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Ça va durer

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Genf ist eine mittelgroße Stadt mit vielen internationalen Organisationen. Der Genfer Flughafen ist recht klein und überschaubar. Weshalb wir gar nicht erst auf die Idee kommen, dass etwas nicht stimmen kann, als uns der von Antalya vorbestellte Taxifahrer am internationalen Terminal von Dalaman absetzt. Erst als wir unseren Inlandsflug nach Istanbul nicht finden können auf den Auskunftstafeln, werden wir etwas nervös. Es stellt sich heraus, das Dalaman über einen internationalen und einen nationalen Flughafen verfügt. Wir stehen natürlich im falschen und genauso natürlich ist das Taxi längst weg. Es ist uns nicht ganz klar, ob das ein letzter Abschiedsgruß vom Inkompetenzteam Antalya ist oder ob der Taxifahrer – Ausländer-Charter- internationales Terminal – das ganz allein verbockt hat.

Wir bekommen das in den Griff, ebenso das Umsteigechaos in Istanbul und stehen dann fröstelnd vor dem Temperaturschock in Genf. Schlüssel ins Schloss, Heizung an und wenig später im mollig warmen Wohnzimmer oder – noch besser – in der Badewanne entspannen.

Da wird dann leider doch nichts draus – und diesmal ist es nicht Antalya schuld: die Heizung ist kaputt. Wir bauen ein Feuer im Kamin und werfen Plumeaus und Kopfkissen zum Anwärmen in den Wäschetrockner. Das sind Tricks, die man lernt, wenn man jahrelang in einem alten französischen Bauernhaus mit sehr erratischer Heizung gewohnt hat. Am nächsten Morgen kommt der Heizungsinstallateur, baut das Steuerelement aus und spricht den Satz, den wir über die nächsten Wochen fürchten lernen werden: „Faut commander. Ça va durer.“ Es dauert dann noch ein bisschen länger, weil sein Heizungsmonteur das neue Steuerelement beim Einbau so brutal verkantet, dass es einen Kurzschluss verursacht, der natürlich mit allen nachfolgenden Reparatur-Optionen – „Faut commander. Ça va durer.“ – nicht behoben wird. Wir stellen unser Leben um: Kurze Dusche mit eiskaltem Wasser – zum Haare waschen geht es in die diversen Badezimmer diverser Freunde, irgendwo gibt es Grenzen der Abhärtung -, in Bad und Küche kleine elektrische Heizöfchen, von Freunden zusammengeliehen und die Rückkehr der guten alten Wärmeflasche.  Nach sechs Wochen, es ist Anfang November und schon empfindlich kalt, ist dann Schluss. Wir haben genug von der Inkompetenz, schreiben einen unfreundlichen Brief und suchen uns einen neuen Installateur. Der schaut sich das Wrack unserer Heizung an, schlägt erst die Hände über dem Kopf zusammen und uns dann einen Rundumerneuerung vor, neue Heizung, Wassertank, Solarpaneele auf dem Dach und das ganze dank staatlicher Hilfen gar nicht mal so teuer. Wir unterschreiben, er schüttelt uns die Hand und meint dann: „Faut commander. Ça va durer.“

Warum ich Euch das erzähle: ich sitze im Warmen und Trocknen, das ist etwas Feines. Gut, es ist confinement, lockdown, Hausarrest oder wie auch immer wir das nennen mögen. Aber es könnte noch viel schlimmer sein. Glaubt mir!

Fethyie

 

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Fethyie ist eine angenehme Überraschung. Nun gut, wir hatten keine allzu großen Erwartungen, aber in dem Fall ist es ganz nett, mal nicht Recht zu haben. Der Ort ist charmant, das Boutique-Hotel am Yachthafen sehr angenehm, die Zimmer großzügig und mit Balkon auf Hafen und Meer. Eigentlich hätte uns das misstrauisch machen sollen, aber wir genießen erstmal den kleinen Ort. Die einen klettern hoch zu irgendwelchen alten Grabmälern in den Felswänden über Fethyie, die anderen genießen das Markttreiben.

Abends treffen wir uns wieder am Fischmarkt und suchen uns ein Lokal. Der Wirt kommt und erklärt uns, dass es keine Speisekarte gibt, dass das hier anders funktioniert. Wir gehen mit ihm zum Markt, dem Stand seines Freundes (ja, klar!), der der beste Fischhändler (ja, klar!) hier sei und würden uns da einen Fisch aussuchen. Seine Gegenwart würde garantieren, dass sein Freund uns nur den besten und frischesten Fisch (ja, klar!) anbieten würde. Den Fisch würde er uns dann sofort zubereiten. Eine Handvoll Meze vorher, Baklava als Nachtisch, das ganze zum besten Preis (ja, klar!) weit und breit. Das Ganze klingt so charmant, dass wir uns drauf einlassen und einen sehr netten Abend verbringen. Zwischendurch führt er immer mal andere Gäste zum Fischmarkt, kommt zurück, um zu plaudern, bringt dann noch einen Teller mit einer weiteren Vorspeise vorbei und erzählt von den Hochzeitsvorbereitungen für seine Schwester.

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Wir erleben Fethyie als so freundlich, dass der Schlag aus Antalya uns dann völlig unvorbereitet trifft. Um halb elf sollen wir uns am Hafen in einer Agentur treffen zum Boarden auf einer Gulet. Diese 3 Tage Segeln entlang der Mittelmeerküste sollen der Höhepunkt und Abschluss unserer Reise sein. Wir sind voller Vorfreude, als wir umpacken. Mit kleinem Gepäck hat man uns gesagt, quasi nur Badeanzug und Zahnbürste, der Rest bleibt im Hotel für unsere allerletzte Nacht vor dem Rückflug.

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Wir sind pünktlich in der Agentur am Hafen – und die einzigen. Unsere erste Idee – wir werden allein sein auf dem Schiff – wird schnell zerstört. Nein, sie hätten zu wenige Buchungen für ein anderes Schiff gehabt, so dass sie die anderen Gäste und „unser“ Schiff zusammengebucht hätten und so warten wir jetzt. Um 13 Uhr macht die Agentur für die Mittagspause zu und empfiehlt uns, uns irgendetwas zu essen zu suchen. Wir sind natürlich ziemlich angedingst, aber sämtliche Telefonate bringen kein anderes Resultat. Um halb drei trudeln acht weitere Passagiere ein und siehe da, auf ihren Unterlagen ist die Abfahrtzeit mit 14:30 angegeben. Wir sind ziemlich sauer. Das wird auch nicht besser, als sich unser „Segelschiff“ als alter Motorkahn herausstellt, der nach Diesel stinkt. Eine große Enttäuschung speziell für unseren Ältesten, der sich als passionierter Segler besonders gefreut hatte.

Nächste Enttäuschung ist die Route: wir tuckern nur kreuz und quer durch die Bucht von Fethyie, ganz nett, ja, aber nicht, was wir erwartet haben. Dass uns andere Schiffe unter Segeln begegnen, macht die Sache auch nicht besser.

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Natürlich sind wir sauer, enttäuscht und ziemlich wütend auf Antalya, das uns etwas Schönes versprochen hat und uns etwas Minderwertiges liefert. Das „minderwertig“ bezieht sich auf die versprochenen Leistungen, auf keinen Fall auf den Käptn und seine Crew. Die haben wahrscheinlich gar keine Ahnung, dass sie als eine oder in einer Mogelpackung verkauft wurden. Sie machen nur ihren Job. Und der ist – besonders bei der Crew – bewundernswert. Die Crew besteht nämlich aus einem 16jährigen Jungen – sozusagen das Mädchen, der Junge für alles – und der Frau des Käptns. Was diese Frau für uns zaubert, auf zwei Gaskochern, in einer engen, offenen Kombüse auf Deck, ist unglaublich. Mittags gibt es immer zwei vegetarische Gerichte zu Reis oder Couscous und abends legt der Käptn einen Grill in ein Eisengestell, das vorm Bug des Schiffes hängt. Da werden dann Fische oder Köfte gegrillt, vom Käptn persönlich, während sie sich um die Beilagen kümmert. Am langen Tisch auf Deck essen dann alle zusammen – bis auf das junge Paar, das auf Hochzeitsreise ist und sich immer sehr von allen anderen isoliert. Das ist sehr lustig und unterhaltsam und dauert bis weit in die Nacht.

