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Freitag ist Brückentag (Geierlay) …

geyer4… oder: Anden-Feeling im Hunsrück

Früher, als wir eher Zeit als Geld hatten, war das Fortbewegungsmittel der Wahl unsere edlen Rosse, Schusters Rappen. Unterstützt von lokalen Bussen und Bahnen wanderten wir kreuz und quer durch Hunsrück und Eifel.

Eine unserer ersten Wanderungen ging durchs Baybachtal, von Emmelshausen bis Burgen. D.h. in diesem allerersten Fall nur bis zur Burg Waldeck. Denn in einem der steileren Abschnitte der Baybachklamm musste ich mich zu Monsieur umdrehen, um irgendeine dumme Bemerkung zu machen. Das Resultat war ein Sturz mit Bänderriss im rechten Fuß.

geyer5Monsieur schwang sich wortlos meinen Rucksack auf den Rücken und mich auf die Arme und trug mich mehrere Kilometer weit aus dem Tal hinaus zur Burg Waldeck, wo wir uns „Zivilisation“ und Zugang zu Telefon und ärztlicher Versorgung erhofften. Glücklicherweise fand auf der Waldeck gerade ein Pfadfinderlager statt. Wir gaben den Pfadfindern dann die Gelegenheit zur Guten Tat des Tages.

Für mich war danach klar: das ist der Mann deines Lebens. Ruhig und gelassen, groß und stark, bereit sein Päckchen zu tragen – und meins dazu, falls ich mal wieder Mist baue.

Daran hat sich bis heute nichts geändert. An der Baybachklamm schon. Was für uns einfach „Lass uns doch mal durchs Baybachtal laufen“ war, nennt sich inzwischen „Traumpfade“ oder „Traumsteige“. Es gibt eine Traumpfade-App auf dem Handy (das damals zugegebenermaßen nützlich gewesen wäre.) Man läuft nicht mehr einfach zum Spaß, man will Traumpfade-Star werden, mit dem digitalen Stempelheft. Rundwanderungen sind dann folgerichtig „Traumschleifen“ und in ihren Beschreibungen häufen sich die Adjektive: man läuft „auf schmalen, naturnahen Wegen, vorbei an idyllischen Wasserläufen und imposanten Felsformationen hin zu atemberaubenden Aussichtspunkten und beeindruckenden Natur- und Kulturdenkmälern“ (Hervorhebungen nicht von mir).

Und damit man auch genau weiß, ob man diese Wanderung nun schön fand oder nicht, kann man auf das Deutsche Wanderinstitut zurückgreifen, das die Traumschleifen mit Erlebnispunkten bewertet. Die Baybachtal-Traumschleife kommt z.B. auf stolze 90 Erlebnispunkte.

Ich finde das Ganze ziemlich albern. (Obwohl es mich insgeheim ja schon interessieren würde wie viele Erlebnispunkte diese dramatische – und nebenbei bemerkt hochromantische – Bergungsaktion „auf schmalen, naturnahen Wegen, vorbei an idyllischen Wasserläufen und imposanten Felsformationen hin zu atemberaubenden Aussichtspunkten und beeindruckenden Natur- und Kulturdenkmälern“ uns damals hätte bringen können.) Trotzdem reizte uns die Geierlay, eine 360m lange Hängebrücke in etwas über 100 m Höhe, mit der – na, was wohl? – Geierlay-Schleife.

geyer1Übernachtet haben wir in einem Fachwerkhäuschen in Kastellaun, das sich voll auf die neue Touristiksparte eingestellt hatte. Neben Flyern zu Baybachtal und Geierlay informierte uns eine Broschüre, dass wir uns in einer „Premium-Wanderregion“ befänden. Wir lernten, dass wir uns noch auf dem Saar-Hunsrück-Steig befänden, morgen aber auf einer „Zuwegung“ laufen würden. Gelegentlich konnten wir Untertöne heraushören, dass zum Beispiel das Personal unseres Hotels nicht nur reine Begeisterung ob der zigtausend Wandergäste empfand.

