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Mittwoch: Chinesisch touristisch

Die schlechte Nachricht zuerst: Ping’An, angepriesen als „600 Jahre altes traditionelles Bauerndorf“ ist ein ins unermesslich gesteigerter, abstoßender Touristenrummel.

Die gute Nachricht? Fällt mir vielleicht morgen ein…

china2dOkay, macht mal die Augen zu und stellt Euch eines dieser Alpendörfer vor, in die in den Siebzigern zwischen die traditionellen Holzhäuser diese riesigen Hotelkomplexe gebaut wurden. Jetzt stellt Euch außerdem vor, dass in jede Lücke zwischen den Hotels nochmals Gebäude hochgezogen wurden. Ohne Rücksicht darauf, dass man den schon existierenden Häusern Licht und Ausblick wegnimmt. Dazwischen keine Straßen, sondern Treppenwege von etwa einem Meter Breite. Auf der einen Seite Häuser, auf der anderen Seite manchmal Häuser, manchmal nichts. Nein, nicht ganz nichts, etwa zwei, drei Meter unter dir liegen Bauschutt und Abfall. Dazwischen winden sich die Abwasserrohre. Gelegentlich riecht man, dass es Probleme mit der Dichtheit dieser Rohre gibt. Vor den Hotels dann noch Stände, die dir von Pashima über Jade zu chinesischer Medizin und Lampions Souvenirs verkaufen wollen. Um Kunden anzulocken, plärrt Musik aus Lautsprechern und blinken Lichtdekorationen. Frauen in der Nationaltracht treten dir alle paar Schritte in den Weg, bieten dir etwas an und tun so, als ob sie in Tränen ausbrechen, wenn du abwinkst.china2b

Ping’An ist ein ins unermesslich gesteigerter Touristenrummel oder wie ein Holländer am Nachbartisch sagte „chinesisch touristisch“. Selbstsüchtige Gewinnmaximierung und hemmungslose Kommerzialisierung ohne auch nur einen Funken Bewusstsein für das, was dabei zerstört wird.

Die Reisterrassen selber sind abgeerntet und ohne Wasser. Sie sind sehr schön, auch im Nebel. Morgen wollen wir von diesem Dorf Ping’An ins übernächste Dorf wandern. Und ich hoffe so, dass es regnet und ich nicht noch einmal durch diesen abstoßenden Rummel muss.

china2cDabei hatte der Tag ganz anders angefangen. Gut, es kann sein, dass ich unseren Veranstalter in die Nervenkrise getrieben habe. Erst andauernd die Routen geändert, dann andere – einfachere! – Hotels verlangt. (Unser Führer/Fahrer schläft in einem besseren Hotel als wir, mitten im Ping‘An-Trubel, weil ich ein kleines ruhigeres Hotel zu Beginn des Dorfes ausgesucht habe. Wir haben dafür ein Eckzimmer mit zwei riesigen Fenstern und traumhaftem Blick auf die Reisterrassen.) china2aUnd jetzt, wo alles gebucht ist und wir hier sind, will ich einen weiteren Programmpunkt hinzufügen. Ich hatte vor kurzem von den Wind-und-Regen-Brücken gelesen und wollte die auch noch sehen. Angeblich hat der Veranstalter dem Führer/Fahrer genervt gesagt, der solle entscheiden, er wolle sich um mich nicht mehr kümmern müssen. Armer Mann. Ein paar hundert Yuan später ist die Entscheidung gefällt und wir auf dem Weg nach Chengiang.

china2jDort liegen fünf Dörfer an einem Fluss, über den die Dhong in Gemeinschaftsarbeit diese Brücken gebaut haben. Die Dhong sind eine Minorität, die matriarchalisch lebt. Der zukünftige Bräutigam kommt zwei Jahre vor der Eheschließung in die Familie seiner Frau. Dort muss er dann diese zwei Jahre in der Familie mitarbeiten: auf den Reisterrassen, beim Hausbau, beim Stofffärben, alles, was halt so anfällt. Nach der Hochzeit, als Ehemann, muss er keinen Handschlag mehr tun. Sein Leben besteht dann nur noch aus Rauchen, Karten Spielen und Musizieren. Herr Chang schlägt Monsieur jovial vor, in ein solches Leben einzuheiraten. Monsieur denkt ernsthaft nach und schüttelt dann den Kopf: „Zu langweilig!“

china2gDie Wind-und-Regen-Brücken sind eine Art Kommunikations- oder Gemeindezentrum. Ein Dach über der Brücke schützt vor Regen, halbhohe Seitenwände vor Wind, Bänke laden ein zum Sitzen und Reden, Pavillons zum Kaufen und Verkaufen. Die Dhong sind gute Handwerker und so sind Häuser und Brücken aus Holz ohne einen einzigen Nagel erbaut, alles ist ineinander verzapft. In der Dorfmitte steht ein großer Trommelturm, mit dem vor Feuer oder Feinden gewarnt wurde, jetzt mit Bänken, Tischen und einem Fernseher der Treffpunkt der Alten des Ortes. Man wird zwar beim Betreten des Turmes mit einer Hanchina2hdbewegung auf eine Spendenbox hingewiesen, ansonsten herrscht eher freundliche Neugier als kommerzielles Interesse an den Fremden. Wir werden gefragt, ob wir die „Flöte“ hören möchten und stellen uns auf hohe dissonante Töne ein. Das Instrument, das in der Ecke steht(!), ist dann sehr überraschend: eine fast drei Meter hohe Konstruktion, die an drei Orgelpfeifen aus Bambus erinnert, mit dem Mundstück in etwa 1,50m Höhe. Sie spielt sehr tiefe, dunkle Töne. Die daran anschließend angebotene gemeinsame Runde Pfeifchen haben wir freundlich abgelehnt.china2f

Die Dhong färben für ihre Trachten den Stoff mithilfe der Indigo-Pflanze nachtschwarz. Dazu wird der Stoff solange im Pflanzensud gekocht, bis die gewünschte Farbtiefe erreicht wird. Der Stoff wird getrocknet und danach so lange geschlagen, bis er glänzt. Beim Spaziergang durch die Dörfer wehen an vielen Häusern die Stoffbahnen wie Banner im Wind.

Mittagessen gab es dann auf einer weiteren Brücke. Am letzten Pavillon saß eine junge Frau an einer tragbaren Feuerstelle. In der Glut lagen Süßkartoffeln und in Schilfblätter eingeschlagene Klebreis-Kegel. Monsieur und der Führer wählten die Kartoffeln, ich ein Reis-Päckchen, Mittagessen für drei für acht Yuan. Der dazu angebotene Öl-Tee, der mit zwei Löffeln Puffreis und Erdnüssen aufgepeppt wurde, war dann allerdings so gar nicht mein Ding.

Gute Nacht aus Ping’An.

Und hier noch das Bild des Tages:

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