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Geschlafen wird auch zusammen auf dem Deck, unter dem Sternenhimmel – teilweise. Denn auch der Käptn schläft auf der Bank in der offenen Kombüse. Und der schnarcht, dass sich die Planken biegen. Also ist mein nächtlicher Schlaf ein Kommen und Gehen. Dösen im Schnarchorkan auf Deck, bis es mir zu viel wird, dann hinunter in die Kajüte, bis mir der Dieselgestank zu viel wird, dann wieder hinauf… Zum Glück kann ich tagsüber im Schatten unterm Sonnensegel ein bisschen Schlaf nachholen. Ich bin nicht die einzige. Die ins Gesicht gezogenen Sonnenhüte der anderen sind ein ziemlich eindeutiges Indiz.

Wir wissen nicht, ob der Käptn Treibstoff sparen will oder uns ein Gefallen tun. Jedenfalls fahren wir nur wenig herum und ankern viel in türkisblauen Buchten, die zum Baden, Schnorcheln oder Wasserball spielen einladen. So vertrödeln, verträumen und verplanschen wir die drei Tage sehr erholsam.

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Zurück in Fethyie ziehen wir Eltern beim Schlüsselroulette die Niete. Die Kinder haben die Zimmer mit Balkon und Meerblick, wir sind in einem Seitenflügel untergebracht mit Blick auf die Mauern des Wirtschaftshofes. Die grauen Mauern genau gegenüber sind das eine, das andere, der penetrante „Frische-Geruch“, der den Trocknern entströmt, ist viel störender. Inzwischen sind wir aber abgehärtet, was Fehlbuchungen von Antalya aus angeht und sagen uns, dass wir das auch noch überstehen werden. Nur noch diese eine Nacht, dann empfängt uns unser eigenes Haus mit all seinen liebgewordenen Annehmlichkeiten.

Vorausgesetzt natürlich, dass Antalya das mit den Flügen nicht verbockt hat.

 

 

 

 

Ephesos

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Der Weg zum nächsten Hotel ist in den Reiseunterlagen detailliert beschrieben, zumindest ab Kirazli und das ist auch gut so, versteckt sich das Guesthouse doch mitten in der Pampa. Der Feldweg dorthin legt sich dauernd mit unserer Ölwanne an, aber trotz  eines sehr ominös-lauten Knirschers direkt an der Parkplatzeinfahrt bleibt das ohne Folgen. Nebenwirkung  – vielleicht – ist, dass wir abends nicht mehr ins Örtchen Kirazli fahren wollen, um nach einem Lokal Ausschau zu halten.

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Wir werden inmitten eines wunderschönen Geländes – mehrere Pools locken im Hintergrund – begrüßt von der holländischen Besitzerin, die uns herumführt, stolz erzählt, dass sie sich mit dem Bauernhaus und den neueren Guesthouses ihren Lebenstraum erfüllt habe. Dann wird es etwas seltsam. Sie bringt uns zu unseren sehr schönen Häusern und wir erfahren, Frühstück, ja – aber ab der 2. Tasse kostet der Kaffee extra. Pool, ja, aber das Handtuch kostet einen Euro pro Tag und Person. Das macht in unserem Fall sechs Euro und sechs sehr befremdlich-verwunderte Gäste. Aber nach einem langen heißen Tag ist uns das auch egal und wir genießen kurz darauf den wirklich schönen Garten mit seinen Pools und den verschiedenen, versteckten Liege- und Ruheplätzen.

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Abendessen gibt es für die große Gruppe von hauptsächlich holländischen Gästen, ein paar Franzosen und uns am langgestreckten Gemeinschaftstisch. Etwas verspätet kommen zwei Amerikaner hinzu. Setzen sich und sagen statt Begrüßung recht aggressiv: „Übrigens, wir sind schwul.“ Alle schauen auf, alle zucken mit dieser „Na und?“-Geste die Schultern, um darauf die Unterhaltung in verschiedensten Sprachen fortzusetzen, was die Amerikaner dann eher irritiert als erleichtert aussehen lässt. Das Essen ist übrigens köstlich, türkisch, zum Glück, nicht holländisch.

Ephesus, kennt man ja als Adressangabe diverser Briefe des Frauenhassers Paulus. Und natürlich als Sitz der berühmten Bibliothek. Oder des n-ten Weltwunders. Des Konzils oder, oder, oder… Weil ich keine Lust hatte, mich tiefer in die Geschichte der Stadt einzuarbeiten, buche ich uns einen Führer für die „Half-day-Ephesos-Tour“, der soll uns das bitte aufdröseln und näher bringen. Er nimmt das mit dem tiefer in die Geschichte eindringen anfangs etwas sehr wörtlich.

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Wir sitzen sicher eine halbe Stunde vor den Tonröhren, die die Wasser- und Abwasserversorgung der Stadt regelten und werden – hm, ja – tief in die Infrastruktur und Geschichte der Stadt Ephesos eingeführt. Eigentlich einer Stadt Ephesos, denn es ist Ephesos 4.0, das wir besichtigen. Ephesos 1.0 lag am Meer und wurde von Feinden zerstört. Ephesos 2.0 lag am Meer und wurde von Feinden zerstört. Ephesos 3.0 dito. Ephesos 4.0 – da hatten sie etwas dazu gelernt und Ephesos 4.0 weiter landeinwärts auf einem Hügel errichtet, über einem Fluss. Aber irgendwie hatten sie wieder Pech, jedenfalls liegen die Reste des antiken Hafens, den wir besichtigen, weit im Landesinneren und auf dem Trockenen.

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Ephesos im September ist sehr heiß und sehr überlaufen. Wir suchen uns jedes Mal einen Platz im Schatten, um den diversen Erklärungen unseres Führers zu lauschen, die vom elaborierten Bauschmuck der Bibliothek über die Gemeinschaftslatrinen bis hin zu den „Geschäftsanzeigen“ der freischaffenden Damen einen sehr weiten und informativen Bogen schlagen.

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Nur in die Terrassenhäuser, da will er uns nicht begleiten, da müssen wir ein extra Ticket lösen, da dürfte er nicht führen. Das ist aber auch nicht weiter schlimm. Das „Schöner Wohnen“ für die Oberschicht erklärt sich von selbst. Die Terrassenhäuser faszinieren uns lange und ausgiebig, was nicht nur an den exquisiten Mosaiken und Wandmalereien, sondern auch an der Klimaanlage liegt.

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Denn der Morgen ist sehr anstrengend, der weiße Marmor zu unseren Füßen reflektiert die Hitze, die Marmorwände des gleichen und irgendwann können wir nicht mehr die rechte Begeisterung für zerstörte Säulen aufbringen. Was vielleicht auch daran liegt, dass wir gestern viel Schönes in einsamer Umgebung haben erlaufen können. Und vorgestern in erstaunlicher Landschaft. Könnte sein, dass wir einfach ein bisschen übersättigt sind, was Ruinen im Allgemeinen und Säulen im Besonderen angeht.

