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Die Quelle der Quelle

Gestern Abend bin ich auf dicken Wollsocken (trockenen Wollsocken!) durch Hotel und Restaurant gehuscht, da konnte Monsieur mich nicht locken, einen kurzen Spaziergang um den Quelltopf der Lahn zu unternehmen. Heute Morgen, nach einer Nacht im Heizungskeller (für die Schuhe, ich hatte ja das Zimmer unterm Dach), sind meine Schuhe und ich bereit für dieses „Abenteuer“. In fünf Minuten ist der kleine Teich umrundet, das ausfließende Bächlein als Lahn identifiziert und bewundert, da fällt mir – Moment mal – am gegenüberliegenden Ufer ein Rohr auf, aus dem Wasser in den Quelltopf fließt. Ist die Quelle doch nicht die Quelle? Und wenn ja, wo ist die Quelle der Quelle?

Natürlich weiß man im Hotel Bescheid. Das Hotel hat sein Leben als uraltes Forsthaus angefangen, da fand man es gut, im Keller eine Quelle zu haben, fließendes Wasser im Haus. Erst als aus dem Forsthaus eine fürstliche Jagdhütte wurde, war man nicht mehr so begeistert, wenn die junge Lahn gelegentlich im Erdgeschoss vorbeischaute. Die Quelle wurde gefasst und mithilfe von Rohren und einer Pumpstation bat man die Lahn, doch bitte ihre Kapriolen im Quellteich zu spielen. Natürlich ist so eine Pumpstation nicht halb so romantisch als Quelle wie der Teich.

Wir führen die Ardenner aus dem Fahrradschuppen hinter dem Haus. Gestern war der Schuppen so wohl gefüllt, dass wir sie kaum noch untergebracht haben, heute Morgen sind sie die letzten, die dort noch warten. Deshalb ist auf dem feuchten Waldweg ein wahres Gewirr von Radspuren zu finden. Winnetou hätte sicherlich mit einem Blick Geschlecht, Gewicht und Alter der radelnden Person feststellen können, wahrscheinlich auch noch den Ladestand der Batterie.

Wir freuen uns an der Landschaft, halten nur kurz am ehemaligen Jagdschloss, dem Hotel, das wir nicht gewählt hatten. Sieht auch nicht wirklich Nasse-Hosenbeine-und-tropfende-Schuhe-kompatibel aus.

Die Lahn hat jetzt etwas von einem lebhaften Schulkind und führt uns durch Regenschauer nach Biedenkopf. Das dräuende Kriegerdenkmal (für den 1860er Krieg, da musste ich erstmal googeln) hindert uns nicht, einen Eisbecher und Waffeln mit heißen Sauerkirschen zu genießen, wir setzen uns mit dem Rücken dazu. Biedenkopfs Altstadt ist sehr schön und sehr steil, der restliche Weg aus Biedenkopf heraus eher unschön.

Aber irgendwann sind wir wieder an der Lahn und sehen, dass es nicht nur Schienenersatzverkehr gibt. Anders als Winnetou müssen wir unser Ohr nicht an die Schienen legen bei den unbeschrankten Übergängen, der Zug kündigt sich lautstark an.

Die Lahn ist jetzt wohl eher eine Halbstarke und zeigt bei Caldern an, dass sie auch gerne mal über die Ufer tritt.

Wenig später halten wir in Marburg – ein bisschen – den Verkehr auf, da wir in der 30er Zone nicht mit gutem Gewissen überholt werden können– Turbo auf den letzten Kilometern machts möglich. Nach 66 Kilometern immer noch zwei Striche auf der Batterie, die werden jetzt verheizt.

Dann begrüßt uns das Selbstbewusstsein der alten Universitätsstadt in ihren Bauten, Plätzen und verwinkelten Gassen. Natürlich – gefühlt – alle bergauf. Das ändert aber nichts an der tollen Ausstrahlung der Stadt, die ja auch gelassen mit der Kritik ihres berühmten Brüderpaars umgeht. Marburg sei eine hässliche Stadt, schreibt Jakob Grimm, in der es mehr Treppen in den Gassen als in den Häusern gäbe. Recht hat er mit Letzterem und – wie schon erwähnt – alle bergauf!


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