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Ein bisschen beunruhigend


Irgendwie klappt das alles zu reibungslos. Es ist fast ein bisschen beunruhigend.


Wir sind heute morgen in diesen noblen Vorort von Koblenz gefahren, haben einen Parkplatz gefunden und die Räder abgeladen. Gut, Monsieur meint, er müsse mein Auto noch mal kurz umparken, weil es nicht korrekt genug geparkt ist für diesen noblen Vorort, aber dann geht es durch ein Sonntagmorgen-leeres Koblenz zum Bahnhof: grüne Welle an allen Ampeln.
Am Bahnsteig 5 ist zwar die Rolltreppe kaputt, aber ein freundlicher Mensch schickt uns zwei Ecken weiter zum Aufzug. Unsere Bedenken, durch die letzten Erfahrungen gestützt, werden mit einem empörten: „Das ist ein Hauptbahnhof hier! Natürlich funktioniert der Aufzug!“ weggewischt. Tut er tatsächlich.


Auf dem Nachbargleis läuft der zwei Stunden verspätete „Rheingold“ ein, auf nostalgischer Genussreise und ermöglicht uns einen kurzen Blick zurück in jene historischen Zeiten, als Bahnreisen ein elegantes Vergnügen war.


Der Zug nach Klagenfurt fällt ganz aus, der nach Dortmund hat mehrere Stunden Verspätung, aber unser Regio nach Mayen kommt pünktlich, ist völlig leer und fährt pünktlich ab. Wie gesagt, irgendwie seltsam. Ich habe das Gefühl, wenn ich mich umdrehen, wartet da etwas auf mich. Sturzregen, plötzlicher Zusammenbruch aller Bahnverbindungen, Problemchen, kleine Katastrophen, irgendetwas Unerwartetes, nicht unbedingt Angenehmes. Macht mich ein bisschen nervös…


In Mayen nehmen wir die inzwischen bekannte Strecke bis zu der Brücke, unter der wir uns beim ersten Mal auf dem Weg nach Weißenthurm verfahren haben. Diesmal geht es wirklich geradeaus weiter und die alte Bahntrasse wird zum Märchenwald. Inklusive der Drachenhöhle. Im realen Leben sind es zwei Eisenbahntunnel, die wir durchrollen, aber Drachenhöhle passt viel besser zum verzauberten Wald ringsum uns herum. Ab und an schießt ein Rennfahrer an uns vorbei, ansonsten sind wir weitgehend allein. Zwei hohe Eisenbahnbrücken bringen uns über tiefe Täler.

In Polch beschließt Monsieur, dass das gute Essen im alten Bahnhof nicht die einzige Attraktion des Ortes sein darf, schließlich bietet er die – angeblich – älteste Kirche der Eifel. Die kleine Kapelle ist sehr stolz darauf, einen römischen Grabstein als Türsturz zu haben und zeigt mit der gut sichtbaren Inschrift auch völlig ohne Scham, wem sie ihn geklaut haben. Faszinierender finde ich die Dutzende von kleinen Basaltkreuzen, die als Grabsteine zwar die Zahl, 1537 war der älteste, den ich finde, aber statt des Namens nur die Hausmarke tragen, hier eine Wolfsangel, da eine Raute oder eine Pfeilspitze.


Monsieur bietet mir noch mehr Kirchlein in Nachbarorten an, aber ich locke ihn mit der Eisdiele in Münstermaifeld. Das zieht immer. „Buttermilch-Himbeer-Torte“ heißt die Mogelpackung von Kuchen, die ich mir bestelle. Buttermilch, das ist leicht und fettarm, Himbeeren sind vitaminreich, man könnte fast glauben, dass das Ganze so richtig gesund ist.


Die Torte, die kommt, ist natürlich nicht ganz so kalorienarm wie angedeutet. Zwischen all das Leichte und die Vitamine haben sie eine Menge Schoko-Tortenböden geschichtet und das bis zu einer Höhe, die eher anderthalb Kuchen entspricht. Aber ich bin der Herausforderung durchaus gewachsen, außerdem brauchen wir ja auch Reserven für die nächsten Kilometer.