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Das lässt uns dann auch den Versuch des Führers, uns für das sechste Weltwunder zu begeistern, mit müdem Lächeln abwinken. Ein Weltwunder, vom dem genau eine Säule noch steht, winzigklein-verloren auszumachen von Ephesos 4.0. Wir kommen aber trotzdem nicht um das Weltwunder herum, denn die Christen betrieben mal wieder ihre ganz eigene Art von Recycling mit dem Bau der Johanneskirche aus den Säulen und Steinen des Tempels.

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Wir hatten nämlich unserem Führer recht früh klar gemacht, dass wir weder an gefälschten Markenartikeln noch an mittelmäßigem Essen in mittelmäßigen Lokalen interessiert sind. So muss er jetzt noch etwas Zeit totschlagen und schlägt uns deshalb den Ausflug zur Kirche und der Festung darüber vor.

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Die Kirche ist rasch besichtigt, die Festung für ein nationales oder politisches Ereignis geschmückt und nicht geöffnet. Da schlägt er uns dann noch das „Haus der Mutter Maria“ vor. Aber da setzen wir uns durch. „Genuine Fake Watches“ ist ja eine Sache, aber mit dem Besuch einer Wallfahrtskirche aus dem ausgehenden 19. Jahrhundert einer vagen Idee zu huldigen, das ist wirklich zu viel. So lassen wir Wallfahrtskirche Wallfahrtskirche sein, setzen den Führer auf dem Rückweg zum Hotel in seinem Dorf ab und huldigen dann nur noch einem: dem süßen Nichtstun am Pool.

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Aphrodisias

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Es gibt Wege und Umwege. Und dann gibt es noch Abkürzungen. Der vernünftige Ansatz wäre gewesen auf der gut ausgebauten E87 bis Cumhuriet zu fahren und da auf die D585 abzubiegen, kurz darauf den großen Mäander zu kreuzen und in gut anderthalb Stunden in Aphrodisias zu sein. Das wäre ein Umweg, aber zeitlich sicher die beste Lösung gewesen. Nur ist da auf unserer Türkei-Karte eine Straße eingezeichnet, die schnurstracks durch die Berge läuft und viel kürzer ist. Unsere Türkei-Karte hat allerdings eine Menge Nullen in der Maßstab-eins-zu-Dingens-Angabe, aber Straße ist Straße und so entscheiden wir uns für die Abkürzung. Zwei Dinge hätten uns zum Nachdenken bringen können: zum einen hat die Straße keine Nummer und zum anderen wissen wir aus den Alpen, dass eine Bergstraße niemals „schnurstracks“ verläuft.

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Es folgen sehr lange, sehr lustige und landschaftlich wunderschöne Stunden auf einem winzigen Sträßchen, das sich in tausendundeins Kurven erst den Berg hoch und dann wieder hinab windet. Spärlich gestreute Wegweiser bestätigen uns auf dem richtigen Weg zu sein, auch wenn die Zahlen hinter der Zielangabe nur quälend langsam kleiner werden. Die Kinder beschäftigen sich – wie früher auf langen Reisen – damit, in den Baumwipfeln nach Elchnestern Ausschau zu halten. Elche nisten nämlich nur in den höchsten Baumspitzen und sie tarnen ihre Nester sehr gut, was das ausspähen schwierig macht. Es ist eine Familientradition, den jeweils anderen das nur von einem selbst erspähte Elchnest in allen Details, inklusive frisch geschlüpfter Elchküken mit Schaufel und allem, zu beschreiben.

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Wie gesagt, es dauert ein paar Stunden und viele Elchnester, bis wir in Geyre auf die D 585 stoßen, kurz vor Aphrodisias. Die Stadt war so etwas wie die Akademie der schönen Künste, eine Kunsthochschule, wo die begabtesten und tüchtigsten Bildhauer das Bildhauern lernten. Wir treffen erstmal auf ein paar begabte und geschäftstüchtige Bauern, die auf dem Parkplatz einen Traktor mit Anhänger und darauf fest geschraubten Bänken anbieten. Für einen kleinen Obulus fahren sie uns den – angeblich für Privatverkehr gesperrten – Kilometer zum Museum. Die Sperre stellt sich dann als quergestellter Traktor des Kollegen heraus, aber da sitzen wir schon auf den Bänken und tuckern dem Eingang entgegen. Der öffentliche, kostenlose Parkplatz direkt daneben ist verwaist.

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Aphrodisias hatte Glück und Pech gleichermaßen gehabt. Glück in seinen Sponsoren, die den Aufbau der Stadt und der Schule förderten. Pech in seiner Vernichtung ein paar Jahrhunderte später durch Kriege und Erdbeben. Glück für uns, dass es nicht wieder aufgebaut, aber auch, dass seine Reste nicht durch moderne Städte überbaut oder als Steinbruch für andere Bauten benutzt wurden.

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Das Gelände macht einen herrlich verschlafen-ungekämmten Eindruck. Gras wächst wild über die Ruinen, nur um die Hauptattraktionen herum ist ein bisschen frei gemäht. Die Anlage wird noch immer ausgegraben und rekonstruiert, was zu schönen Einblicken in das harte Leben der Archäologen führt.

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Aber auch der Steinmetze. Die fein säuberlich zum späteren Wiederaufbau gestapelten Friese sind dann doch etwas repetitiv, wahrscheinlich mussten die Bildhauer-Lehrlinge erst da durch, bevor sie an die schwarzen Marmorpferde durften.

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Wir strolchen durch die riesige Anlage, fast ganz allein. Fragen uns an manchen Stellen, ob das der Spielplatz der Steinmetze oder ein zukünftiges Puzzle für Archäologen ist, staunen über die schiere Größe des Stadiums und freuen uns über die Klimaanlage im Museumg07

Ein Museumscafé gibt es natürlich auch, im Schatten von Granatapfelbäumen, wo große Kunst und kleine Katzen gut zusammenleben…

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Pamukkale und die Superlative

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Pamukkale – was hatten wir nicht alles gehört, gelesen und gesehen dazu.

Meine Eltern z.B. waren Anfang der 70er mit ihrem Wohnmobil hier, schwärmten von den Sinterterrassen in reinem Weiß, der Magie des Ortes. Ja, Touristen hätte es auch damals schon scharenweise gegeben, aber wenn man ein paar Kilometer weiter, in einen Nachbarort gefahren wäre, da hätte es Ähnliches gegeben, völlig unberührt und naturbelassen. Zwar nicht ganz so groß wie Pamukkale und mit rotbraunen Eisenablagerungen statt in Reinweiß – aber eben nicht überlaufen.

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Andere Freunde, die Ende der 90er den Ort besuchten, erzählten, wie schockiert und angewidert sie waren. In die römischen Anlagen, neben die großen Sinterterrassen hätte man riesige Hotelkomplexe gesetzt. Als Zufahrt dazu vom Ort hoch eine Straße durch die versteinerten Wasserfälle geschlagen, rechts und links gesäumt von achtlos in die Becken geworfenem Abfall. Die weißen Terrassen waren zertreten und grau verdreckt, eine Schilderung, die nicht wirklich Lust macht auf einen Besuch.

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Zum Glück hatten wir gelesen, dass die türkische Regierung irgendwann die Notbremse gezogen und die ganzen Schandtaten zurückgebaut hat. Die Hotels sind verschwunden und es gibt nur noch ein so genanntes Kleopatra-Bad für die, denen Waten in den Becken nicht genug Badefreuden bietet. Die Straße wurde nicht zurückgebaut, über sie wurden die Wasser der heißen Quellen geleitet. Sie ist jetzt ein reinweißes Band, auf dem man vom Ort nach oben zu den römischen Ruinen steigen kann. Und dann ist da noch diese Postkarte, die die Mädels in Göreme gesehen haben. Genau da wollen sie hin, genau das fotografieren: genau dieses Dach, genau dieses Grabmal, genau so halb verschüttet im Sinterstrom und bitte schön auch noch den blühenden Oleander davor.

