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Mit dem Kopf durch die Wand…

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..geht auch bei „Königs“ nicht gut…

Amboise ist vielleicht nicht das schönste oder das beeindruckendste der Loire – Schlösser, obwohl es da sicher auch in den oberen Rängen liegt, aber es ist für mich das menschlichste. Das, was man heute sieht, einen Teil der Mauern, einen Teil der Türme und das königliche Logis ist nur ein Bruchteil der ursprünglichen Anlage. Amboise war lange Zeit das Schloss, an dem der König Hof hielt, Symbol seiner Größe und Macht. Und in diesem riesigen großen Schloss gibt es ab Ende 1400 zwei Kinder, die König und Königin spielen. Die Bilder der beiden, Charles VIII und Anne von Bretagne, im Thronsaal zeigen sie jedenfalls mit kindlich weichen Gesichtern. Dabei hatten sie da, kaum 13, 14 Jahre alt, schon einiges hinter sich gebracht. Anne zum Beispiel hatte miterlebt, dass ihr Vater sich für die falsche Seite entschieden hat und stand plötzlich als Herzogin der Bretagne da. Sie wurde zu ihrem eigenen Schutz mit dem deutschen Kaiser Maximilian verheiratet, der aber einen Abgesandten schickte, der sich in voller Ritterrüstung zur Braut ins Bett legte. Nun ja, die Franzosen werden sich sicher gewundert haben: Deutsche und Erotik… Charles seinerseits war zwar im stolzen Alter von 14 Jahren mit der dreijährigen Tochter eben dieses Kaisers verheiratet, wollte aber Anne haben. Die Frau seines Schwiegervaters wurde dann seine eigene und er somit sein eigener – ach, das ist mir jetzt zu kompliziert.

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Im Thronsaal wird die Verbindung der Beiden durch die Wappen Frankreichs und der Bretagne auf den Säulen und den Kaminen gefeiert. Politisch das Symbol der Einverleibung der bis dahin unabhängigen Bretagne. Ich sehe es lieber romantisch als Ausdruck der Liebe der zwei Königskinder. Ob sie glücklich waren, weiß ich nicht. Anne gebar Charles sechs Kinder, die alle kurz nach der Geburt starben. Und wurde sehr jung Witwe, als ihr Mann, der König, einen Türsturz übersah und so heftig mit dem Kopf gegen die Mauer rannte, dass er kurz darauf verstarb.

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Am Sonntag lag das Schloss jedoch von solchen Geschichten unbeschwert im Sonnenschein. Auf dem riesigen Innenhof wurde die Bestuhlung für ein Festival italienischer Musik aufgebaut und zur Einstimmung liefen Maskierte aus Venedig durch die alte Anlage. Ihre üppigen Kostüme passten so gar nicht zum Stil des Schlosses, aber noch anachronistischer wurde es, als eine venezianische Hofdame plötzlich ihr Handy aus dem Retikül zog und ein Selfie schoss.

Pferdewechsel

 

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Ein Abendessen in Frankreich ist ja nicht nur Nahrungsaufnahme, das ist so etwas wie ein Zelebrieren des Genießens. Unser erster Abend war jedenfalls so. Zum Apéro erschienen drei kleine Köstlichkeiten zum Naschen. Kaum hatten wir bestellt, kam ein Gruß aus der Küche. Nach dem Käsegang stimmte ein „Pre-Dessert“ auf den Nachtisch ein und zum Kaffee wurde ein Servierwagen vorgefahren, auf dem allerlei Kleinigkeiten standen, um den Kaffee zu versüßen. Die einzelnen Gänge waren hervorragend und wir wären eigentlich wunschlos glücklich gewesen, wenn… Wenn da nicht das Geschirr des Hauptganges gewesen wäre. Mein 72 Stunden lang konfiertes Lamm kam in einer Tonschale, die wie ein Napf wirkte. Das Lamm war köstlich, saftig, zart, hervorragend gewürzt. Die Schale, der Napf, war exquisit, handgetöpfert, dünnwandig und in einem traumhaften blaugrünen Celadon. Jeder Sammler hätte sich diese Schale sofort in seine Vitrine gestellt. Nur zusammen, zum Lamm, da ging das gar nicht. Ein großer Teil des Genusses beim Essen besteht doch in der schönen Präsentation der Gerichte. Der alte Spruch vom Auge, das mitisst. Und hier lag mein Lämmlein auf seinen Begleitgemüsen wie der Nachschlag aus der Gulaschkanone.

