Startseite » Beitrag verschlagwortet mit 'Wandern in den Alpen'

Schlagwort-Archive: Wandern in den Alpen

Glaubensfrage

 

alp2

Bis ans Ende der Welt… und zurück.

Haben wir schon zwei, drei Mal gemacht. Mit den Kindern, mit Freunden.

Der Weg vom Fer à Cheval bei Sixt bis zum Ende des Tales, dem „Bout du Monde“, dem Ende der Welt, ist ein sehr beliebtes Ausflugsziel.

alp1

Grandiose Berglandschaft, so viele Wasserfälle, dass man aufhört sie zu zählen. Breite Wege, kaum Steigung, das macht natürlich leichtsinnig und übermütig. Oder – in unserem Falle – leichtgläubig. Wir glauben nämlich, dass wir den „Pas du Boret“ nehmen können, einen kleinen steilen Pfad in der Felswand, der zum Chalet du Boret führt auf der – Blickrichtung Bout du Monde – linken Schulter des Tales.

alp7

 

Von da geht es auf der Höhe zum Ende der Welt, wo wir wieder hinabsteigen in das Tal und den breiten Wanderwegen, wahlweise rechts oder links des Giffre zurück zum Parkplatz folgen können. In der Beschreibung steht zwar etwas von passages délicates, aber wir glauben fest daran, mit delikaten Situationen umgehen zu können. Auch der Warnhinweis, dass der Felssteig nur für „experimentierte“ Wanderer, wie Monsieur übersetzt, sei, beeindruckt uns nur wenig, zumal Monsieur meint, dass man ja schließlich auch aus fehlgeschlagenen Experimenten viel lernen könnte. alp8

alp6

Das können wir nur bestätigen, denn nach dem zweiten Wasserfall, vor der zweiten Seilpassage, beschließen wir, das Experiment abzubrechen. Dafür erfinden wir die neue Trendsportart „Wandern lassen“, denn unsere beiden Großen wollen den Weg fortsetzen. So trennen wir uns und lassen sie  in die Höhe steigen, von wo sie wundervolle Fotos mitbringen. Nur zur Orientierung: Fotos von oben in das Tal stammen von ihnen, Fotos von unten in die Höhe sind dann von Monsieur.

 

Wir sitzen aber vorerst eine Weile auf einem knappen Felsvorsprung und überlegen, was uns mehr Angst macht, dem unbekannten Weg nach oben zu folgen oder den bekannten Pfad hinabzusteigen. Glauben dann – eigene Grenzen erkennen und akzeptieren und so – doch eher mit dem bekannten Angstpotential fertig zu werden und rutschen und klettern hinab zu dem Pfad, der uns an die Ufer des Giffre führt.

alp0

Ab da sind dann die einzigen Herausforderungen die sehr wackeligen Hängebrücken über die Stromschnellen, jede mit ihrem eigenen Unterhaltungspotential. Wir gönnen uns eine kleine Pause und staunen über die Vielfalt der Ansätze zum Überqueren der Brücken. Von Augen-zu-und-durch bis zum Stehschaukler. Natürlich gibt es auch das Pärchen, bei dem er sie mit genauen Regieanweisungen dreimal zurück zur Mitte staksen lässt – rückwärts -, bis wohl der optimale, völlig spontane und natürliche Schnappschuss gelungen ist.

alp4

Irgendwann stellen wir fest, dass wir an unserer neuen Trendsportart noch etwas schrauben müssen. Es ist nämlich so, dass unsere beiden Ältesten die Rucksäcke mit dem Proviant haben und wir den Hunger. Dazwischen liegen knapp 400 Höhen- und etliche Kilometer. Bisschen ungeschickt, ja, aber das sind halt die Kinderkrankheiten bei solch neumodischen Dingen.

alp3Die einfachste Lösung für unser Problem ist das Chalet de Prazon. Das erreichen wir, vorbei an meterhohen Schneewänden, in die sich Wasserfälle ergießen, nach kurzer Zeit. Kulinarisch ist es eher so mittelmäßig, aber es bietet Getränke im Schatten und eine „tarte aux myrtilles“ zum Abschluss.