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Wir kommen also mit einer Menge Bilder im Kopf nach Pamukkale und treffen dort die Superlative. Das schrecklichste Hotel, den unfreundlichsten Hotelier, die grausigste Nacht der Reise. Das Hotel liegt direkt gegenüber den Terrassen und hat selber eine Dachterrasse. Klingt alles doch ganz nett, bis wir die Zimmer sehen. Im Erdgeschoss, direkt hinter den Straßenbars und Souvenirbuden, die genau vor den – vergitterten (!) – Fenstern stehen. Dunkel, muffig und infernalische Duddelmusik bis spät in die Nacht. Das Hotel scheint leer, wir sind für zwei Nächte hier, wir verhandeln. Der Hotelier wird zunehmend pampiger, behauptet, dass ab morgen ganze Busladungen die besseren Zimmer reserviert hätten. Schließlich rufen wir Antalya an und werden immerhin einen Stock höher einquartiert, ein bisschen weiter weg vom Musikterror. Aber die Stimmung ist hin. Wir möchten zum Abend auf die Dachterrasse, das wird uns zugestanden, Getränke dort hoch zu bringen jedoch schlichtweg abgelehnt.

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Zur Strafe beschließen wir unser Geld woanders auszugeben und machen uns auf die Suche nach einem Restaurant. Es folgen ein paar weitere Superlative in Richtung Touristennepp-Essen und ein paar sehr seltsame Erfahrungen. Wir finden so etwas wie das koreanische Viertel. Straßen mit einer koreanischen Bar neben der anderen. Name, Schriftzüge, Speisekarte – alles koreanisch. Als wir neugierig vor einer Tür stehen bleiben, wird uns angedeutet, dass wir hier nicht erwünscht sind.

Nach der – wie schon erwähnt – grausigsten Nacht der Reise, das Frühstück hätte auch einen Superlativ in diese Richtung verdient, profitieren wir zumindest von der zentralen Lage des Hotels. Der Zugang zu den Terrassen, fast genau gegenüber, macht kurz nach acht Uhr auf und wir stehen parat, wohl wissend, dass wir etwa anderthalb Stunden haben, bevor die großen Reisebusse die Tagestouristen aus den Bettenburgen der Küste am oberen Ende der Rampe ausspucken.

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Eintritt bezahlen, Schuhe ausziehen, Hosenbeine hochkrempeln und los geht es. Das ist dann der Moment, wo uns die Superlative ausgehen, so besonders und einzigartig ist es. Wir kennen die Mammoth Hot Springs im Yellowstone Park, das war schauen und staunen, hier können wir die Sinterterrassen erlaufen und erleben.

Das warme Wasser um die Füße tut das seine, um eine angenehm entspannte Stimmung zu schaffen. Es werden alle Familienmitglieder, knöchel- bis knietief im milchig-türkisblauen Wasser abgelichtet, nebeneinander, miteinander, durcheinander.

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So etwas dauert seine Zeit und es wird zunehmend voller, je länger wir in den Becken herumtrödeln, aber es ist trotz allem wunderschön und außergewöhnlich. Deshalb kommt der Anblick auf dem Plateau ein bisschen als Schock. Ich weiß, Body shaming ist etwas ganz Schlimmes und ein absolutes No Go. Deshalb sage ich jetzt lieber nichts zu den Massen, die zum Teil schon in Badeanzug bzw. -hose aus den Bussen quellen.

 

Das Museum bringt mich dazu die Schuhe anzuziehen, der Marmorboden ist zu kalt und rutschig. Danach tut es gut, wieder in die Sonne zu kommen. Wir schlagen uns zwischen den laut im Wasser Tollenden zur römischen Stadt durch. Hier ist es sehr viel ruhiger und leerer, aber auch deutlich anstrengender in der Mittagshitze. Nachdem die heißen Quellen einen Teil der Stadt unter dicke Kalkschichten gelegt hatten, haben sie wieder ihren Lauf verändert und sind abgezogen. Weshalb es hier oben nicht die Möglichkeit gibt, mal schnell die Füße ins Wasser zu stecken. Dafür gibt es natürlich jede Menge verwunschene Ecken und alle Superlative sprengende Fotomotive. Die Mädels finden tatsächlich ihr Mausoleum. Selbst der Oleander spielt mit.

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Ich weiß nicht, wie wir nach diesem sehr schönen, aber auch sehr anstrengenden Tag noch die Kraft finden für einen Ausflug. Wahrscheinlich wollten wir dem schrecklichen Hotel entkommen. Jedenfalls machen wir uns auf die Suche nach dem von meinen Eltern als völlig unberührt und naturbelassen geschilderten Nachbarort. Was wir finden, sprengt selbst die Superlative für Pamukkale in den 90ern. Es ist so trist und deprimierend, dass ich nicht ein einziges Foto in unseren Ordnern finde.

Dafür gelingen uns auf dem Rückweg ein paar schöne Sonnuntergangsfotos, die auch das Rätsel der weißen Terrassen lösen: in regelmäßigen Abständen wird das Wasser gezielt über einzelne Bereiche der Terrassen geleitet und dadurch eine neue Schicht glitzerndweißer Kristalle über die Spuren der Touristenfüße gelegt.

Zum Abschluss gibt es noch einen letzten Superlativ: das wohl müdeste Kamel Pamukkales.

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Das Zauberwort

 

i08Das Zauberwort heißt „Seidenstraße“. Damit kann man mich zu beliebigen Umwegen motivieren. Nein, das ist nicht ganz richtig ausgedrückt. Schon der gemurmelte Hinweis „Seidenstraße“ bringt mich dazu, andere beliebige Umwege fahren zu lassen. So auch heute.

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Ein letztes Frühstück auf der Terrasse in Ortahisar, wo der Jüngste dann beim Check-out die akribisch geführte Liste unsere Getränke vorlegt, mit Datum und Uhrzeit, sehr Deutsch halt. Der Manager lacht hell auf und meint, so etwas hätte er noch nie gesehen, streicht dann alle Softdrinks und lässt uns nur den Wein bezahlen.

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Unser Ziel heute ist Egidir, wo Antalya uns in ein Hotel am See gebucht hat. Auf der Buchungsbestätigung steht zwar Hostel, aber das ist bestimmt ein Tippfehler.

Vor uns liegen über 440 Kilometer durch Anatolien in einem Bus, dem wir immer noch nicht ganz trauen. Das lässt uns ein bisschen vorsichtig sein, was Abstecher zu: „Da könnten wir doch …“ angeht. Çatalhöyük fällt dem zum Opfer, zum Leidwesen unserer Historikerin, zu weit abseits. Aber die Sultanhani-Karawanserei liegt auf der Strecke und da raumt es schon wieder in mein Ohr „Seidenstraße“.

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Manchmal stelle ich mir eine Geschichtsschreibung vor, die nicht darauf beruht, wann welcher König welchem Kollegen eins aufs Haupt gegeben hat. Genauer gesagt: wann welcher König andere Menschen, die wahrscheinlich weitaus Sinnvolleres zu tun gehabt hätten, dazu gebracht hat, wiederum ebenso unwilligen Zeitgenossen ein Leid zuzufügen. Sondern die beschreibt, wann welche Kaufleute Kontakt aufnahmen mit Händlern anderer Völker, um neben Waren auch Wissen und Erfahrungen auszutauschen und wie sich das dann weiterentwickelt hat. Hoffnungslos naiv, ich weiß, und sicher auch nicht viel friedlicher als die klassische Geschichte, aber trotzdem…

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Die Adern, die Blutbahnen dieser Geschichte sind dann die großen Handelsstraßen wie etwa die Seidenstraße. Deshalb freue ich mich auf diese Sultanhani -Karawanserei. Aber wir sind noch keine Stunde unterwegs, da taucht am Straßenrand der D 300 ein Schild auf mit dem Wort „Kervansarayı“ und wir müssen einen Abstecher machen nach Ağzıkarahan. Die Karawanserei ist eigentlich gar nicht geöffnet, sie wird renoviert, wenn wir das richtig verstehen. Aber die Arbeiter winken uns herein, deuten an, dass wir uns ruhig umschauen dürfen.