Das ist jetzt gewiss Jammern auf hohem Niveau, aber wir fanden das störend. Viel störender aber war ein ganz praktischer Aspekt: durch die hohen Wände der Schale wurde das Hantieren mit Messer und Gabel sehr behindert.

Das alles führte dazu, dass wir am zweiten Abend anderswo essen wollten. Ausgesucht hatten wir das Cheval Blanc im Nachbarort. Ein Telefonanruf und die Reservation stand. Aber kurze Zeit darauf, wir wollten uns gerade auf den Weg zu unserem ersten Schloss machen, rief uns das weiße Pferd an und bedauerte, dass es heute Abend eine so große Gruppe doch nicht bewirten könnte. Was nun? Die Hotelrezeption wusste Rat: im Nachbarort auf der anderen Seite gäbe es ein rotes Pferd, vielleicht könnte das uns ja unterbringen. Und siehe da, das rote Pferdchen kann und will.

Am Abend sitzen wir in einem anheimelnden Raum mit niedriger Decke und mächtigen Deckenbalken. Mit dem Apéro kommen verschiedene Kleinigkeiten. Die Vorspeise, bei mir salzige Windbeutel mit Flusskrebsen und Jakobsmuscheln, ist exquisit, die Hauptspeise zergeht auf der Zunge. Und als wir uns nach einem himmlischen Dessert zurücklehnen, sind wir uns alle einig: Wir haben auf’s richtige Pferd gesetzt.

Das Wende-Château

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Château Chaumont ist so etwas wie ein Vexierbild, ein Wende-Château. Schaut man von der einen Seite – außen -, so ist es das Bild einer mittelalterlichen Burg: Türme, Zinnen, Zugbrücke, Fallgitter. Schaut man von der anderen Seite – innen -, sieht man die heitere Fassade eines Renaissance-Schlosses. Genauso wechselhaft ist seine Geschichte. Die Besitzer kamen und gingen, einer illustrer als der andere. Obwohl hier politisch korrekt gesagt werden müsste: eine illustrer als die andere. Katharina von Medici und ihre ewige Rivalin Diane von Poitiers gehörten dazu, Madame de Stael ebenso. Als quadratischer Militärkomplex gebaut, wurde im 18. Jahrhundert dann der loireseits gelegene Burgturm und -flügel abgerissen. Was nutzt einem ein Château an der Loire, wenn man noch nicht mal abends im Burghof sitzen und den Blick genießen kann?

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Ende des 19. Jahrhunderts gelangte das Schloss wieder in weibliche Hände. Eine reiche Zuckererbin schenkte es sich zum 17. Geburtstag. Und weil man zum Schlossleben einen Prinzen braucht, schenkte sie sich den gleich dazu. Prinz und Prinzessin gingen daran, das Schloss zu seiner mittelalterlichen Größe zu restaurieren. Oder vielmehr zu dem, was sich eine junge reiche Erbin unter Mittelalter vorstellte. Die rauschende Feste, die sie dann gaben, müssen legendär gewesen sein. Der Prinz hatte neben seiner Frau noch eine weitere Passion: die Pferde. So ließ er auf dem Gelände vor dem Schloss einen Modellhof bauen mit Luxusstallungen für seine Rösser: schöner Wohnen für Pferde. Wobei man auch dort deutlich sieht, dass manche gleicher sind als andere: die Kutschpferde standen angebunden in schmalen Boxen, die Vollblüter des Prinzen bewegten sich frei in geräumigen Einzelboxen. Besonders niedlich waren die Boxen für die Ponies der prinzlichen Kinder. Über 20 Bedienstete kümmerten sich allein um das Wohl der Pferde.