Der Rückweg zum Parkplatz ist dann eher Sonntagsmittagsspaziergang. Bis auf die paar Hundert Meter, wo der Nebenbach beschlossen hat, dass es doch viel lustiger sei auf dem Wanderweg statt in seinem Flussbett zu laufen. Haben wir ihm gegönnt, den Spaß und die Wasserkühlung unter den Füßen genossen.

 

Natürlich muss man bei solchen kleinen Abenteuern auch gelegentlich bereit sein, ein Opfer zu bringen. Heute sind es meine alten Wanderschuhe. Eigentlich längst aussortiert, aber manchmal doch noch im Einsatz. Sie trennen sich von der Sohle und ich mich von ihnen. Mit einem kleinen Hauch Nostalgie versenke ich sie in der Mülltonne, bevor Monsieur auf die Idee kommt: Das kann man doch noch mal kleben.

alp5

Nein, kann man nicht und ich glaube, das ist auch gut so.

 

 

 

 

Sex erst am Nachmittag

col3

oder: Wenn Männer ein neues Spielzeug haben

Das war jetzt schamlosestes click baiting, das gebe ich gerne und unumwunden mit genauso schamlosen Grinsen zu.

col1

Wir müssen uns entscheiden zwischen Sex Rouge am Morgen oder En-Sex am Nachmittag. Aber schon in Aigle ist abzusehen, dass der Sex Rouge und mit ihm die Glacier 3000-Station tief in den Wolken steckt. Also wird umdisponiert: statt mit der Seilbahn auf 3000 Meter mit Muskelkraft auf knapp 2000 Meter.

Natürlich haben wir wie der Rest Europas bis gestern unter der Hitzewelle gestöhnt, aber die 18°, die es heute Morgen am Col de la Croix hat, sind uns nicht so ganz recht. Wolkenfetzen treiben über den Pass und verhüllen das gegenüberliegende Diablerêts-Massiv. Die Wolfsskulptur sorgt auch nicht für heitere Stimmung. Wir ziehen etwas fröstelnd die Jacken über und Monsieur kramt seine Sonnenbrille und den Hut aus dem Rucksack. Wirft sie in den Kofferraum, brummelt etwas von „sowieso nicht brauchen“ und ich gratuliere mir heimlich. Das ist der Garant dafür, dass binnen kürzester Zeit die Sonne scheinen wird.

col2

 

Die ersten Kilometer geht es über einen Waldweg hoch, der eher einen Wurzelsteige ist. Sieht aus wie ein von einem verrückten Öko-Designer entworfenes Kinderwaldspielplatz-Gerät. Dann schlägt die Schweiz zu: überall die netten gelben Wegweiser. Auf manchen stehen Ziele und Zeitangaben, auf manchen nur die Ziele. Dann gibt es noch die recht ominösen gelben Romben, auf denen nur „Tourisme pedestre“ steht und das hat schon etwas von Zen und Meditation. „Wir haben keine Ahnung, wer du bist und wohin du willst. Aber sei versichert, dies ist dein Weg. Vielleicht nicht der richtige, aber definitiv dein Weg!“

col6Und um die Schweizer Berge noch Touristen-sicherer zu machen, werden dann noch alle Bäume entschärft. Nicht, dass sich ein Wanderer an den bekanntermaßen extrem scharfkantigen Ästen verletzt.

Wir steigen auf über die Waldgrenze zu den grünen Almen und dort entwickelt sich unsere Wanderung zur biologischen Exkursion. Monsieur hat nämlich ein neues Spielzeug, eine App, die ihm verrät, wie ein Blümchen heißt. Das könnte seine Frau in 50% der Fälle auch, aber es sind die anderen 50%, die ihn interessieren. So kommt es, dass wir nur recht langsam den colb1Berg hochsteigen – was mir im Prinzip ja gar nicht so unlieb ist -, unterbrochen von so faszinierenden Entdeckungen wie dem Breitkörbchen, dem Alpen-Milchlattich oder dem Gemeinen Germer, der bestimmt nicht so gemein ist wie der gemeine Roger, der mich in der Grundschule immer verhauen wollte.