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Es ist so etwas wie Ehrfurcht, das Gefühl, mit dem wir durch die Hallen und Gewölbe streifen. Von außen fast militärisch-abweisend erinnert sie im Inneren an die großen Kathedralen. Jeder Händler erhielt Platz für seine Tiere und seine Waren und – hinter verschiebbaren Steinplatten, vor denen er schlief – einen in die Wand eingebauten „Safe“ für seine Wertsachen. Verschlungene Steinmetzarbeiten lassen uns staunen und die ausgetretenen Stufen zur Mini-Moschee im Hof erahnen, wieviel Renovierungsarbeit noch ansteht.

Wir streifen durch die Hallen, sind alleine hier, mit den Arbeitern, den Tauben. Die Atmosphäre ist so schön, dass ich mich ein bisschen schwer tue, das Gebäude zu verlassen. Aber die Sultanhani-Karawanserei ist ja nicht weit, einen Tagesritt für ein Kamel, eine knappe Stunde für den Bus.

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Da ist dann alles ganz anders und irgendwie ein kleines bisschen “zu zu“. Zu abweisend, zu groß, zu touristisch. Die Anlage selber ist fantastisch, die schiere Größe des Komplexes erstaunlich. Die hohen Mauern lassen die Karawanserei wie eine Festung wirken und wir haben das Gefühl, dass wir trotz Eintrittsgeld nicht ganz willkommen sind. Monsieur scheint ähnlich zu fühlen. In Ağzıkarahan macht er Dutzende Fotos, von Sultanhani gibt es gerade mal acht.

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Am späten Nachmittag sehen wir den Egidir-See vor uns liegen und fragen uns durch zu unserem Hotel. Stellen fest, dass das „s“ kein Tippfehler ist und das Hostel eher für Backpacker catert. Die Wirtin erklärt uns aber freundlich, dass sie für uns, Familie und so, bei einem Freund und Nachbarn eine Ferienwohnung mit drei Zimmern angemietet habe. Wenn wir erst mal auf der Terrasse Platz nehmen wollten, dann würde sie uns alles erklären.

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Die Terrasse sind eigentlich Terrassen im Plural, die sich auf verschiedenen Höhen an den Hang über dem See schmiegen, vom Teppich- und Polster-bedeckten Podest bis hin zum romantischen Zweier-Tisch in einer rosenüberwachsenen Laube. Wir lagern zufrieden auf den Polstern, während sie uns Frühstück und ähnliches erklärt und fragt, ob wir hier oder im Ort essen wollten. Eigentlich wollen wir gar nicht mehr aufstehen – höchstens für einen kleinen Sprung in den See – und sie lacht und bittet uns, dann bitte hier und jetzt vorzubestellen, damit sie sich auf das Kochen vorbereiten kann. In der Karte dominiert der Seefisch – und Flusskrebse. Das ist es, das möchte ich haben. Oh, das sei knapp, meint sie, das hätten schon mehrere Gäste bestellt, einen Moment bitte. Ein Telefonat in rapidem Türkisch, dann ein Schulterzucken. Die Fischer seien gerade gelandet, leider sei es nicht möglich noch mehr Krebse zu bestellen. Schade, aber der frische Fisch ist bestimmt auch gut.

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Es ist schon dunkel, als wir nach dem Baden wieder zurück auf die Terrasse kommen, diesmal aber zu den gedeckten Tischen. Rechts und links werden hoch gehäufte Teller mit Krebsen an mir vorbei getragen, wir erhalten unseren Fisch. Da erscheint die Wirtin, einen kleinen Teller in der Hand, beugt sich zu mir und flüstert, sie habe von jedem Krebsteller ein, zwei Krebse abgezweigt. Das würde da gar nicht auffallen und so könnte ich wenigstens probieren, wie lecker ihre Krebse sind. Und das sind sie!

 

 

Star Wars in Kappadokien

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Der Wanderführer, der menschliche, will uns durch Ihlara-Tal begleiten. Auf dem Weg zum Einstieg in die Schlucht kommen wir durch Selime und er wird ganz aufgeregt und begeistert. Er müsse uns unbedingt etwas zeigen.

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Kurz darauf klettern und rutschen wir durch die Felsengänge einer Kathedrale aus dem 9. Jahrhundert, die nach einem toten Sultan aus dem 14. Jahrhundert benannt ist. Finden wir ganz amüsant, ist aber nicht der Grund, weshalb wir hier sind.

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Wir sind nämlich mitten drin in Star Wars. Und das echter als im Film. Hier sollte nämlich eine Episode gedreht werden. Ein Team war schon vor Ort, hatte alles abfotografiert, dokumentiert und organisiert, als die Türkei die bereits erteilte Dreherlaubnis widerrief. Worauf anhand der Fotos die Selime-Kathedrale und die Gegend um Selime originalgetreu in Tunesien nachgebaut wurde.

 

Vielleicht ganz gut so, sind doch die Gänge und Aufstiege im Sandstein so sandig-rutschig, dass ich mir durchaus das unfreiwillig komische Potential vorstellen kann. Ein pompöser Darth Vadder, der langsam Fuß vor Fuß abtastet, wo er sicher auftreten kann. Ein jugendlich-flotter Skywalker, der laufend auf dem Sand ausrutscht und auf seinem rebellischen Hintern landet.  Das findet auch unser Führer viel interessanter als die Doppelsäulen und den Bilderschmuck von vor tausend Jahren, den er uns natürlich trotzdem pflichtschuldigst zeigt.

Unser Einstieg in die Ihlara-Schlucht erfolgt ein paar Kilometer oberhalb der Touristenhotspots und das ist auch gut so. Das gibt uns eine Stunde in Ruhe und Einsamkeit, bevor wir auf den Teil stoßen, der mit Parkplätzen und Restaurants ausgestattet ist.

Eine Stunde „wandern“, eher schlendern, durch ein durchaus idyllisches Tal, grün, mit plätscherndem Bächlein und bizarr geformten Wurzel-Kunstwerken der Natur. Schlendern stimmt zum großen Teil. Der Weg folgt dem Bach sanft bergab.

Wenn da nicht alle paar Hundert Meter rechts oder links in den Felsen steil über uns mal wieder ein paar uralte Eremiten ihrer Lieblingsbeschäftigung gefrönt hätten: Kirchlein aus dem Felsen auszugraben und sie mit Fresken zu schmücken. Unser Führer hat wohl noch ein ganz kleines bisschen schlechtes Gewissen wegen der Nummer in Göreme und versucht sein Bestes, uns jedes noch so kleine Felsenkirchlein anzubieten.

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Irgendwann sind wir ganz froh, wenn die Felsöffnung auf der anderen Seite des munteren Baches liegt und wir somit eine – dünne, aber glaubhafte – Entschuldigung haben, nicht durchs Wasser oder über äußerst wacklige Brücken und dann da hoch klettern zu wollen.

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Der touristisch-erschlossene Teil ist dann genauso überlaufen, wie wir befürchtet haben, aber der Führer hat uns für das Mittagessen einen Tisch reserviert. Wobei „Tisch“ es nicht ganz trifft. Es sind Polster in einer Hütte mitten im Bächlein, wo wir lagern und beim Essen die Füße ins Wasser halten können. Mittagessen mit Wasserkühlung – das hatten wir auch noch nicht.

