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Fingergymnastik

Wetter brummelt: „Ich kann’s ja mal versuchen.“ Um dann mürrisch nachzusetzen: „Aber versprechen tu ich nix!“

Entsprechend frisch ist es am Wanderparkplatz Oberlahnsteiner Forsthaus. Der Parkplatz ist sehr groß, etwa in der Mitte, halb versteckt hinter Stapeln gefällter Bäume, stehen zwei Wegweiser verloren in der Gegend herum. Ja, sie tragen Hinweisschilder und sie zeigen auch irgendwo hin, nur ist nicht so ganz klar, welche der Wege man ihnen zuordnen soll.

Ist aber nicht weiter schlimm, Monsieurs Lebensgefährtin weiß das und so beginnt der erste Teil der Fahrradtour zur alten Nassauischen Bahntrasse, Streckenabschnitt nach Braubach.

Ich würde jetzt gerne schreiben, dass wir radeln, aber es ist mehr Fingergymnastik an den Bremsen. In die Pedale treten müssen wir nicht, nur ab und zu mal bremsen, wenn die Pfützen zu schlammig werden, der Schotter sich für Treibsand hält.

Nach kaum fünf Minuten hält Monsieur und weist nach rechts. „Der Beweis“, meint er und zeigt auf die Brückenpfeiler, die dort verloren im Bachtal stehen. Als ob ich es ihm nicht ohnehin geglaubt habe, was er auf der ersten Bahntrassen-Wanderung herausgefunden hatte. Wirklich erstaunlich ist doch eher, dass wir schon jetzt an der Stelle sind, an der wir vor ein paar Tagen kehrt gemacht am – am gegenüberliegenden Ufer. Am hiesigen Ufer beginnt die alte Bahntrasse.

Auf unseren Streifzügen durch den Taunus haben wir festgestellt, dass etwa 90% der Bäche auf den phantasievollen Namen „Mühlbach“ hören und so beschließen wir einfach, dass auch dieser, einst von der Brücke überquerte, Bach ein Mühlbach sei. Die Trasse folgt ihm in Richtung Rhein. Ein Ponyweg kreuzt – ausführlich beschildert – unseren Pfad, aber die Ardenner bleiben als Kaltblüter auf der Bahntrasse. Kurz vor Braubach biegt der breite Weg im spitzen Winkel zu einer Mühle ab. Die Bahntrasse geht natürlich geradeaus weiter, allerdings als überwachsener Trampelpfad in der Mitte der Trasse. Kniehohes Gras, noch Regen-nass vom nächtlichen Gewittersturm, schlägt gegen die Waden, gelegentlich steigt Monsieur ab, um dickere Äste aus dem Pfad zu ziehen. Schließlich mündet der Pfad auf die Straße. „Nass. Bahntrasse“ steht dort auf einem handgeschnitzten Schild. Stimmt, nass war sie, die Trasse, im letzten Abschnitt.

Braubach ist dann Rheinromantik pur. Die Marksburg thront über dem Städtchen, ein mittelalterliches Stadttor lässt uns eintreten, Fachwerkhäuser neigen ihre Giebel rechts und links über die Gassen.

Am Marktplatz gönnen wir uns eine Pause, während die Intercitys und Güterzüge gefühlt direkt an unserem Tisch vorbeibrausen. Angeblich hätten die Hoteliers der Rheinromantik-Örtchen in den 1860ern darum gebeten, die Gleise direkt vor ihren Terrassen zu verlegen, um ihren Gästen das „atemberaubende Schauspiel der vorbeibrausenden Lokomotiven“ – Inbegriff des Fortschritts – zu ermöglichen. Ja, hätten sie das noch mal zu machen…

Mit der Philippsburg zeigt Braubach, dass es auch Renaissance kann und dann sind wir auf dem Rheinradweg. Obwohl das hinter Braubach eher eine Vertrauenssache ist: rechts ist der hohe Damm der viel befahrenen Bundesstraße, links der hohe Damm, der vor Hochwasser schützen soll, da müssen wir einfach darauf trauen, dass wir am Rhein entlang fahren.

Lahnstein ist durch Großbaustellen und Umleitungen gleich chaotisch für Auto- wie für Radfahrer, aber hinter der Lahnbrücke geht es dann auf den stillen und recht romantischen Lahnradweg. Bei Friedrichssegen kreuzen wir zurück auf die andere Lahnseite und müssen uns dann den Tatsachen des Lebens stellen. Dass so ein Fluss ja meist unten, im Tal, der Ausgangspunkt unsere Radtour aber oben auf den Lahnhöhen liegt.

Vielleicht könnte man Blood, Sweat and Tears überreden eine leicht modifizierte Version des Spinning Wheel aufzunehmen. Statt “What goes up must come down” eher etwas in Richtung “What rolls down, must – ähhh -strampel up”.

Radfahrerhymne…


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