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Irgendwann um diese Zeit las der Prinz einen Artikel eines Herrn Pasteur, der gerade herausgefunden hatte, dass es widerliche kleine fiese Krabbeldinger gab, die uns alle krank machen können. Die Angst vor Keimen wurde zur Obsession beim Prinzen, was Frankreich ein bis dahin unbekanntes Bauwerk und mir ein neues Wort bescherte: pédiluve. Dieses Fußbad für Tiere war eine große gemauerte Mulde mit sanfter Neigung, in der Mitte mit Wasser gefüllt. Und jede Kutsche, ob einheimisch oder Besucher, musste erst durch dieses Bad fahren, bevor sie im Château vorfahren durfte. Tragischerweise starb der Prinz kurz nach Fertigstellung seiner Stallungen – an einer Infektion.

Bei unserem ersten Besuch vor langen Jahren war dieses Pédiluve einer der Höhepunkte der Schlossbesichtigung. In regelmäßigen Abständen fuhren vierspännige Kutschen, bepackt mit aufgeregten Kindern, durch das Wasserbecken. Die Pferde wieherten, das Wasser spritzte, die Kinder kreischten vor Vergnügen, die Zuschauer lachten und klatschten – ein formidables Spektakel. Das heute leider nicht mehr aufgeführt wird, weil die Schlossverwaltung die Pferde abgeschafft hat.

Irgendwann konnte die Zuckererbin das Schloss dann nicht mehr halten und der französische Staat übernahm es. Heute ist Chaumont Museum, Kunstausstellung und Gartenschau in einem. Die Gartenschau allein ist schon ein Tagesprogramm. Die diesjährige Kunstausstellung war in sehr speziellen Räumen eingerichtet und führte für uns zu ganz besonderen Entdeckungen. Man hatte Objekte in den nicht restaurierten Besucherzimmern installiert. Und dann brachte  der Rundgang uns zu den Dienstbotenkammern unter dem Dach, wo inmitten (zufällig zurück gelassenen oder sorgfältig inszenierten?) Gerümpels Glasobjekte ausgestellt wurden. Dieses Gefühl, auf einem alten Schlossdachboden herumzustöbern, war herrlich. Allerdings zeigte es mir auch ganz schnell, dass ich in dem Gewirr von Zimmern, Fluren und Treppenstiegen sicherlich verloren gewesen wäre, egal ob als Gast oder Kammerzofe. Ich hätte mich bestimmt hoffnungslos verlaufen, gleich ob es nun auf dem Weg zum Speisesaal oder zur Wäschekammer gewesen wäre.

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Kachelöfen für den Salamander

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Unser erstes Haus in Frankreich war ein altes Bauernhaus mit Hof und Garten. Es war mein erster Garten und ich wurde zur begeisterten Leserin französischer Gartenzeitschriften. Wobei mir schnell auffiel, dass Frankreich in verschiedene Klimazonen zerfiel. Zog man auf der Höhe von Paris eine Linie quer durchs Land, begann nördlich davon der Permafrost. Glaubte man diesen Zeitschriften, war es dort unmöglich Tomaten zum Reifen und schwierig Blumen zum Blühen zu bekommen. Von den großartigen Landschaftsgärten und Parks im Norden und Nordosten Deutschlands hatten sie anscheinend noch nichts gehört.