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Den Abschluss des Tages bietet die unterirdische Stadt Derinkuyu, wir klettern durch acht der zwölf Stockwerke, tief im Felsen. Das müsst ihr mir glauben, Bilder dazu kann ich nicht einstellen. Die meisten sind unscharf und verwaschen. Und bei denen, die es nicht sind, streckt gerade ein Familienmitglied den Kopf aus einem Gang oder um die Ecke. Eindrücklich ist es, bewundernswert, wie genial Frischluftzufuhr und Verteidigungsmechanismen durchdacht wurden, aber ich persönlich bin sehr froh nach anderthalb Stunden in dunkler, feuchter Enge wieder ans Tageslicht zu dürfen.

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Wir setzen den Führer an einer Bushaltestelle nach Göreme ab und bereiten uns auf einen faulen Abend im Hotel vor, da packt Monsieur der Ehrgeiz. Er muss unbedingt den Burgfelsen in Ortahissar besteigen. Ein paar Unermüdliche gehen mit, ich bleibe auf der Terrasse, damit Monsieur einen schönen Ausblick hat von der Felsspitze. So übernimmt jeder seinen Teil in unserer Familie.

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Vorher gehe ich aber durch die Hotel-Boutique, wo ich ein paar der– angeblich lokal handgewebten – aber auf jeden Fall wunderschönen Hamam-Tücher erstehe. Streife durch den Frühstücksraum. Ja, mein Ziel ist der Getränke-Kühlschrank, gebe ich gerne zu, aber der Raum ist auch so faszinierend mit seinen alten Fotos einer Türkei von vor 80 Jahren. Ein Foto ist besonders anrührend, ein alter Mann neben einem Eselskarren voller Bücher. Der Manager kommt aus der Boutique. Das sei sein Großvater und der sei Gründer der ersten Leihbücherei Kappadokiens gewesen: ein Mann, sein Esel und seine Bücher – das war die ganze Bibliothek, erklärt mit stolzem Lächeln. Um mich dann zu fragen, wo denn der Rest meiner Familie wären und ob wir heute Abend zu Wein, Käse und Oliven vielleicht auch noch ein paar eingelegte Weinblätter haben möchten.

 

Abenteuerspielplatz

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Wie heißt es so schön: Man kann sich den ganzen Tag ärgern, aber man ist nicht dazu verpflichtet.

Mal sehen, ob ich mich an diese Weisheit halten kann.

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Ich habe diese Reise über einen türkischen Veranstalter gebucht, der mit Bausteinen eine individuelle Reiseplanung anbot. Kappadokien wurde von der Agentur in Istanbul organisiert, der Rest von der in Antalya. Und da liegt das Problem. Die Tage in Kappadokien sind wunderschön, die beiden Hotels in Göreme und Ortahisar von überschäumender Gastfreundschaft. Aber kaum kommt die Agentur in Antalya ins Spiel, geht alles den Bach hinunter. Ich habe den Eindruck, dass man lieb- und interesselos etwas zusammengestoppelt hat, einfach nur genervt von Touristen, die keine 0815-Rundreise wollen, die auch noch mit Fragen und Änderungsvorschlägen kommen. Des Weiteren hat es für mich den Anschein, dass Istanbul agiert mit dem Ziel: wir wollen schöne Erlebnisse für Sie schaffen, während Antalya alles möglichst billig – und ich sage bewusst nicht „preiswert“ – durchziehen will.

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Fängt an mit dem Mietwagen, der heute Morgen vor der Tür steht. Wir sind etwas konsterniert. Er wirkt wie ein Baustellenfahrzeug, nicht wie ein Reisebus. Nun stören uns Kratzer und Dellen wenig, aber, dass es im Inneren keine Verkleidung gibt und die kaum gepolsterten Sitze äußerst unbequem wirken, schon. Der Fahrer, der uns den Bus übergeben soll, wirkt sehr müde und händigt uns auf unsere Kritik diskussionslos sein Handy aus, am andere Ende Antalya. Da wird uns dann sehr schnell erklärt, dass alles ganz allein unsere Schuld sei, weil wir keine Rundreise haben wollten. Dass wir sie also gezwungen hätten, den Bus vom Zielort (Fethyie) nach Göreme zu bringen. Und ja, dass sie bequemere Modelle hätten, aber nicht heute. Dass dafür aber der Fahrer unser Fahrzeug die sieben Stunden nach Fethyie zurückfahren müsste, um dann die gleiche Strecke mit dem neuen wieder zurückzulegen. Natürlich müsste er auch mal schlafen zwischendurch (was er ganz offensichtlich diese Nacht nicht getan hat), so dass wir frühestens in zwei Tagen unsere Reise antreten könnten. Das wäre natürlich unsere Entscheidung. Aber ob sie da unsere Reservierungen halten bzw. umbuchen könnten…

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Das ist ganz klar Erpressung, noch dazu mit einem lächelnd gezeigten Stinkefinger. Es wird einen deutlichen Briefwechsel geben, das ist klar, aber das hilft uns hier und jetzt nicht weiter. Eine Entscheidung muss her. Wir schauen uns an, wir schauen den übernächtigten Fahrer an und zucken mit den Schultern. Der Fahrer wird schlafen geschickt und wir beginnen unsere Fahrt durch die Türkei, in einem, mit einem Auto, dass wir nicht mögen und das uns nicht mag. Klimaanlage z.B. ist binär: an – aus. Arktischer Winter – gar nichts. Wollen die in der dritten Reihe Kühlung, frieren Fahrer und Beifahrer langsam die Finger ab. Federung ist auch kaum vorhanden, weder an den Radaufhängungen noch an den Sitzen. Das führt zu sehr steilen Lernkurven und dem sarkastisch-melodramatischen Aufschrei „Braze! Braze!“, wann immer die in der ersten Reihe eine Bodenwelle oder ein Schlagloch auf uns zu kommen sehen.

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Außerdem hat der Bus einen seltsamen Humor. Wir halten am „Camel Rock“ beim „Imagination Valley“. Der Parkplatz ist sehr überlaufen, inklusive diverser Souvenirstände, im Hintergrund drei Polizeiautos. Nun schreiben wir Frühherbst 2013 und sind noch weit entfernt von den heutigen Verhältnissen in der Türkei, aber gleich drei? Auf einem Touristenparkplatz, mitten im Nirgendwo?

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Das Tal ist „naja, ganz nett“, aber nicht den Rummel wert, sind wir uns einig, als wir zum Auto zurück gehen. Monsieur drückt auf den Schlüssel – nichts. Drei weitere Versuche bringen das gleiche Ergebnis. Passt in das Bild, das wir von unserem Bus haben.  Inzwischen sind wir am Auto und Monsieur steckt den Schlüssel ins Schloss. Die Hupe plärrt los, Warnblinker leuchten, Alarmanlage heult auf. Leicht hektisch versuchen wir die Türen zu öffnen, während aus drei Richtungen finster entschlossen wirkende Polizisten auf uns zu laufen. In dem Moment, in dem Monsieur den Zündschlüssel umdreht, hört der Spuk schlagartig auf. Die Polizisten schauen noch einmal sehr demonstrativ durch die Fenster und winken uns dann zu loszufahren.

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Unser Ärger über das blöde Auto ist aber schnell vergessen. Zelwe, auch Freilichtmuseum, ist einfach zu schön. Im Gegensatz zur berühmteren Museumsklosterstadt in Göreme war Zelwe „nur“ ein Dorf. Ein Dorf, aus den Felsen gegraben und bis in die 1960er noch bewohnt.

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Der freie Blick ins Wohnungsinnere, massive Felsabbrüche am Fuß der Wände, die rußgeschwärzte Decke nach oben zeigend, erklären, warum die türkische Regierung das Dorf damals räumen ließ.

