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Ho capito!

Einerseits wollten wir heute nach Pompeji, andrerseits haben wir außer den nächtlichen Altstadtgässchen und dem Bahnhof Porta Nolana noch nicht viel gesehen von Neapel.

Wir beschließen also, uns heute lieber Neapel anzusehen – mit der U-Bahn. Klingt nach einem Plan, nicht wahr?

Auf dem Weg zur Dante-Station liegt der Santa Chiara Kloster Komplex mit seinen wundervollen Bauten. Und einem netten Kloster-Shop, der neben hausgemachten Naturkosmetika auch Kaffee und Pasticcini anbietet zum Frühstück. Der Kreuzgang mit seinem Orangenhain und den Majolikasäulen ist ein sehr friedlicher Ort – im Gegensatz zur Geschichte des Klosters, das im Zweiten Weltkrieg von den Alliierten zerbombt wurde und fast gänzlich ausbrannte, core scuro, das dunkle Herz Neapels bis zum Wiederaufbau in den 1950ern.

Piazza Dante wird umtost vom ganz normalen Verkehrschaos, aber wir wollen ja U-Bahn fahren, genau eine Station weit, bis Toledo, der schönsten U-Bahn-Station Europas. Über 50 Meter unter der Stadt durchfährt man auf Rolltreppen die Schichten und die Geschichte der städtischen Besiedlungen, bis ein meerblauer Lichtschacht den Blick in die Höhe öffnet und uns ein Gefühl dafür gibt, wieviel Erde auf uns lastet. Das ist sehr schön anzusehen, aber schwierig zu fotografieren. Nachdem wir viermal rauf und runter gefahren sind, gibt Monsieur den Versuch auf. Wenn Ihr also schönere Bilder haben wollt, müsst ihr googeln.

Mit der Linie 1 (das klingt toller als es ist, es gibt genau zwei, eine weitere ist zumindest im Bau) fahren wir nach Municipio und damit ins Herz des prächtigen Bourbonen-Neapels. Monsieur hatte mir dazu einen Wikipedia-Artikel vorgelesen (wir nennen das „Bildung to go“), aber als dann der selbe Mann Karl VII. im Königreich Neapel, Karl V. im Königreich Sizilien auch noch König Karl III. von Spanien war, wurde mir das zu unübersichtlich.  Das gleiche gab es auch noch mit einem Ferdinand (III., IV. und I.) und da habe ich dann aufgegeben. Was alle diese Doppel- und Dreifach-Könige gemeinsam hatten, war der Drang zu prachtvollen Bauten.

Aber zuerst schlendern wir zum Castell Nuovo. Für Neapel-Verhältnisse nuovo/neu, weil nicht griechisch, sondern „nur“ von 1279, hat es diesen Drang nicht. Es sagt einfach nur „Don’t mess with me!“, was allerdings durch die gelben Blümchen in den Mauerritzen ein bisschen relativiert wird.

Zwischen Industriehafen, Ausfallstraße und Militärakademie ist nicht wirklich schön schlendern, also biegen wir ab. Dass es da einen Aufzug von der Via Acton hoch zur Esplanade gegeben hätte, sehen wir natürlich erst, nachdem wir zu eben dieser Esplanade hochgelaufen sind, vorbei am prachtvollen Theater, dem noch prachtvolleren Palazzo Reale (nicht mein Geschmack, aber…) und über die prächtige Piazza del Plebiscito.

Langsam wird es Zeit für eine Pause. Monsieur will nun ans Meer und einen Drink mit Meerblick genießen. Es dauert erstaunlich lange, bis wir beim Castel dell Ovo schließlich eine Hafenbar finden. Der Aperol Spritz ist gut, aber die Bedienung so unfreundlich, dass wir nicht lange sitzen bleiben wollen.

