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Mit einem blauen Auge

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Monsieur ist sehr besorgt. Und zurückhaltend. Die Sorge gilt mir, die ich sehenden Auges in eine Glastür gerannt bin, was zum ersten blauen Auge meines Lebens führt. Die Zurückhaltung gilt der nur allzu offensichtlichen Bemerkung, dass ich, wenn man den Zustand meiner Fenster zu Hause bedenkt, nicht mit spiegelblanken, blitzsauberen und daher unsichtbaren Fenstertüren habe rechnen können.

Der Nieselregen heute Morgen lässt ein Verstecken hinter Sonnenbrille noch absurder erscheinen als das blaue Auge selber. Da muss ich nun mal durch.

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Casale Monferrato, da waren wir noch nicht, das ist doch ein guter Grund, Asti und Alba rechts liegen zu lassen. Schöne Plätze, ein paar Kirchen, ein Castello mit Enothek und die angeblich schönste Synagoge Italiens. Letztere – ist uns schon klar – wird nicht zu besichtigen sein am Sabbath. Aber auch die meisten Kirchen scheinen dem Heiligen San Chiuso gewidmet zu sein, was darin liegt, das wir uns haben ablenken lassen.

Monsieur trödelt von Amici zu Amici, da erscheint rechts eines jener braunen Hinweisschilder: Santuario di Crea. Und schwupps biegen wir ab. Monsieur deutet auf eine barocke Silhouette auf dem nächsten Hügel, aber das lehne ich strikt ab. Santuario, sage ich, das ist sicher ein romanisches Kirchlein auf römischem Tempel auf keltischem Heiligtum. Monsieur versucht noch, mir taktvoll zu erklären, dass das Leben sich nicht unbedingt an meine Wünsche und Vorstellungen hält, da bereitet das Leben einen Kompromiss vor.

Das Sanctuario ist spätmittelalterlich, mit wunderschönen Renaissance-Fresken rechts und links in den Seitenkapellen des Chors und einem ziemlich kitschigen Gemälde über dem barocken Hauptaltar. Wirklich umwerfend ist aber der romanische T Rex auf der ersten Säule. Ein Drache, der Männchen macht, neben einem Heiligen, der eher wie ein stolzer Dompteur wirkt.

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Eine unscheinbare Türe führt zu einem Seitengang mit Bildern, die mich unerwartet und tief berühren. Hier hängen Votiv-Tafeln von Menschen, denen Maria geholfen hat. Gut, etwa Dreiviertel der Tafeln drehen sich um Autounfälle, wo ein bisschen gesunder Menschenverstand vorher die Hilfe Mariens nachher überflüssig gemacht hätte. Aber der andere Teil der Bilder, von großer Naivität und ebenso großem Vertrauen, berührt mich sehr tief.

Nichts, was wir später in Casale und noch später in Moncalvi sehen, berührt mich gleichermaßen und so ist für mich dieser Seitengang das, was bleibt von heute.

 


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