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Aus diesem eisigkalten Nordosten kam 1748 Moritz von Sachsen nach Chambord. Er hatte das Schloss als Geschenk vom französischen König erhalten. Schloss Chambord war zu diesem Zeitpunkt so etwas wie eine alte herunter gewirtschaftete Familienkarre. Diese Karre steht irgendwo im Hof herum und rostet vor sich hin. Keiner mag sie, keiner will sie, keiner benutzt sie, aber zum Verschrotten ist sie dann doch zu schade. Ab und an nimmt sich einer aus der Familie die alte Karre vor und beginnt sie mit viel Elan und Ausdauer zu reparieren und aufzupolieren. Irgendwann gibt er enttäuscht auf. Nicht ohne eine Menge Geld in dieses Projekt versenkt zu haben.

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Moritz erfüllte zwei der drei Aspekte: er übernahm Chambord und er steckte eine Menge Geld und Ideen in das Schloss. Was er bei seiner Ankunft vorfand, war ein inzwischen schon 200 Jahre alter Bau, der aber nie richtig fertig gestellt worden war. Der großartige Donjon mit seinen vier Türmen sollte die Macht und Stärke Frankreichs demonstrieren, Komfort kam in diesen Überlegungen nicht vor. Moritz schien da andere Ansprüche zu haben. Er ließ erst einmal die hohen zugigen Hallen mit ihren eiskalten Steinböden durch Holzverkleidungen und Parkett wohnlicher machen. Und brachte dann als Nonplusultra der damaligen Heiztechnik Kachelöfen aus seiner deutschen Heimat an die Loire. Die offenen Kamine, deren Feuer an Wärme kaum gegen die durch die Schlote hereinströmenden kalten Winde ankamen, wurden zugemauert. Mit Hilfe der neuen Technik gelang es zum ersten Mal, so etwas wie Wohnkomfort nach Chambord zu bringen.

Zum dritten Aspekt, dem enttäuschten Aufgeben, kam Moritz nicht mehr. Er starb kurz nach der Einführung seiner Neuerungen.

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Moritz war nur einer unter vielen Bau – oder Umbauherren. Franz I hatte es als prunkvolles Zeichen seiner Macht geplant, sein Wappentier, der Salamander, und seine Initialen verzieren die prachtvollen, aus Stein gehauenen Deckenkassetten. Dennoch hat der König dort nie gewohnt, es „verkam“  schon zu Lebzeiten des Königs zum Jagdschloss. Das Schloss stand die meiste Zeit leer, nur wenige Tage seiner Regierungszeit verbrachte der König hier. Dann wurde von seinem Tross das gesamte Mobiliar angeschleppt und das Schloss für ein, zwei Tage eingerichtet. Franz blieb nie länger als drei Tage in Chambord. Auch die Nachfolger fühlten sich nie wirklich heimisch und zuhause, was wohl darin liegen mag, dass das Schloss im Winter ein Eishaus und im Sommer umgeben von der Brutstätte von Millionen Stechmücken war. Moritz ließ auch da etwas unternehmen mit der Trockenlegung der Sümpfe. Nutzte ihm aber leider gar nichts, da er an einem Fieber dort starb.

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Die Revolution hat dann das bisschen Wohnlichkeit, das vorhanden war, wieder heraus- und abgerissen. Auch Napoleon wusste nicht so recht, was damit anfangen und verschenkte das Schloss.

 

Chambord steht also inmitten seiner Parks, am Ufer eines Flusses, der für seinen Bau umgelegt wurde. Seine prächtige Fassade, die wundervolle Treppe, die mächtigen Türme, die wunderschönen Dachaufbauten sind beeindruckend – und trotzdem. Und trotzdem macht das ganze Schloss einen etwas verlorenen Eindruck, wie es so da steht.

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Wahrscheinlich, weil keiner seiner Besitzer es je so richtig lieb gehabt hat. Armes Chambord

 

Mille millions de mille sabords de tonnerre de Brest!