Der in der Wanderung gerühmte Panoramablick vom Col de L’encrène zeigt Wolkentreiben auf 360°. Aber zwischen Fetzen erhaschen wir einen Blick auf die Peak Walk-Hängebrücke beim Glacier 3000, die in luftiger Höhe zwei Dreitausender verbindet. Grau in Grau, und so wenig Aussicht, dass man sich wahrscheinlich noch nicht mal richtig vor dem darunter liegenden Abgrund hätte fürchten können.

col4

Der Col de L’encrène ist mit seinen 1936 Metern auch schon der höchste Punkt der Wanderung, die uns durch schöne Almwiesen, an Märklin-hübschen Höfen, verlassenen Ski-Liften und -stationen vorbei zum Col de Bretaye bringt. Die ganze Ski-Infrastruktur wirkt jecol7tzt im Sommer doch ziemlich störend, aber das ist der einzige Grund zum Meckern. Na gut, die Sprühsahne aus der Dose zur Heidelbeertarte war noch verstörender, aber ansonsten ist es Bilderbuch-Schweiz, Bimmelbähnchen inklusive. Während unsere Kaffeepause kommt dann – endlich! – die Sonne heraus und wir vergessen die Sprühsahne, während wir unsere Beine doch etwas länger ausruhen als ursprünglich geplant. Deshalb erreichen wir En-Sex erst am Nachmittag, misstrauisch beäugt von der amtierenden Wachziege. Dafür können wir aber auf dem Rückweg zum Col de la Croix die Diablerêts in ihrer beeindruckenden Schönheit bewundern, wobei nur die Mittelstation zu sehen ist, die Mario-Botta-Bergstation immer noch fest in der Hand der Wolken liegt.

 

Da müssen wir wohl das mit dem Sex Rouge und dem Sich-Fürchten auf der Hängebrücke auf ein anderes Mal verschieben.

col8.jpg

Alles Palette, oder?

a7

Unsere Moleson-Wanderung war ja nun nicht so der volle Erfolg, wetter- und kniemäßig. Da muss ein neues Berg-Erlebnis her. Und während unsere Älteste gerade 5- und 6-Tausender in Bolivien sammelt, begnügen wir Eltern und ihr Bruder uns mit zahmen Zweitausendern.

a2

Los geht es am Lac de Retaud, (1700m) durch die Wiesen hoch zum Col de Voré (1918). Der Weg ist schmal und sehr steinig, die Aussicht ist phantastisch unter anderem auf Mario Bottas futuristische Seilbahnstation Glacier 3000.

a6

Und dann müssen wir fast aufgeben: der Weg ist völlig blockiert. Nein, keine Lawine, auch kein Steinschlag. Vier junge Kühe liegen breit und frech hintereinander auf dem Pfad. Wir steigen über den Zauntritt, die erste Kuh schaut zu uns und rappelt sich hoch. Dann blickt sie noch mal genauer hin, zählt nach und legt sich wieder hin: vier Kühe gegen drei Menschlein, dafür steht sie dann doch nicht auf. Rechts geht es steil bergab, also klettern wir links um die völlig ungerührten Kühe herum. Ich habe noch nie so entspannte Kühe gesehen. Selbst als ich auf Höhe der letzten Kuh ausrutsche und mich auf ihrem Rücken abstützen muss, reagiert sie nicht. Wahre Zen-Kühe! Muss an der tollen Höhenluft liegen. Wir steigen also um die Zen-Kühe herum und dann weiter auf zum Col de Voré. Der Weg geht links weiter, aber geradeaus lockt ein Steintritt über eine Trockenmauer zur Felskante. Und dort stehen wir erst mal ganz still und ehrfürchtig, so grandios ist die Aussicht.