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Fluch und/oder Segen der Energiewende

Unser erstes Ziel an diesem Morgen war das Besucherzentrum Geierlay. Sagen wir mal so: die größte Attraktion in dem unansehnlichen Zweckbau war die groß angekündigte „letzte Toilette vor der Brücke“. Mit einem Flyer bewaffnet ging es los, über asphaltierte Feldwege zum Brückenkopf Mörsdorf. Von dort spannt sich die 360m lange Hängebrücke in etwas über 100 m Höhe über ein idyllisches Bachtal. Sie erfüllt keinen direkt ersichtlichen Zweck – außer dem, da zu sein und offenbar Massen von Schaulustigen anzuziehen. Sie ist nicht angeknüpft an das weit verzweigte Netz von Fernwanderwegen, pardon „Steigen“. Sie steht halt einfach nur so da und macht dadurch die oben erwähnten Zuwegungen notwendig. Gut, wir wagten das, was als „Adrenalin pur“ beschrieben wird, und überquerten mit einigen Dutzend anderen Wagemutigen die schwankende Brücke. So stelle ich es mir vor, in den Anden über eine Seilbrücke zu laufen. Nur dass diese Brücke von einer Schweizer Firma gebaut und mit Stahlseilen gegen den Wind verspannt worden war. Was das mit dem Adrenalin dann doch wieder etwas relativierte.geyer3

Auf der anderen Seite gab es einen Wegweiser „Geierlay-Schleife“ und das war’s dann für die nächsten Kilometer.  Seit Anfang April ist dieser Weg eine „Premium-Wanderschleife“, aber davon merkt man nicht viel. Irgendwann sind wir dann mehr unserem Gefühl als dem Flyer gefolgt. Dort war der Weg nämlich auch nicht als topographische Karte sondern mehr so als „künstlerische Annäherung“ dargestellt. Monsieurs Lebensgefährtin schmollte in dem engen Tal. Der Weg brachte uns aber immerhin, wie skizziert, unter der Hänge-Brücke hindurch und sehr romantisch am Bach entlang, bis zu einen Schild „Mörsdorf“, das nach links zeigte. Monsieur  jedoch bestand darauf, Mörsdorf liege rechts und somit sei rechts am Bach weiter zu laufen. Ich hielt mich raus, bei rechts und links. War alles nicht weiter schlimm. Jedes Mal wenn der Weg direkt in den Bach führte und wir dachten: Okay, Schuhe aus und rübergewatet!, entdeckten wir dann doch noch einen schmalen Pfad auf unserem Ufer. Auch die abenteuerliche Baumbrücke hatte ein paar Schritte weiter eine zivilisierte Schwester. Nur, dass der Weg dann letztlich vor einem Steilhang endete, war ein bisschen störend und zeitraubend.

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Nebendran gab es noch einen „richtigen“ Steg

Irgendwann waren wir dann wieder in Mörsdorf, wo uns auf dem Weg zum Auto scharenweise die Besucher entgegen kamen.

Dafür saßen wir kurz darauf ganz allein in einem Dorfrestaurant im Nachbarort. Das Steak vom Hunsrücker Weiderind, 5 cm dick, war hervorragend, der frische Spargel ebenso.

Und während wir auf unser Essen warteten, bekam man den Eindruck, das örtliche Traktoren-Museum mache seinen Betriebsausflug, weil ein historisches Fahrzeug nach dem anderen an unserer Terrasse vorbeituckerte. War wahrscheinlich aber nur die fleißige Nebenerwerbslandwirtschaftsbevölkerung, die einen sonnigen Brückentag nutzte.

Also, Wandern im Hunsrück ist wunderschön und wildromantisch. An den ganzen Kram mit den Traumsteigen und Traumschleifen muss man ja nicht glauben.

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