 

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Zugegeben, es war nicht leicht das Konzept zu verkaufen. Etliche Kilometer zu einem Schloss zu fahren, um es eben nicht zu besichtigen. Aber Cheverny ist eines von diesen Schlössern, die mich erst unruhig und dann ärgerlich machen. Ein Schloss, das man nach seinem Besuch verlässt mit dem Gefühl, ärgerlich viel Zeit und Geld verschwendet zu haben. Das elegant-symmetrische Renaissanceschloss wurde Ende des 19. Jahrhunderts im dekadent verschwenderischen Stil der Epoche neu eingerichtet: viel Plüsch, viel Samt, Goldtrotteln und schwere dunkle Möbel. Schwere dunkle Möbel, Tische, Anrichten, Kredenzen, auf denen wiederum schwere silberne oder kristallne Hinstellerchen und Abstauberchen stehen. Und man geht von Salon zu Salon, von Boudoir zu Boudoir und durch die Schlafgemächer und irgendwann sieht man ihn dann vor sich, den Schlossherren. Makellos gekleidet lässt er sich seufzend auf eine der Chaiselongues fallen, ein Domestike reicht ihm ein Kristallglas mit teurem Cognac, ein anderer füllt die silberne Zigarettenspitze, reicht sie an, um dann geflissentlich mit dem silbernen Feuerzeug Feuer zu geben. Melancholisch lässt der Herr des Hauses sein brillantinebeglänztes Haupt gegen die Polster sinken und gibt sich ganz seinem „mal du siècle“, seinem „ennui“ hin und sinnt darüber nach wie schrecklich hart sein Leben doch ist. Nein, nein, ich habe keine Feindbilder.

Wie gesagt, eine Besichtigung des Schlossinneren  haben wir uns geschenkt. Eine Besichtigung von Außen wollte man uns an der Kasse nicht erlauben. Da waren sie eigen und knallhart: alles oder nichts.

Also sind wir zurückgefahren zu jener Stelle, wo der Höhepunkt französischer Straßenplanung, der allgegenwärtige Kreisel, auf die Prachtallee zum Schloss traf. Dass die Allee durch ein prunkvolles Tor versperrt war, konnten wir durchaus verstehen. Dass dieses Tor mit schwarzem Lochblech sozusagen blickdicht gemacht worden war, fand ich kleinlich und engherzig. Monsieur fand natürlich einen Weg das Schloss zu fotografieren, aber es war mühsam.

Wenn Ihr also mehr Bilder von Cheverny wollt, müsst Ihr das Internt fragen. Oder noch besser: ihr kramt Eure alten Tim und Struppi Hefte hervor und schaut Euch mal Käptn Haddocks Schloss Mühlenhof an. Cheverny stand dafür Pate, mille millions de mille sabords de tonnerre de Brest!

 

 

 

Nachtleben in Chenonceau

Es brummt, das Nachtleben in Chenonceau. Es summt, sirrt, schwebt, fliegt…

Wir hatten sehr gut gegessen in unserem Hotel in Chenonceau und wollten nun das Nachtleben erkunden. Ein kleiner Spaziergang zum Schloss bot sich da an. Sofort schlossen sich uns Hunderte von Stechmücken an, die auch gerne gut essen wollten – deutsch. So war unser kleiner Ausflug begleitet von jenen klatschenden Geräuschen, die eine Begegnung Mensch – Moskito oft kennzeichnen.

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Schloss Chenonceau spannt sich als Brücke über den Cher. Davor steht ein abwehrender Donjon, das ganze umgeben von weitläufigen Gärten. Wir standen also in Mückenwolken vor einem hohen schmiedeeisernen Tor, das uns den Zugang zu den Gärten verwehrte. Das Tor sah wirklich formidabel aus, groß, hoch, abwehrend. Doch die Eisenspitzen, die rechts und links davon den Zugang über den Burggraben verwehrten, hatten eher etwas von Herausforderung als von Abschreckung. Während wir noch kontemplierten, ob und wie man über diese Gitter klettern könnte, sollte, dürfte, öffnete sich in einem Nebengebäude eine Tür und ein Wachmann trat heraus. Mit viel Charme und Überzeugungskunst erzählten wir ihm fast wahrheitsgetreu, dass wir für heute Abend eine nächtliche Privatführung reserviert hätten und nun darauf warteten, dass er uns das Tor dazu öffne. Mit genau so viel Charme und Überzeugungskunst versicherte er uns, dass heute Nacht alle Privatführungen abgesagt worden seien und wir bitte morgen zu den regulären Öffnungszeiten wiederkommen sollten.