a5

Zurück über die Mauer und auf dem Wanderweg sind es kaum zehn Minuten bis zum Chalet Vieux. Dort erfahren wir, dass wir mit dem unbedachten Übersteigen der Steinmauer vom Kanton Vaud in den Kanton Bern gewechselt waren. Zum Glück haben wir ja den Weg zurück gefunden und können im Chalet die majestätische Fernsicht genießen. Oder vielmehr könnten, hinter den zum Trocknen aufgehängten Käseleinen. Der junge Senner grinst und meint, das gehöre zu einem bewirtschafteten Chalet eben dazu. Dann lädt er uns ins Chalet ein, wo sein Großvater einen Riesenkessel Milch erwärmt. Der Großvater erklärt in seinem Patois, was er gerade tut. Als er merkt, dass wir nichts verstehen, wechselt er zu Französisch und Finger. Die Milch werde auf 53° – drei Finger hoch – erwärmt. Das dauere zwei –  zwei Finger hoch – Stunden. So verstehen sogar wir das. Den Käse vom Vorjahr kann man als kleine Zwischenmahlzeit bestellen, zusammen mit hausgebackenem Nussbrot. Die Pause tut gut und wir fühlen uns fit genug, den weiteren Weg zum Col des Andérets (2030m) anzugehen.a4

Meine Männer wollen noch ein bisschen Herausforderung und Abenteuer und beschließen, zum Gipfel der Palette (2172m) hoch und über die Flanke abzusteigen. Ich habe eigentlich genug Herausforderung und Abenteuer für heute und laufe auf dem breiten Almweg um die Palette herum zum Chalet d’Isenau. Wo ich dann viel Zeit habe, auf meine Bergsteiger zu warten.

a8

Von da ist es ein kurzer, aber beeindruckender Weg zurück zum Lac de Retaud, Auge in Auge mit dem Diableretsmassiv, seinen von Gletschern abgeschliffenen Felswänden, seinen Wasserfällen und der Seilbahn hinauf zum Glacier 3000.

isenau copy

Aber das ist für ein anderes Mal. Für heute sind wir rundum zufrieden mit dem, was wir erlaufen und erlebt haben.

 

 

Bergwellness

e2

Ich habe ein kleines Wortfindungsproblem. Ja, wir waren auf einem Berg, 1669 Meter hoch, oben graue Zacken drauf, eindeutig ein Berg. Und ja, wir waren auf einem Wanderweg, obwohl der für meine Augen eher eine Wanderautobahn war, so breit und so stark befahren, ‚tschuldigung begangen war er. Trotzdem tue ich mich extrem schwer mit dem Begriff Bergwanderung. Was wohl daran liegt, dass meine Begleiterin und ich länger Auto und Seilbahn gefahren als gelaufen sind. Von der Bergstation auf 1447m bis zur Steinlingalm geht es ein bisschen auf und ab, aber eigentlich fast auf den Höhenlinien. Übermäßig lang ist der Weg auch nicht, in einer knappen halben Stunde sind wir da und genießen den Blick über den Chiemsee und in die Berge. Rechts von uns stürzen sich einige unerschrocken in das Abenteuer der Kampenwand, aber wir verzichten heute mal darauf.

e4

Dann geht es genauso bergauf und bergab zurück. Wir sind natürlich nicht die Einzigen auf diesem Weg. Unter die Tausende, die die Bergeinsamkeit suchen, mischt sich ein Trupp Jungkühe. Der dann zeigt, dass auch große Hunde kleine Feiglinge sein können. Hund (Golden Retriever) und Herrchen kommen um die Kurve und stehen – zumindest der Hund – Nase an Nase mit einem Jungbullen, der auch noch freundlich-neugierig schnüffelnd das mächtige Haupt senkt. Der Hund wird plötzlich ganz klein, kriecht auf dem Boden hinter sein Herrchen und achtet beim Vorbeischleichen an dem Rind ganz genau darauf, dass ja nur immer Herrchen zwischen ihm und dem Jungbullen ist.

e3

Kurz darauf sind wir an der Bergstation, wo wir uns aber nicht in die Massenabfertigung der Sonnenalp anstellen, sondern hinabsteigen zur kleineren Möslaralm mit ihrem netten, lustigen Wirt und den Käse- und Wursttellern. Man bestellt drinnen im Schankraum bei eben diesem Wirt. Der, um den Überblick bei den Bestellungen zu behalten, die Tische durchnummeriert hat. Der Gast vor mir hat allerdings seine Tischnummer nicht im Kopf. Doch dann fällt ihm ein eindeutiges Merkmal ein, an dem der Wirt den Tisch sicher sofort erkennen kann: „Da steht ’ne braune Kuh davor!“

Ein alkoholfreies Weißbier – isotonisch und so, gut für Leistungssportler wie wir – Sonne, Blick auf die Berge, das ist Seele baumeln lassen in Vollendung.