Der Blick vom Castel Sant’Elmo sei der schönste über die Stadt, habe ich gelesen, allerdings liegt die Talstation der Seilbahn ermüdend weit weg vom Meer. An der nächsten Busstation krame ich einen Satz hervor, den ich aus meinem Italienisch-Kurs von vor vier Jahren behalten habe und frage zwei Frauen, ob dieser Bus zur Piazza del Plebiscito fahre. Glaube ich jedenfalls. Die Damen schauen mich verständnislos lächelnd an. Ich wiederhole meinen Satz, da springt ein kleiner Junge auf, schreit aufgeregt: „Ho capito! Ho capito!“ und rattert meinen Satz in dreifacher Geschwindigkeit runter. Die Damen strahlen und nicken, meinen dann aber, Piazza del Plebiscito sei nur fünf Minuten zu Fuß, da lohne das Warten auf den Bus eh nicht.

So kommt es, dass wir doch die ganze Strecke zur Funicolare laufen, denn auf der Piazza wartet die prachtvolle, aber recht leere Galleria Umberto I auf uns und von deren Hintertür sind es wiederum nur die berühmten fünf Minuten bis zum Bahnhof der Bergbahn. Wir kaufen vier Tickets für Hin- und Rückfahrt und tuckern mit der Funicolare bis zum Bahnhof Augusteo, wo Neapel mich richtig glücklich macht. Neben den vielen prachtvollen Treppen, die den Berg hinauf zum Castel führen, laufen scale mobili, Rolltreppen, mit denen man, d.h. ich, ganz bequem die Treppen schwänzen kann.

Der Blick aus der Höhe ist wirklich schön, wir erkennen vorne den großen Komplex von Santa Chiara und finden irgendwo da hinten den Duomo. Links unter uns liegen die bunten Gassen des Spanischen Viertels, die wir noch auf dem Rückweg zur Metro Toledo durchschlendern wollen. Mit der Funicolare zwei Stationen bergab, dann sind wir mitten drin. Das jedenfalls war bis eben der Plan, bis wir diese verwinkelten Treppenstufen sehen. Uralt, ausgetreten und sehr steil führen sie bergab ins Viertel und führen und führen und führen…

Vielleicht hätten wir doch die Bahn nehmen sollen, sagen meine Knie so ab etwa der Hälfte. Was machen wir jetzt mit den zwei Fahrkarten? nörgelt eine Stimme im Hinterkopf und dann erweisen sich die Spanischen Viertel als ziemlich gefährlich, verkehrstechnisch. Die engen Gassen sind zugeparkt, aber es gibt Gehsteige, sogar mit hohen Pollern geschützt. Nur können wir die nicht benutzen, weil auf den Gehsteigen die Wäscheständer, die Gartenstühle oder einfach nur der Müll steht. Also schlagen wir uns mit den Autos und dem Hornissenschwarm der Rollerfahrer um ein bisschen Platz auf der Straße.

Ich bin sehr glücklich, als völlig unerwartet ein Metro-Schild auftaucht, das uns weitere Ausweichmanöver ersparen kann. Allerdings gestaltet sich das U-Bahn-Fahren etwas überraschend: wir sind fast eine Viertelstunde unterirdisch zu Fuß unterwegs, auf Rollbändern, in Gängen, auf atemberaubend steilen Rolltreppen bis wir plötzlich und für uns unerwartet in der Toledo-Station stehen – ohne einen Meter gefahren zu sein. Monsieur brummelt, dass er sich unseren Spaziergang durch die Spanischen Viertel etwas anders vorgestellt hatte.

Abends, nach einer tollen Parmigiana und einer langweiligen Pasta schlendern wir an Maradona vorbei nach Hause. Da kommt mir Monsieur abhanden. Aber das war ja abzusehen.

Übrigens: Ich hätte da noch zwei Fahrkarten für die Funicolare Centrale. Hat jemand Interesse?


1 Kommentar

  1. China Dream sagt:

    enjoyed the tour,.. thank you.

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