Das war es dann wohl mit dem Nachtleben in Chenonceau. Wir nahmen unsere Mücken und gingen zurück ins Hotel.

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Dafür machten wir später, am Sonntag, im Hellen einen weiteren Versuch. Aber nicht an unserem Wachmann vorbei, nein. Wir fuhren auf die andere Seite und liefen durch den Wald am Ufer des Chers entlang bis zum Schloss. Auf der „offiziellen“ Seite drängten sich die Touristen zu Hunderten in den Rosengärten, wir waren mutterseelenallein auf unserem Ufer – noch nicht einmal Stechmücken waren da. Eine kleine halb zerfallene Brücke führte vom Ufer zum abweisenden Ende des Schlosses, Zutritt natürlich strengstens verboten. Und in meinem Kopf entstanden sofort Mantel- und Degen- Komplotte im Stile eines Dumas.

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Schlösser „nur mal schnell“ von außen zu besichtigen ist eine tolle Sache. Klappt allerdings am besten mit Schlössern, deren Innenleben man schon kennt.

Schönes Eigenheim mit gepflegtem Garten…

… so könnte man es umschreiben. Vielleicht mit dem Zusatz: für den Hausherren mit dem etwas größeren Ego.

Dabei war Chambord eigentlich „nur“ ein Jagdschloss, also so etwas wie eine Datsche oder die Gartenlaube – nur halt etwas größer konzipiert.

Als wir zum ersten Mal Chambord besucht haben, war das an einem scheußlich nebligen Januartag. Kälte und Feuchtigkeit lagen schwer in den Räumen, es gab kaum Touristen und die Angestellten und Führer im Schloss drängten sich um ein Feuer, das sie in einem der großen Kamine entfacht hatten. Nur widerstrebend löste sich eine Führerin, um uns durch das eisige Gemäuer zu führen. Und wir konnten so richtig schön nachvollziehen, wie ganz und gar unromantisch das höfische Schlossleben in dieser kalten, zugigen Bude gewesen sein musste. Und beim Gedanke daran, dass selbst der Herr König sich seinen königlichen Derrière abgefroren haben musste, konnte man sich eine gewisse Schadenfreude nicht verkneifen.

Unser nächster Besuch war dann in einem Sommermonat. Allerdings feierte ein hoher Politiker die Hochzeit seiner Tochter, deshalb waren große Teile des Parks und des Schlosses für das Publikum gesperrt. Wir, die Plebs, konnten zwar staunend beim Aufmarsch der berittenen Garde zusehen, fühlten uns aber insgeheim wohl ähnlich wie die Bauern im Absolutismus: nur von der Ferne durfte man bewundern, welch prunkvolles Leben die hohen Herrschaften sich mit den vom Volk mühsam erwirtschafteten Steuergroschen leisteten.

Das sind zwei Erinnerungen, die ich an Chambord habe, eingebettet in einer Menge anderer schöner Bilder: die schier unglaubliche Dachlandschaft des Schlosses mit den unzähligen Kaminschloten, die Terrasse unseres Hotels, direkt an der Loire, der kühle Sancerre, der die Weingläser beschlagen ließ.

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Heute geht es wieder auf ins Tal der Loire, unsere diesjährige „Burgundfahrt“ mit Freunden.

Und ich bin schon sehr gespannt auf die Bilder, die wir diesmal mitbringen werden.