Dann mit der Seilbahn nach unten trödeln, mit dem Auto nach Hause und einen Sprung in den Klostersee.

Jetzt hab‘ ich’s: ich werde das Ganze Bergwellness nennen.

e1

White Christmas (Parmelan, 1832m)

 

parm1

Das Problem: da muss man hoch!

parm2

Gut, es gibt Hilfestellungen, aber trotzdem

parm3

Dafür ist die Belohnung umwerfend.

parm4

Der Abstieg über das Lappidaz bietet viel Spass, bresonders, wenn der Schnee die gelben Wegpunkte bedeckt.

parm6

Dafür ist die Aussicht einfach …

parm7

schwindelerregend.

parm8

Manche haben es einfacher, diese Höhen zu ersteigen.

parm9

Der Sonnenuntergang ist fantastisch, aber letztendlich ist man doch sehr froh, …

parm10

wenn man wieder am Auto ist.

Lärchen-Fackel-Spektakel-Zugabe (Col de la Forclaz)

forclaz7Ich würde das ja niemals laut und in der Öffentlichkeit verkünden, aber ich bin der festen Überzeugung, dass einige der wichtigeren Entdeckungen und Erfindungen der Menschheit aus reiner Faulheit gemacht worden sind. Weil irgendein Mensch es gründlich leid war, die selbe Tätigkeit zum x-ten und aber-xten Male zu wiederholen, hat er sich hingesetzt und etwas ausgetüftelt, das diesen Job für ihn übernehmen konnte. Schönes Beispiel heute: wir wandern vom Col de la Forclaz auf dem „Chemin des bisses“. Bisses – oder auf Schweizerdeutsch Suonen – sind von Menschenhand gestaltete Wasserläufe, die, zum Teil kilometerweit, gutes, sauberes Wasser aus den Bergen in die Dörfer bringen.forclaz1 Um das lebensnotwendige Nass auch immer zur Verfügung zu haben, werden die Bisses betreut und kontrolliert von den Gardien des bisses. Der, der für die Bisse de Trient zuständig war, hatte eine genial-faule Idee. In der Mitte der immerhin 3km langen Strecke baute er ein Wasserrad ein. Dieses Rad ließ einen großen, schweren Hammer auf einen weithin klingenden Stein schlagen. Und unser Gardien konnte so schon von weitem hören, ob der Rhythmus des Hammers schön ebenmäßig klang. Was dann für ihn bedeutete: alles in Ordnung, keine Notwendigkeit, den ganzen Weg abzulaufen. Nur wenn der Hammer zu langsam oder gar nicht zuschlug, war ihm sofort klar, da stimmt was nicht, da muss ich nachschauen gehen. Genial, nicht?

forclaz2Wer zwischen den Zeilen lesen kann, erkennt auch unsere Faulheit: Bissen folgen natürlich dem Gesetz der Schwerkraft, d.h. das Wasser will nach unten. Aber es soll das kontrolliert und langsam tun, also mit geringem Gefälle. Was natürlich für „Bissen-Wanderer“ heißt, dass es eben nur sehr langsam und gemütlich nach oben geht. Außerdem stand am Beginn der Wanderung ein Schild: Chalet du Glacier, Buvette und drunter hing „offen“. Vor unserem geistigen Augen entstanden Bilder von dampfendem Kaffee, Blaubeertorte oder Apfelkuchen, serviert an urigen Holztischen, die Berge vor sich, die Sonne im Rücken. Unser Frühstück war halt schon lange her…

Vielleicht war das der Grund, weshalb wir die ersten drei Kilometer deutlich schneller hinter uns brachten als die Schweizer Wegweiser angaben. Nur war dann die Enttäuschung groß: die Buvette war nicht nur geschlossen, sie war mit Brettern vor den Fenstern und Türen winterfest verrammelt und machte einen äußerst abweisenden Eindruck. Schade, schade, schade.