Die letzten haben wir nämlich kurz hinter Pillig aufgebraucht – für ein Missverständnis. Wenn ich Elzbachtal und Burg in einen Satz lese, ist das für mich natürlich Burg Elz. Für alle, die sie nicht kennen, schaut mal gerade im Portemonnaie nach, ob ihr noch zufällig einen 500-Mark-Schein drin habt. Genau, das ist Burg Elz. Die man laut Tourbeschreibung von Pillig aus sehen kann. In Pillig und um Pillig herum gibt es auch genug Wegweiser zu Wanderparkplätzen zur Burg Elz, es gibt auch einen Elz-Radweg, dem wir natürlich nicht folgen, da wir auf dem Maifeld-Mosel-Radweg sind.

Ich bin so überzeugt, dass wir die Burg Elz sehen werden, dass ich Burg Pyrmont einfach wegwinke: falsche Burg, die richtige kommt noch. Wir sausen die steile Abfahrt zur Pyrmonter Mühle hinunter (wohl wissend, dass wir später – nach der Burg Elz – das alles wieder hochfahren müssen) und Monsieur hält an, um kurz die Streckenbeschreibung zu kontrollieren. Da ist er dann, mein Fehler, natürlich steht da Elzbachtal und Burg, aber dahinter dann auch Pyrmont.

Tja, wer lesen kann, ist klar im Vorteil und hätte sich einige stramme Kilometer bergauf erspart. Denn eines ist klar: für die Pyrmont hätte ich diese Schleife nicht gemacht.


Das alles ist bei der Pause in Münstermaifeld schnell vergessen. Wir gönnen uns noch einen kurzen Blick in die imposante Stiftskirche, die irgendwie auch etwas Wehrhaftes, Burg-Ähnliches hat und nehmen die Feldwege bis Mörz in Angriff, das letzte bisschen bergauf für lange Zeit.


Was dann kommt, ist reine Radler-Freude: auf kleinsten Sträßchen bergab durch ein enges Tal. Lamas machen Mittagspause im Schatten, Mühlen liegen idyllisch hingetupft am Bach, es ist einfach nur wunderbares Rollen-lassen.


In Hatzenport holt uns dann die Realität wieder ein. Wir sind so beschwingt, dass wir auf die Mithilfe der Bundesbahn verzichten und erstmal die Weiterfahrt an der Mosel angehen. Natürlich sind wir nicht die einzigen an diesem Sonntagnachmittag. Nachdem uns die fünfte Motorrad-Kavalkade in Lärm und Abgase gehüllt hat, wechseln wir auf die andere Moselseite, deutlich weniger Verkehr, aber auch deutlich weniger Radweg.


Wir überholen einen dieser hässlichen Flusskreuzfahrtkästen, am nächsten Fotostopp schiebt er sich wieder an uns vorbei, aber wir sind zuversichtlich: die Mosel hat so viele Schleusen, da sind wir auf jeden Fall schneller in Koblenz.


In Alken gönnen wir uns im Turm-Restaurant der Burg Thurandt (das Radfahrer-freundlich direkt unten an der Mosel liegt) einen kleinen Moselwein und stellen fest, dass am späten Nachmittag die meisten Motorradfahrer wohl wieder auf dem Nachhauseweg sind. Wir kreuzen zurück und geraten in Winnigen mittten ins Weinfest, weiterkommen nur zu Fuß möglich in der fröhlich feiernden Menge. Angeblich das größte Weinfest der Mosel – und das nächste ist schon geplant!

Hinter Winnigen geht es kurz steil hoch in die Weinberge und da ist der Moselradweg dann so idyllisch wie wir uns das erhofft haben. Die prallen Trauben tanken den letzten Sonnenschein, die Reben klettern rechts von uns steil die Hänge hoch, links liegt tief unter uns der Fluss.


In Güls geht es über die Eisenbahnbrücke ins Rauental und am Bahnhof vorbei zu unserem Auto. Wie gesagt, alles hat reibungslos geklappt, wenn wir auch sagen müssen, dass 72 Kilometer eindeutig zu viel sind für uns und die Batterien. Am Auto angekommen stellen wir fest, dass Monsieur nicht nur nicht abgeschlossen hat, auch die Fahrertür hat er nicht zugeworfen. Aber selbst das – Nobelvorort oblige – führt nicht zu zu erwartenden Problemen, alles unberührt noch im Auto.


Wir fahren nachhause, langsam entspanne ich mich. Fast zuhause, was soll da noch schiefgehen?


„Was kochst du denn heute Abend?“, fragt Monsieur.


Achja…


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