der erste Eindruck von Porto ist sehr durchwachsen. Das Restaurant auf dem Dach ist schön, der Blick auch, der Teil des Planes hat schon mal geklappt.

h05

Dafür ist der Blick aus unserem Zimmer ziemlich unsäglich: auf das gegenüberliegende Parkhaus-Silo. Der vom kleinen Balkon um die Ecke nur minimal besser, immerhin kann man dem Parkhaus den Rücken zuwenden. Zimmer wechseln geht nicht, sie seien ausgebucht, sagt die etwas uncharmante Dame am Empfang. Die Suite für 500€ die Nacht, die wäre allerdings noch zu haben. Ach, hmmm, nein danke…

Und ich kann noch nicht mal richtig meckern, denn im Plan war ja nur der Blick von der Dachterrasse vorgesehen.

h01

Also muss Porto sich jetzt ein bisschen Mühe geben, uns von seinem viel gerühmten Charme zu überzeugen. Das läuft erstmal nicht so – nunja, überzeugend. Gäbe es eine Liste der 100 hässlichsten Parkhäuser Europas, hätte Porto sicher eine gute Handvoll Kandidaten im oberen Drittel. Erschreckend, welche Bausünden hier zwischen alte Straßenzüge geknallt wurden. Gut, die Stadt steht auf hartem Granit, da ist das mit dem Bauen einer Tiefgarage sicher nicht einfach, aber dass man es sich so hässlich macht, wenn man es sich einfach macht…

Sao Bento war einst ein Kloster, was erklärt, weshalb ein Bahnhof wie eine Kirche heißt. Der dann schön den Spruch: „sein blaues Wunder erleben“ verdeutlich, Azulejos überall. Riesenblaue Kachelwände erzählen Geschichten aus Portugals Geschichte, die sich, wie bei solch monumentaler Kunst gerne der Fall, hauptsächlich darum dreht, wer wem eins auf die Nase gegeben hat.

h02

Blaues Wunder auch in der Kathedrale, die davon abgesehen eher einer Granitfestung als einer Kirche ähnelt. Vom Platz vor der Kathedrale aus hat man einen schönen Blick auf das gegenüberliegende Ufer und das wirkt wie eine Getränkekarte. Sandemanns und Grahams und Ferreira und eine Menge anderer Schriftzüge stimmen schon mal ein auf das, was man natürlich direkt mit Porto verbindet.

h03

Zwischen Kathedrale und Portweinprobe hat die Natur den Douro und der Mensch die Ponte Luís I, gesetzt. Die sieht aus wie von Gustave Eiffel entworfen, steht auch an der Gustave-Eiffel-Straße, ist aber von einem deutschen Kollegen von ihm. Jedenfalls bringt sie uns sehr langsam und mit vielen Fotostopps auf die andere Seite, von wo die kleine Seilbahn uns zum Ufer schweben lässt. Dort angekommen sehen wir uns mit einer der modernen Plagen unserer Zeit konfrontiert. Da, wo man in Restaurants am Ufer sitzen und die Altstadt gegenüber kontemplieren könnte, liegen große Flusskreuzfahrtschiffe, zum Teil mit laut röhrendem Motor, vor Anker. Nicht nur das, vor einigen dieser Schiffe stehen ganze Flotten von Bussen, ebenfalls mit laufendem Motor, die darauf warten, ihre Fahrgäste durch Porto zu karren.

h04

Nicht so das, was wir von der Brücke aus angeplant hatten, eine Planänderung muss her. Portweinprobe bei Ferreira, das wärs doch. Leider haben wir das zu spät geplant und stehen um 18:04 vor den um 18:00 geschlossenen Kellern. Hmmm, ein paar Straßenzüge weiter landen wir in einem kleinen Laden, der eine Probe durch die Erzeugnisse verschiedener Hersteller anbietet, zu sehr vernünftigen Preisen. Wir nehmen das „Portwine beginners tasting“, fünf sehr verschiedene Weine. „Eine oder zwei?“, fragt die Dame am Tresen und Monsieur setzt sich durch. Er würde ja fast alles mit mir teilen – und das gerne – aber seine Weinprobe, nein. Es wird dann mehr Portwein, als ich bis dato in meinem ganzen Leben getrunken habe. Neben uns sitzt links ein Paar aus Boston „My wife has German origins, you know“ und rechts eins aus Australien, das in zwei Wochen von Genf aus um den Mont Blanc wandern will. Jeder mit seinen fünf Gläsern Portwein. Es ist eine sehr lustige Probe und es reicht die Zeit knapp, damit wir noch die letzte Seilbahn hoch zur Brücke bekommen und dann die Metro Richtung Hotel nehmen können. Monsieur sucht ein Restaurant in der Nähe, aber während er sich noch orientiert, fällt mir ein kleines Lokal auf, bonjardim im Namen. Wir betreten es, so eine Idee im Hinterkopf von kleinem Innenhof mit Gärtchen, wo man sitzen, essen und der Nacht dabei zusehen kann, wie sie über die Dächer Portos klettert. Die Bedienung lacht, nein, Garten hätten sie nicht, das Viertel hieße so. Ob wir trotzdem… Ja, wir wollen trotzdem und steigen die Treppe hoch zu einem winzigen Raum.

Und dann fackeln sie Monsieurs Vorspeise ab. Aber das war – zumindest vom Koch – so geplant.

h06.jpg