Unser nächstes Ziel war ein Chalet in 2100 m Höhe, sozusagen auf Augenhöhe mit der Gletscherzunge auf der anderen Talseite. Vor 150 Jahren hätte wir dafür vom Chalet nur ein paar Schritte laufen müssen, aber heute liegt der Gletscher etwa 400 Höhenmeter und 2 km weiter weg.

forclaz6Der Gletscher war lange Zeit für die Menschen hier ein Arbeitstier. Noch bevor der Mensch auf die Idee kam, das Wasser für seine Bedürfnisse abzuzweigen, nutze ein Unternehmer des frühen 19. Jhd. den Gletscher als Rohstoff. Er ließ große Eisbrocken herausbrechen, sie auf Loren über Schienen auf dem (späteren) Bissenweg bis zum Col de la Forclaz, von dort mit Karren nach Martigny und von da zu Orten so weit entfernt wie Paris bringen, damit die Menschen ihre Lebensmittel kühlen konnten. Am Chalet sieht man noch Spuren dieser „Ausbeutung“ des Gletschers.

forclaz3Wir folgen dem schmalen Pfad, der sich erst noch recht harmlos gibt und in einem Wäldchen verschwindet. An einer großen Almwiese geht es dann senkrecht zu den Höhenlinien nach oben. Für mich mal wieder Anlass, „bewundernd“ (sprich nach Luft schnappend) stehen zu bleiben. Die Lärchenwälder stehen in Flammen! Die Nadeln sind kupferbraun gefärbt. Noch liegt das Tal im Schatten, die Pointe d’Orny (3271m) steht vor der Sonne. Doch wir klettern höher und kommen zu sonnenbeschienenen Wiesen. In der Sonne ist es richtig warm, ideal zum Picknicken! Die Sonne lässt die Lärchenwälder leuchten, auf der Kammlinien der anderen Talseite stehen einzeln Bäume, von hinten angestrahlt, wie Fackeln.

forclaz5Auch der Weg führt durch diese Lärchenwälder. Dick und weich liegen die Nadeln auf dem Boden, ein kupferroter duftender Teppich. Als Gegengewicht zum doch eher unsanftem Weg, der sich langsam zur Kletterstrecke zwischen Granitbrocken entwickelt. Wir klettern trotzdem weiter. Laut Karte sind es noch etwa 600m und etliche Höhenmeter bis zum Ziel, als uns ein Erdrutsch die Entscheidung: weiter oder zurück? abnimmt.

Die Kletterei zurück, bergab, ist dann noch einen Ticken spaßiger als bergauf. Um halb eins geht die Sonne kurzfristig unter, hinter der Bergspitze, um eine Viertelstunde später weiter rechts wieder aufzugehen. Lärchen-Fackel-Spektakel-Zugabe!

forclaz4Der Kletterweg endet kurz vor dem Chalet, dort ist es inzwischen etwas rummelig. Vom Kindergarten bis zum Altersheim, alle profitieren vom einfachen Zugang zum Berg und dem tollen Wetter. Wir laufen gegen den Strom zurück zum Hotel de la Forclaz, wo wir dann – drei Stunden später als anfangs gehofft – auf der Terrasse sitzend doch noch zu unserem Apfelkuchen kommen. Das Wetter ist so traumhaft, wir sind so früh dran, dass wir uns für den Weg „hinten rum“ entscheiden. Wir trudeln durch Trient rüber nach Frankreich, durch Vallorcine und Argientière nach Chamonix, immer Auge in Auge mit Mont Blanc, Aiguille de Midi, Aiguilles rouges und ihren Freunden.

Und als Krönung dieses wunderschönen Tages schenkt der französische Staat uns dann noch ein Erinnerungsfoto.

Von uns und unserem Auto, auf der Route Blanche, kurz hinter Chamonix….