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Inzwischen ist Zelwe so etwas wie ein Abenteuerspielplatz für Touristen. Wir sind – bis auf zwei junge Männer mit Rucksack – allein unterwegs in den drei Tälern, die das Dorf ausmachen. Laufen, klettern, steigen, je nach Mut und Ausdauer und Können in den Kammern, über die Felsstufen, in den Gängen. Natürlich müssen die einen die anderen beim Klettern fotografieren und genauso natürlich müssen dann die anderen die einen beim Herunterrutschen aufnehmen.

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Die Täler sind ein Labyrinth von – allerdings gut ausgebauten – Wegen, die zu Entdeckungen locken. Der geheimnisvolle Tunnel, Abkürzung durch den Berg zwischen zwei Tälern, ist aus Sicherheitsgründen gesperrt, das scheint der Museumsverwaltung dann doch ein bisschen zu viel Abenteuer für ihren Abenteuerspielplatz.

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Die Zeit vergeht wie im Fluge und es ist früher Abend, als wir in den verwinkelten Gässchen von Ortahisar unser Hotel finden. Die Zimmer sind romantische Felshöhlen mit allem Komfort und der Bick von den Terrassen traumhaft, aber das Schönste ist die herzliche Gastfreundschaft, mit der wir empfangen werden.

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Nach dem Essen im Ort kommen wir zurück ins Hotel. Es gibt nur eine Art Nachtwächter, keinen Service. Wein und andere Getränke stehen im Frühstücksraum kalt, Gläser auch, man soll nur bitte aufschreiben, was man entnommen habe. Unser Jüngster übernimmt mit heiligem Ernst diese Aufgabe und trägt gewissenhaft den Wein für seine Eltern und die Softdrinks für seine Geschwister ein.  Wir machen es uns auf den Polstern der großen Terrasse bequem, füllen die Gläser, als leise Schritte auf uns zu kommen. Der Manager stellt zwei Teller mit Käsewürfeln und Oliven vor uns hin. Das ginge nicht, das hätte er nicht mitansehen können, wie wir hier so sitzen – ohne etwas zu knabbern .

Wie gesagt, von Istanbul ausgesucht.

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Liebes- und andere Täler

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Frühstück gibt es – nicht um fünf Uhr, aber früh – auf der Hotelterrasse mit Blick auf ein erwachendes Göreme. Zurück im Zimmer empfängt uns ein gemachtes Bett und ein überwältigender Zitrusduft. Meine Augen tränen und heftige Niesanfälle zeigen, dass irgendetwas in dem Raumspray nicht gut ist für mich. Ich mache mich auf die Suche nach den zwei netten Damen, die wir vorm Frühstück mit Eimern und Utensilien über die Terrassen haben streifen sehen. Ich kann kein Türkisch, sie kein Englisch, also zeige ich erst auf das Spray, dann auf mich, schüttele den Kopf. Die eine strahlt, greift das Spray und geht vor mir in unser Zimmer, wo sie großzügig alles noch einmal einnebelt. Hmmm, hier liegt offensichtlich ein Kommunikationsproblem vor. Ich muss husten und versuche zu zeigen, dass wir das „Pschschscht“ nicht wollen. Sie erklärt mir, dass das „Pschschscht“ wichtig sei gegen die „Psssssssss“. Wir einigen uns dann darauf, dass wir lieber „Pssssssss“ ohne „Pschschscht“, als „Pschschscht“ mit „Husthusthust“ hätten. Am Schluss strahlen alle, Kommunikation ist etwas Tolles.

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Die Täler um Göreme herum sind wunderschön, vielfältig und verwirrend. Was liegt also näher, als sich einen lokalen Wanderführer zu nehmen, der es uns ermöglichen soll, einige dieser Täler in ein paar Stunden Wandern zu verknüpfen. Ausgangspunkt unser Hotel, denn unser Mietwagen wird erst morgen gebracht.

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Es stellt sich heraus, dass der Wanderführer sehr geschäftstüchtig ist. Gestern Abend, beim Anruf, ob der Termin denn noch stehe, fragt er uns, ob es uns etwas ausmache, wenn noch zwei weitere Wanderer dazukämen. Am Treffpunkt stellt sich heraus, dass er genau die gleiche Absprache mit den anderen hatte, dabei aber „vergaß“ zu erwähnen, dass wir zu sechst sind. Entsprechend überrascht sieht das andere Paar aus. Es stellt sich im Laufe der nächsten Stunden heraus, dass wohl auch einiges andere bezüglich der Wanderung nicht kommuniziert wurde. Für mich heißt es, dass ausnahmsweise mal nicht ich die Letzte bin, die japsend und brummelnd hinter der Familie her keucht.

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Als erstes geht es aber nur bergab, ins „Love Valley“, in das Tal der Liebe. Nun kommt Liebe ja in vielen, bunten Formen, mit mannigfaltigen Facetten daher, aber hier hat man sich ganz offensichtlich auf einen – ich würde jetzt und hier ja so gerne ein Adjektiv einflechten – Aspekt beschränkt, weil man die Form der so genannten Feenkamine mit eben diesem Aspekt assoziierte. Lustigerweise sind es im Kiliclar vadisi, im Tal nicht der Liebe, sondern der Schwerter, wiederum ganz andere Gedankenverbindungen, die mit ähnlichen Felsen verknüpft werden. Aber jedem das Seine! Während wir im Schatten der Phalli über Assoziationen nachdenken, wird deutlich, dass das die Kappadokier nicht abgehalten hat, das Innere dieser Gebilde für ihre Behausungen auszuhöhlen.

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Wegweiser erklären uns, dass wir vom Görkündere- ins Zemi- ins Honig- ins Schwerttal wechseln. Auf der kleinen fotokopierten Karte, die wir anfangs bekommen haben, ist noch eine wichtigere Information erhalten. Es ist ein kleiner Kiosk eingezeichnet mit einem handgemalten Pfeil und dem Hinweis: Sehr gute Limonade! Das ist gut zu wissen, denn wir nähern uns der Mittagszeit und es ist heiß in den Tälern. Allerdings ist der kleine Kiosk dann doch nicht so richtig attraktiv, mit seinen wespen-umbrummten überquellenden Mülleimern.

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Für unsere Mittagspause weiß der Führer einen besseren Ort. Da müssen wir uns noch einmal ein bisschen anstrengen, aber das lohnt sich. Wir folgen einem weiteren Tal, sehen in der Ferne die elaborierte Fassade der Anna Johachim Kilise und klettern am Wegesrand in mehr oder weniger aufwändig gestalteten Klosterzellen herum. Kunst kommt hier vor von exquisit – wie die Fresken im Schiff an unserem Ziel, der Hacli Kilise – über geometrisch ansprechende Muster bis hin zu liebenswert schiefen – Das war der Neue, der muss noch üben! – Linien. Schön ist es allemal, als Bonus eingebettet in großartige Natur, aber halt auch sehr heiß und anstrengend.

 

Da kommt das kleine Café in den Höhlen unter der Kirche gerade richtig. Wer will, kann hinter dem Café ein paar Leitersprossen hochklettern in die spartanische Höhle, in der vor langer Zeit ein Eremit sein Dasein gefristet hat. Danach schmecken der Saft und die kleinen Snacks noch viel besser.

Allerdings ist hier dann auch der Punkt erreicht, an dem unsere Mitwanderer streiken. Kein noch so fantasievoller Titel kann sie verlocken einen Abstecher in ein weiteres Tal zu machen, sie wollen nicht mehr weiter, nur noch zurück. Damit können wir leben, es ist uns recht.

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Der Führer baut dann noch – auf dem gleichen Weg zurück ist doch langweilig – einen kleinen subversiven Schlenker durch ein Seitental ein. Allerdings führt das dazu, dass wir ein paar Kilometer außerhalb von Göreme an der großen Hauptstraße herauskommen und die letzte Stunde der Wanderung dann eher unschön ist. Unsere Begleiter werden zunehmend unfreundlich und maulig, so dass wir beim Abschied kein Bedürfnis haben, Telefonnummern für einen weiteren Kontakt auszutauschen.

