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Im Frühtau zu Berge

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… war noch nie unsere Art. Außerdem hat das Hotel uns – wie in vor-Corona-Zeiten – einfach freigestellt, wann wir frühstücken möchten und das war dann eher ein bisschen später.

So kommen wir los, ganz wohlgemut, ist es doch die letzte Etappe. Außerdem wissen wir, dass wir heute Abend in Koblenz unsere Familien treffen werden und dass dies die letzten 18 Kilometer sind, die vor uns liegen. Wir sind so gut gelaunt, dass uns erst nach ein paar hundert Schritten auffällt, dass die Lieser sich sehr seltsam verhält. Man könnte fast sagen, dass sie in die falsche Richtung läuft. Hm, die Lieser? Oder etwa, hmm? Sehr nonchalant drehen wir um und sind nach ein paar Minuten wieder am Ausgangspunkt, um – diesmal auf der richtigen Straßenseite – die letzte Etappe zu starten.

Im Zentrum von Wittlich ist diese richtig verträumt. Wir laufen durch ein Schrebergarten-Viertel, wo alte Menschen sich ein bisschen mühsam aufrichten, um dem freundlich-neugierigen Guten Morgen noch ein „Schönen Tag auch“ oder „Gute Wanderung!“ anzuhängen. Wir kreuzen die Lieser und kommen zu einer Reihe so alter Häuser, dass sie wie unters heutige Straßenniveau versunken scheinen. Unsere Wanderstiefel laufen auf Höhe der Wohnzimmerfenster.

Dann ist aber auch für einige Zeit Schluss mit hübsch und verträumt. Ein breiter Fahrradweg führt uns im Windschatten eines riesigen Industriegebietes schnurstracks auf die Bögen der Autobahnbrücke zu. Rechts davon liegen die restaurierten Reste einer wohl einst sehr beeindruckenden römischen Villa, deren Erbauer sicher nicht damit gerechnet hat, dass er in 2000 Jahren mal direkt unter der Autobahn wohnen wird. Eine Fußbrücke quert die Lieser, hüben und drüben die Männer in Blau vom THW. Sie haben Tripods aufgebaut, Seilzüge und Winden verspannt und ziehen einen Verletzten in einer metallischen Tragebahre über den Fluss. Beim Näherkommen merken wir, dass der „Verletzte“ Getränkekisten und Picknickgrundlagen sind. Weiter oben im Hang bauen sie schon die Klapptische auf für den Abschluss der Übung.

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Wir steigen quasi in der Böschung und umtost vom Lärm der Autobahn einen schmalen Pfad steil bergan, der oben auf dem Plateau in einen breiten Holzweg mündet, keine Lieser weit und breit zu sehen. Monsieur meint, dass man den Lieserpfad eher Lieserweg nennen sollte, da er doch weitaus mehr Kilometer auf diesen läuft und – Achtung, Kalaueralarm – die meiste Zeit ohnehin die Lieser weg sei.

Kurze Zeit später treffen wir auf eine Straße und das wird – mit zwei sehr schönen Ausnahmen – das Leitmotiv des Tages. Wir laufen auf Straßen durch Felder, wir laufen auf Straßen unter Eisenbahnlinien, wir kreuzen auf Straßenbrücken vierspurige Straßen. Die Landschaft (vom Industriegebiet Wittlich natürlich abgesehen) ist weit und schön, hier und da ist ein sehr elaboriertes Wegkreuz hineingetupft. Alle in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts entstanden, die Inschriften erzählen uns jedoch nicht, was damals passiert ist, dass die Menschen sich so fürchteten oder so dankbar waren.

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Aber auch diese Kreuze stehen am Rand von Straßen. Der Steinbachgraben bei Platten rettet unsere Laune. Da läuft der Weg wieder als Pfad durch ein verwunschenes Bachtal. Wir sind inzwischen geologisch von Basalt zu Buntsandstein gewechselt, was dem Bächlein das Graben verwunschener Täler sicher einfacher macht. Es geht am Bach entlang, mit wackeligen Stegen auch mal über den Bach, bis wir mal wieder die Abkürzung über den Berg nehmen und im nächsten Tal – Überraschung! – die Lieser sehen. Wir lassen uns ganz kurz von einem Winzerhof und Café ablenken, wo man zwischen üppigen Torten und Herzhaftem wie dem Weinhändler-Frühstück (auch üppig, aber auf andere Art) wählen kann.

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Danach teilt sich der Pfad eine Straße mit dem Radwanderweg. Das steht in regelmäßigen Abständen auf den Schildern am Straßenrand. Trotzdem werden wir das Gefühl nicht los, von den Radwanderern als lästige Hindernisse betrachtet zu werden. Dabei laufen wir schon – viel angenehmer – auf dem gemähten Randstreifen. Irgendwann nimmt der Lieserpfad die Abkürzung über den Berg und wir laufen auf der anderen Seite wieder hoch über der Lieser. Nicht sehr zügig, zugegebenermaßen, wir hangeln uns von einer Hand Brombeeren zur nächsten.

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In Noviand bietet ein kleiner Brunnen – nebst Bank – am Straßenrand uns Abkühlung, bevor wir durch den Ort hoch zum Plateau steigen, wo Maring uns überrascht mit einem Wegweiser zur Maringer Schweiz, ein ganz schlechtes Zeichen, heißt das doch meist „steil und bergig“. Wenig später stehen wir an einem weiteren Kreuz und schauen hinab in ds tiefe Tal, das die Lieser sich gegraben hat. Ein Blick auf die gegenüberliegenden Weinberge zeigt, dass unser Ziel, die Mosel, nicht mehr weit ist. Wir steigen auf sehr schmalen Pfaden hinab, vorbei an in den Felsen gehauenen Aussagen wie: von der Maringer Jugend gestaltet, 1930. Man erkennt sofort das Potential: auf diesen steilen und verborgenen Pfaden konnte der örtliche Pfarrer das Tun und Lassen seiner jugendlichen Schäfchen nicht überwachen.

Diese schönen Pfade bringen uns – als Abschiedsgeschenk sozusagen – tatsächlich direkt an der Lieser entlang fast bis zur Mündung. Wir sehen auf der anderen Seite schöne große Mühlen und Weingüter – aber auch die Kläranlage. Kurz vor der Mosel müssen wir uns noch mal an einer vielbefahrenen Straße entlangschlängeln und stehen, unter der Brückenauffahrtsrampe hindurch, nach 74,3 Kilometern (minus den weggeschummelten  bei Daun und Wittlich) an der Mündung, unserem Ziel.

Geschafft!

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