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Unser Führer zuckt nur mit den Schultern und verspricht uns, übermorgen ganz allein für uns da zu sein.

Wir gönnen uns eine lange Siesta und machen uns dann in der Vorabendkühle auf zum Göreme Open Air Museum. Der Titel erweckt vielleicht falsche Assoziationen (bei mir z.B. an liebevoll restaurierte und eingerichtete Bauernhöfe), es handelt sich hier um einen aufgegebenen Klosterkomplex, hineingegraben in die Berge. Wir laufen mit ein paar Hundert anderer Interessierter umher, schauen pflichtschuldigst hier in Höhlen, bewundern dort Fassaden, sind uns aber eigentlich einig, dass uns die verlassenen Höhlenklöster am Morgen mehr zugesagt haben. Das alles mit einem Blick auf die Uhr, denn der Führer hatte uns gesagt, wir sollten unbedingt einen Besuch in der Tokali-Kirche einplanen, die älteste der Kirchen, aber etwas außerhalb des Museumskomplexes gelegen.

Knapp vor kurz vor tut uns leid betreten wir die Kirche mit ihrem überwältigenden Bilderschmuck. Fotografieren verboten und in der Dunkelheit auch schlecht möglich. Der Aufpasser drängelt ein bisschen inkonsequent, wir sollten uns beeilen, aber bitte doch auch diese Darstellung und jenes Fresko ganz besonders beachten. Da stellt unsere Historikerin eine Frage und sein Gesicht leuchtet auf. Wir werden in dunkle Ecken geführt, Fresken angeleuchtet. Schließlich zückt er einen Schlüssel und öffnet den Zugang zur „Alten Kirche“, in den Höhlen unter der „neuen“ Kirche von 1000 n. Chr. Wir klettern in den Katakomben herum, bis er uns wieder nach oben führt. Die offizielle Schließungszeit ist längst überschritten, andere Touristen profitieren auch noch von dem Aufschub. Als er hinter uns den Zugang zur alten Kirche abschließt, kommt ein amerikanisches Paar und fragt, ob sie nicht auch noch, ganz kurz, ganz schnell. Nein, meint er barsch, das ginge nicht, das sei nicht gestattet. Dann treibt er uns mit allen anderen zum Ausgang, Ende der Privatführung.

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Aber zum Schluss gibt er uns noch eine Empfehlung mit für das Restaurant seines Neffen, die wir gerne annehmen.

Win-win, würde ich sagen.

 

 

 

Göreme

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Fünf Sechstel der Familie fliegen von Genf nach Istanbul, die Große kommt aus Berlin und gemeinsam kämpfen wir uns eine Stunde lang durch das Chaos und die Schlangen, die im Airport Istanbul unter dem Begriff „Sicherheitskontrolle“ laufen. Schließlich sitzen wir erschöpft unter einer Hello-Kitty-Flugzeug-Attrappe und warten auf den Inlandflug nach Kayseri. Der dann doch mit einem regulären Flieger durchgeführt wird. Der Bustransfer wartet dort schon und kurvt einige Zeit später durch kleinste Gassen am Rande von Göreme.

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Er setzt uns vor dem Aydinli Hotel ab und die erste Erfahrung türkischer Gastfreundschaft schlägt wie eine Welle über uns zusammen. Wir erhalten kühle Getränke, die nach Rosenwasser duften, werden nach unserer Reise, unserem Wohlergehen gefragt. Zimmerschlüssel werden auf den Tresen gelegt, wir spielen Schlüsselroulette mit der Option zu tauschen, wenn es gar nicht geht. Falls wir irgendetwas brauchen, falls wir einen Ausflug organisieren wollten, wird uns angeboten, könnte man uns das Familienauto – kurzer Blick auf uns sechs große Menschen, strahlendes Lächeln – und das des Schwagers zur Verfügung stellen.

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Wir treten in den Hof und legen erstmal den Kopf in den Nacken: vor uns erhebt sich steil ein Fels, durchlöchert wie der sprichwörtliche Schweizer Käse. Überall sind Fenster zu sehen, kleine Terrassen, Treppen, Aufgänge, ein Labyrinth von einem Hotel, wunderschön. Gut, die Zimmer sind kuschelig, kompakt, eher überschaubar, also gut, sie sind recht klein. Aber das ist ja kein Wunder, wenn man bedenkt, dass sie vor Jahrhunderten mühsam aus dem Felsen gehauen wurden.

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Der wortwörtliche Höhepunkt ist die Hotelterrasse auf der Spitze des Felsens mit Blick über Göreme. Nun haben wir ja durchaus eine gewisse Schwäche für sun downer auf Hotelterrassen, aber hier wird uns klar gemacht, dass es nur einen Ort gibt, um den Sonnenuntergang zu genießen: ein Felsrücken etwas außerhalb der Stadt, der einerseits den Blick auf Göreme und auf der anderen Seite den in die bunten Täler mit ihren fantastischen Felsformationen bietet.

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Der Weg schließt einen kleinen Bummel durch die Außenbezirke mit ein und wir merken, dass wir nicht die einzigen sind, die zu diesem Punkt laufen. Es sind fast ausschließlich Einheimische und auch nicht direkt drängelnde Massen, aber es ist schon ein stetiger Strom von Menschen, die wie magisch angezogen dem Hügel zustreben.

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Erst einmal angekommen, haben wir viel Zeit, um auf die Sonne zu warten. Zeit, um mal in Ruhe alle Familienmitglieder abzulichten, gerne auch in Grüppchen mit wechselnden Kombinationen. Zeit, um den Reiter zu fotografieren, der sein Pferd erst schön frisiert hat und ihm jetzt den Sonnenuntergang zeigt. Zeit, um das wechselnde Farbspiel zu genießen, als die Sonne dann endlich doch untergeht. Wurde ja auch langsam Zeit!

Abendessen in Göreme und der Heimweg durch die nächtlichen Gassen schließen den Tag ab. Doch dann treffen wir uns auf der Hotelterrasse, um kurz die Planung für morgen anzudiskutieren. Wandern in den Tälern, ja, aber hier liegen überall diese verlockenden Prospekte herum. Im Heißluftballon bei Sonnenaufgang über die Felsen schweben, sicherlich traumhaft schön. Ist natürlich nicht ganz billig und wenn man zu sechst reist, wird aus „nicht ganz billig“ doch recht schnell „ziemlich teuer“. Hinzu kommt, dass die „nicht ganz billig“-Angebote von 18 Personen im Korb des Ballons ausgehen und wir doch gerne einen Familienballon für uns alleine gehabt hätten. Gibt es natürlich auch, aber ebenso natürlich in einer ganz anderen Preiskategorie. Trotzdem, trotzdem, ein Traum wäre es schon, in majestätischer Ruhe und Einsamkeit über die Täler zu schweben. Da müssen wir erstmal drüber schlafen, bevor wir eine Entscheidung treffen.

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Am nächsten Morgen quälen sich tatsächlich ein paar unerschrockene Fotografen um 5 Uhr früh hoch auf die Terrasse, wo sie ein überwältigendes Bild erwartet. Zischend und fauchend steigen Dutzende und Aberdutzende von Heißluftballons in die Höhe, dicht an dicht. Wie gesagt ein traumhaft schönes Schauspiel, nur so gar nicht in die Richtung von majestätischer Ruhe und Einsamkeit, wie es uns vorschwebte.

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Also beschließen wir, mit beiden Füßen auf dem festen Boden zu bleiben. Gibt auch da genug zu sehen.

Das hier, zum Beispiel.

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